TE OGH 1954/1/19 4Ob226/53

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Veröffentlicht am 19.01.1954
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Norm

ABGB §1154
ABGB §1158
Angestelltengesetz §20
Kollektivvertragsgesetz §2

Kopf

SZ 27/9

Spruch

Nach ordnungsmäßiger Lösung des Dienstverhältnisses kann der Dienstgeber den Dienstnehmer sofort zu anderen Bedingungen einstellen.

Solange der Dienstvertrag dauert, ist der Dienstgeber an die bewilligte Einstufung gebunden, auch wenn der Dienstnehmer später auf einen minderen Dienstplatz verwendet wird.

Entscheidung vom 19. Jänner 1954, 4 Ob 226/53.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Die Klägerin, die schon in der Zeit vom 3. Dezember 1938 bis 31. März 1945 - u. zw. ab 1. Feber 1939 als selbständige Sachbearbeiterin - im Dienste der beklagten Partei stand, trat am 23. Oktober 1946 abermals bei der beklagten Partei als Angestellte ein. Sie wurde zuerst in der Buchhaltung und dann in der Einkaufsabteilung beschäftigt, wo sie vielfach selbständig arbeiten mußte. Mit Schreiben der Beklagten vom 25. Jänner 1949 wurde die Klägerin unter Zugrundelegung des Kollektivvertrages für die Angestellten der Industrie vom 22. Juli 1948 in die Verwendungsgruppe III mit null Dienstjahren (Verwendungsgruppenjahren) eingereiht. Ab Oktober 1950 wurde die Klägerin als Schreibkraft im Materiallager verwendet. In der Folge ist sie als Angestellte zum 31. März 1951 gekundigt und abgefertigt worden, weil auftragsgemäß der Stand der Angestellten bei der Beklagten herabgesetzt werden mußte. Über Intervention des Betriebsrates und insbesondere aus sozialen Gründen (die Klägerin ist Invalide) konnte sie weiter im Betrieb verbleiben, doch wurde sie ab 1. April 1951 als Arbeiterin geführt, obwohl sie weiterhin die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Materiallager verrichtete. Der Klägerin wurde auch zugesagt, daß sie als Arbeiterin in finanzieller Hinsicht keinen Schaden erleiden sollte. In den letzten Monaten ihrer Tätigkeit bei der Beklagten war die Klägerin überwiegend im Betriebsbüro mit Kanzleiarbeiten beschäftigt. Unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist und mit Zustimmung des Invalidenausschusses beim Arbeitsamt für Niederösterreich wurde die Klägerin am 24. Oktober 1952 zum 22. November 1952 gekundigt.

Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Betrag von 17.573.75 S zu. Dieser Betrag ist die Differenz zwischen dem der Klägerin ab 1. Oktober 1950 tatsächlich bezahlten Lohn und den ihr unter Anrechnung von acht Verwendungsgruppenjahren anläßlich ihrer Einstufung in die Verwendungsgruppe III zustehenden Bezügen, wobei das Erstgericht eine Unterbrechung des Dienstverhältnisses durch die vorangegangene Kündigung verneint und auf Grund der Dienstzeit der Klägerin (ab 23. Oktober 1946) eine dem Gesetz entsprechende Kündigung per 31. März 1953 annimmt. In dem Differenzbetrag ist der Märzbezug 1953 und die der Klägerin zustehende Abfertigung noch nicht enthalten, da diese Ansprüche von der Klägerin in diesem Verfahren nicht geltend gemacht wurden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Auf die von der Klägerin tatsächlich ausgeübte Tätigkeit komme es nicht an. Ihre Einstufung in die Verwendungsgruppe III sei für die Beklagte verbindlich. Diese Einstufung und die daraus abzuleitenden Ansprüche der Klägerin seien ein Bestandteil des Arbeitsvertrages. Neben dieser Einstufung in eine bestimmte Verwendungsgruppe des Kollektivvertrages, die zum Vorteil des Dienstnehmers günstiger erfolgen könne, sei aber für die Berechnung der Bezüge auch die Dauer der Beschäftigung von ausschlaggebender Bedeutung. Der Dienstnehmer habe Anspruch darauf, daß er innerhalb der Verwendungsgruppe, in die er eingestuft wird oder einzustufen ist, jene Entlohnung erhält, die seiner Dienstzeit entspricht. Nun sei die Klägerin aber mit 1. Jänner 1949 in die Verwendungsgruppe III mit null Dienstjahren eingestuft worden, was den Bestimmungen des Kollektivvertrages (§ 15) nicht entsprach. Die Klägerin hatte vielmehr, wie das Erstgericht zutreffend festgestellt habe, am 1. Jänner 1950 (dem Zeitpunkt, von dem ab die Lohndifferenz begehrt wird) bereits acht Verwendungsgruppenjahre zurückgelegt. Daraus folge, daß der Klägerin ab 1. Jänner 1950 die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und den ihr nach dem Kollektivvertrag bei richtiger Einstufung zustehenden Bezügen zustehe.

Unbegrundet sei auch die Rechtsrüge, insofern sie die Ansicht des Erstgerichtes bekämpft, daß das Dienstverhältnis der Klägerin durch die zum 31. März 1951 erfolgte Kündigung nicht unterbrochen worden sei. Es sei unbestritten, daß die Klägerin zum 31. März 1951 als Angestellte gekundigt und abgefertigt wurde und daß sie ohne Unterbrechung auch nach dem 31. März 1951 in gleicher Verwendung weiter beschäftigt wurde, wobei sie allerdings nicht mehr als Angestellte, sondern als Arbeiterin geführt und bei der Krankenkasse angemeldet wurde. Die Aneinanderreihung mehrerer Dienstverhältnisse widerspreche dem § 20 AngG., da dadurch dessen unabdingbare Bestimmungen umgangen Würden. Daraus folge, daß durch die Kündigung zum 31. März 1951 keine Unterbrechung eingetreten, die Klägerin weiterhin als Angestellte anzusehen und nach der bisherigen Einstufung zu entlohnen sei. Eine neuerliche und endgültige Kündigung der Klägerin konnte daher am 24. Oktober 1952 nur zum 31. März 1953 erfolgen, sodaß die Klägerin Anspruch auf Bezahlung des Entgeltes bis zu diesem Zeitpunkt habe.

Über Revision der Beklagten wurde das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Es ist davon auszugehen, daß die mit 1. Jänner 1949 erfolgte Einstufung der Klägerin in die Verwendungsgruppe III der ausgeübten Tätigkeit der Klägerin entsprach. Die Klägerin war damals in der Einkaufsabteilung beschäftigt. Wie das Berufungsgericht übereinstimmend mit dem Erstgericht feststellte, hat es die Besonderheit der Tätigkeit des Einkaufsleiters mit sich gebracht, daß er die meiste Zeit unterwegs war, sodaß die Klägerin selbständig arbeiten mußte und in seiner Abwesenheit die Abfertigung der Chauffeure und auch die Warenbestellungen vornehmen mußte.

Ist also auf Grund der Feststellungen der. Untergerichte die Einstufung der Klägerin mit 1. Jänner 1949 in die Verwendungsgruppe III zu Recht erfolgt, weil die Klägerin eine mit den Tätigkeitsmerkmalen der Verwendungsgruppe III des Kollektivvertrages übereinstimmende Tätigkeit ausgeübt hat, dann mußte die Beklagte auch die von der Klägerin im Zeitpunkt der Einstufung bereits zurückgelegten Verwendungsgruppenjahre gemäß § 15 des Kollektivvertrages berücksichtigen und sie dementsprechend entlohnen. Die einmal vorgenommene Einstufung war für die Beklagte verbindlich, auch wenn in der Folge die Klägerin niedriger zu bewertende Dienste geleistet hat; denn die Art der Beschäftigung der Klägerin war Sache der Beklagten. Das gilt aber nur für die Zeit bis zur Lösung des Dienstverhältnisses am 31. März 1951. Mit 1. April 1951 wurde die Klägerin - wie im folgenden noch näher ausgeführt werden wird - neu angestellt und kann von da ab grundsätzlich nur den ihrer nunmehrigen Verwendung entsprechenden kollektivvertraglichen Lohn beanspruchen, soferne sie nicht infolge Zusicherung seitens der Beklagten auf einen höheren Lohn Anspruch hat. Entsprach demnach die Tätigkeit der Klägerin ab 1. April 1951 einer solchen der Verwendungsgruppe III, dann gebührt ihr der Lohn nach dieser Verwendungsgruppe unter Berücksichtigung der Verwendungsgruppenjahre. War das nicht der Fall, dann hat die Klägerin nur Anspruch auf den Kollektivvertragslohn, der ihrer tatsächlichen Verwendung entsprach, es wäre denn, daß der bisher von der Beklagten vor dem 31. März 1951 der Klägerin tatsächlich bezahlte und ihr zugesicherte Lohn höher ist.

Der Ansicht der Untergerichte, daß durch die unmittelbare Anreihung des mit 1. April 1951 neu begrundeten Dienstverhältnisses an das zum 31. März 1951 gelöste Dienstverhältnis unabdingbare Bestimmungen des § 20 AngG. umgangen wurden, kann nicht beigepflichtet werden. Nach § 20 Abs. 1 AngG. kann ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis jederzeit durch Kündigung nach Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 gelöst werden. Diese Bestimmungen sind von der Beklagten eingehalten worden. Die Klägerin erhielt auch die ihr gemäß § 23 AngG. gebührende Abfertigung. Nach ordnungsmäßiger Lösung des auf unbestimmte Zeit eingegangenen Dienstverhältnisses konnte aber die Beklagte die Klägerin sofort wieder zu den gleichen oder zu anderen Bedingungen einstellen. Eine Umgehung der unabdingbaren Vorschriften des § 20 AngG. kann darin nicht erblickt werden. Für die Annahme, daß die Beklagte das Dienstverhältnis zur Auflösung gebracht hat, um die Klägerin in ihren gesetzlichen Abfertigungsansprüchen zu schmälern, hat das Beweisverfahren keinen Anhalt geboten. Daraus folgt, das infolge Lösung des Dienstverhältnisses der Klägerin zum 31. März 1951 eine Beendigung ihres Dienstverhältnisses eingetreten ist. Das am 1. April 1951 neu eingegangene Dienstverhältnis der Klägerin, die zuletzt überwiegend im Betriebsbüro mit Kanzleiarbeiten beschäftigt war, konnte daher gemäß § 20 Abs. 2 AngG. am 24. Oktober 1952 vor dem vollendeten zweiten Dienstjahr unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1952 durch Kündigung gelöst werden. Nur bis dahin gebührt der Klägerin die Kündigungsentschädigung. Ein Anspruch auf Abfertigung steht ihr nach § 23 Abs. 1 AngG. nicht zu.

Da die Vorgerichte, von ihrer Rechtsansicht ausgehend, es unterlassen haben, festzustellen, ob die Klägerin auf Grund ihrer seit 1. April 1951 ausgeübten Tätigkeit nach dem Kollektivvertrag nicht etwa Anspruch auf eine höhere als die ihr von der Beklagten zugesicherte bzw. tatsächlich bezahlte Entlohnung hat, war der Oberste Gerichtshof nicht in der Lage, sogleich in der Sache selbst zu entscheiden.

Anmerkung

Z27009

Schlagworte

Auflösung des Dienstverhältnisses, Neueinstellung nach, Dienstnehmer Wiedereinstellung, Dienstverhältnis Wiedereinstellung, Dienstvertrag, Einstufung, Einstufung des Dientnehmers, Kündigung eines Dienstnehmers, Wiedereinstellung nach -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0040OB00226.53.0119.000

Dokumentnummer

JJT_19540119_OGH0002_0040OB00226_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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