TE OGH 1954/1/13 1Ob4/54

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Veröffentlicht am 13.01.1954
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Norm

ABGB §142
ABGB §180
ABGB §181
ABGB §276
Außerstreitgesetz §257
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §17

Kopf

SZ 27/5

Spruch

Adoptionsverträge Staatenloser.

Der Abwesenheitskurator des Vaters kann für dessen eheliches Kind keinen Adoptionsvertrag schließen.

Entscheidung vom 13. Jänner 1954, 1 Ob 4/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Im Adoptionsvertrag vom 24. September 1951 erklärte sich der als Abwesenheitskurator der ehelichen Eltern des mj. Hermann B. bezeichnete Dr. Eugen V. einverstanden, daß der Minderjährige von Benö F. an Kindesstatt angenommen werde und den Namen Hermann F. zu führen habe.

Das Erstgericht gab dem Vertrag gemäß § 181 ABGB. seine Einwilligung.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses der ehelichen Eltern Benö und Irene B. den erstgerichtlichen Beschluß als nichtig auf. Es könne unerörtert bleiben, ob Dr. V. vom Erstgericht überhaupt zum Abwesenheitskurator der Eltern des mj. Hermann B. bestellt worden sei. Ein ausdrücklicher Beschluß liege nicht vor. Aber abgesehen davon hätte das Erstgericht nach der Ansicht des Rekursgerichtes für das Kind gemäß § 176 ABGB. einen Vormund bestellen müssen, damit dieser den Adoptionsvertrag schließe. Da dies nicht geschehen sei, fehle es an der gesetzmäßigen Vertretung des Minderjährigen. Ein Abwesenheitskurator des Vaters sei nicht befugt, für diesen die väterlichen Rechte auszuüben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Wahlvaters nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was die Frage betrifft, ob die inländische Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall gegeben ist, ist von Bedeutung, daß es sich sowohl beim Wahlvater als auch bei den ehelichen Eltern und dem Kind um Flüchtlinge handelt, die zur Zeit des Abschlusses des Adoptionsvertrages und der Antragstellung in österreichischen Flüchtlingslagern lebten und nach der freilich nicht völlig klaren Aktenlage als Staatenlose anzusehen wären. Derartige Personen sind, da ein für sie sorgender ausländischer Staat nicht vorhanden ist, während der Zeit ihres inländischen Aufenthaltes wie Inländer zu behandeln, soweit es sich um die Regelung ihrer Familienrechtsverhältnisse handelt. In einem solchen Fall sind daher während der Dauer ihrer Anwesenheit im Inland auch Adoptionsverträge Staatenloser vom österreichischen Gericht zu prüfen (vgl. § 17 der 4. DVzEheG.). Sobald derartige Personen aber in das Ausland übersiedeln, gelten sie als Ausländer und die inländische Gerichtsbarkeit ist dann nicht mehr gegeben (§ 29 zweiter Satz JN).

In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß nach § 257 AußstrG. die Annahme an Kindesstatt auf die Weise zustandekommt, daß zwischen dem Wahlvater und dem Wahlkind oder dessen gesetzlichem Vertreter eine schriftliche oder gerichtliche Übereinkunft geschlossen wird. Der eheliche Vater wird dabei nicht in eigener Person, sondern als gesetzlicher Vertreter seines Kindes tätig. Ein für ihn nach § 276 ABGB. bestellter Abwesenheitskurator kann ihn in dieser Eigenschaft nicht vertreten. Denn ein solcher ist nicht befugt, höchstpersönliche Rechte des Vertretenen geltend zu machen. Er kann für ihn etwa auch eine Ehescheidungsklage nicht einbringen (SZ. XXI/44).

Wenn also für die ehelichen Eltern des zu adoptierenden Kindes gemäß § 276 ABGB. ein Abwesenheitskurator bestellt wurde, war damit für die gesetzliche Vertretung des Minderjährigen bei Abschluß des Adoptionsvertrages nicht vorgekehrt. Der Minderjährige war trotz des Einschreitens des Abwesenheitskurators nicht ordnungsgemäß am Vertrag beteiligt und entbehrte auch im gerichtlichen Verfahren der gesetzlichen Vertretung. Dies hätte in der Form geschehen können, daß für das Kind nach § 176 ABGB. ein Vormund bestellt wurde. Der Hinweis des Wahlvaters, die ehelichen Eltern hätten schon im Pflegevertrag vom 17. Mai 1949 die Zustimmung zur Annahme des Kindes durch Benö F. gegeben, ist nicht stichhaltig. Denn damals handelte es sich noch nicht um die Adoption, sondern nur um die Pflege und Erziehung des Kindes und die Erklärungen zur später geplanten Annahme an Kindesstatt konnten die Eltern schon deshalb nicht binden, weil ausschließlich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Adoptionsvertrages maßgebend sind.

Trotz des Einschreitens eines Abwesenheitskurators blieb der eheliche Vater des Minderjährigen sein maßgebender gesetzlicher Vertreter, der mangels Beiziehung zum Verfahren auch das Recht hatte, den Einwilligungsbeschluß des Erstgerichtes vom 20. Oktober 1951 nachträglich anzufechten.

Wenn es richtig sein sollte, wie die Eltern des Minderjährigen behaupten, daß die Heranziehung eines Kurators überhaupt nichtig war, weil der Wahlvater von der Anwesenheit der Eltern im Flüchtlingslager Asten bei Enns gewußt und die Kuratorbestellung daher erschlichen habe, wäre die Sachlage nicht anders. Denn dann wäre gleichermaßen der eheliche Vater dem Verfahren beizuziehen gewesen und der erstgerichtliche Einwilligungsbeschluß auf nichtiger Grundlage gefaßt worden.

Das Rekursgericht ist mit Recht zur Überzeugung gekommen, daß mangels Beteiligung des ehelichen Vaters oder eines für das Kind nach § 176 ABGB. bestellten Vormundes der Adoptionsvertrag nicht genehmigt werden durfte und der erstgerichtliche Beschluß nichtig ist. Es wird Sache des Erstgerichtes sein, neuerlich zu beschließen und dabei auf die Bestimmung des § 29 zweiter Satz JN. Rücksicht zu nehmen.

Anmerkung

Z27005

Schlagworte

Abwesenheitskurator, Abschluß eines Adoptionsvertrages, Adoption Staatenloser, Adoption Vertragsabschluß, Abwesenheitskurator, Kindesannahme, Abwesenheitskurator, Kindesannahme Staatenlose, Staatenlose, Adoption, Wahlkind, Staatenloses -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00004.54.0113.000

Dokumentnummer

JJT_19540113_OGH0002_0010OB00004_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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