TE OGH 1954/2/24 1Ob84/54

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Veröffentlicht am 24.02.1954
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Norm

EO §258
Handelsgesetzbuch §369
Handelsgesetzbuch §371

Kopf

SZ 27/47

Spruch

Dem die Sache in Händen habenden Retentionsberechtigten steht auf Grund seines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechtes eine Klage analog § 258 EO. zu.

Entscheidung vom 24. Feber 1954, 1 Ob 84/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Gmund; II. Instanz: Kreisgericht Krems a.

d. Donau.

Text

Die Klägerin behauptet, dem Otto und der Hildegard F. gehörige Gegenstände auf Grund von Handelsgeschäfte in Gewahrsame gehabt und an diesen Gegenständen wegen einer Forderung im Betrage von 28.000 S ein Zurückbehaltungsrecht erworben zu haben. Die Gegenstände wurden für eine Forderung der nö. Gebietskrankenkasse gepfändet und verkauft.

Die Krankenkasse stimmte der Ausfolgung des Erlöses an die Klägerin zu.

Bei der Verteilungstagsatzung erhob die beklagte Masseverwalterin des Otto und der Hildegard F. Widerspruch gegen die Zuweisung des Verkaufserlöses an die klagende Partei. Es wurde ihr eine Frist von 30 Tagen zur Klagseinbringung gesetzt.

Das Erstgericht hat den Bestand des Retentionsrechtes festgestellt und den Beklagten verpflichtet, in die Ausfolgung des Erlöses an die Klägerin einzuwilligen.

Das Berufungsgericht hat der Berufung Folge gegeben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse des Beklagten, der die Aufhebung des Aufhebungsbeschlusses mit dem Auftrage an das Berufungsgericht, in der Sache selbst zu entscheiden, anstrebt, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es wird wohl meist nur ein Pfandgläubiger, der die Pfandsache nicht in der Hand hat, in die Lage kommen, sein besseres Pfandrecht oder Befriedigungsrecht geltend machen zu müssen. Doch muß auch dem Pfandgläubiger, der die Sache in der Hand hat und der die Pfändung und den Verkauf der in seiner Hand befindlichen Sache zugelassen hat, die Möglichkeit gegeben sein, im Exekutions- und Verteilungsverfahren seinem besseren Recht zum Durchbruch zu verhelfen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es die Klage nach § 258 EO. ist, die von ihm erhoben wird, oder eine im Gesetze nicht ausdrücklich geregelte, aber der Klage nach § 258 EO. eng verwandte. Keinesfalls kommt die von der Revision herangezogene Klage nach § 37 EO. in Betracht, die die Unzulässigkeit der Exekution, aber nicht ein besseres Befriedigungsrecht zum Gegenstand hat.

Der Revisionswerber bestreitet, daß der Kläger zur Geltendmachung seines Rechtes klagen mußte. Die Notwendigkeit der Klage ergibt sich aber aus § 214 Abs. 2 EO. Nur wenn alle Beteiligten, also auch der Verpflichtete, im gegebenen Fall der für ihn und die Konkursmasse einschreitende Masseverwalter, einverstanden sind, ist das Einverständnis für die Zuteilung maßgebend. Die Zustimmung der Krankenkasse, die nicht etwa eine Befriedigung der eigenen Forderung und Verwendung des zugewiesenen Betrages zur Einlösung der nicht befriedigten Forderung der Klägerin zum Gegenstande hatte, sondern nur das Einverständnis dazu, daß aus dem Erlös die Forderung der Klägerin befriedigt wird, genügte also allein nicht für die Zuweisung. Die Klägerin mußte, um die Zuteilung zu erreichen, den vom Beklagten bestrittenen Rechtsbegründungsakt (§ 216 Abs. 1 Z. 4 EO.) durch Urteil gegen den Beklagten nachweisen. Die Erklärung der Gebietskrankenkasse hat sie lediglich der Notwendigkeit enthoben, die Klage auch gegen die Kasse als betreibende Gläubigerin zu richten.

Mit Recht schließt das Berufungsgericht aus § 371 Abs. 1 HGB. in der in Österreich geltenden Fassung, daß das Zurückbehaltungsrecht nicht dadurch erlischt, daß der Zurückbehaltungsberechtigte die Pfändung und den Verkauf durch andere Gläubiger zuläßt.

Auch das Bestandgeberpfandrecht, das ähnlich wie das Zurückbehaltungsrecht daran gebunden ist, daß die Sache in der mittelbaren Gewahrsame des Bestandgebers verbleibt, erlischt nicht dadurch, daß die Gegenstände in Exekution gezogen werden. Mit der gerichtlichen Veräußerung erlöschen allerdings Pfand- und Befriedigungsrechte nach § 269 EO. und § 367 ABGB. Es verbleibt aber das Befriedigungsrecht aus dem Erlös der verkauften Gegenstände, das hier allein geltend gemacht wird.

Die Erwägungen in der Revision, daß ein Zurückbehaltungsberechtigter Gegenstände jahrelang zurückbehalten kann, ohne gezwungen zu sein, seine Befriedigung aus ihnen zu suchen, spricht nicht gegen das obige Ergebnis. Der dritte Gläubiger, der die Möglichkeit ausnützen will, auf eine etwa bestehende Hyperocha zu greifen, wäre gezwungen, den Herausgabeanspruch des Verpflichteten zu pfänden, der jedoch nur Zug um Zug gegen Bezahlung der Forderung zu erfüllen ist, für die das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird. Der Gläubiger müßte also jedenfalls die volle Forderung des Zurückbehaltungsberechtigten begleichen, auf die Gefahr hin, beim Verkauf der zurückbehaltenen und dann ausgefolgten Gegenstände nicht einmal den von ihm bezahlten Betrag zu erlösen.

Der Zurückbehaltungsberechtigte, der es anderen Gläubigern überläßt, den Verkauf der zurückbehaltenen Sachen zu betreiben, um auf einen die Forderung des Zurückbehaltungsberechtigten übersteigenden Erlös greifen zu können, erleichtert es also den anderen Gläubigern, Befriedigung aus einer Hyperocha zu finden. Er kann nicht schlechter gestellt sein, als derjenige, der die Pfändung und den Verkauf nicht zuläßt.

Der Rekurs erweist sich also als unbegrundet.

Anmerkung

Z27047

Schlagworte

Kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht, Pfandvorrechtsklage, Pfandvorrechtsklage Kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht, Retentionsrecht, Pfandvorrechtsklage, Zurückbehaltungsrecht, kaufmännisches -, Pfandvorrechtsklage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00084.54.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19540224_OGH0002_0010OB00084_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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