TE OGH 1954/3/24 2Ob887/53

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Veröffentlicht am 24.03.1954
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Norm

ZPO §1
ZPO §6

Kopf

SZ 27/75

Spruch

Parteifähigkeit des "Markthelferdienstes" auf dem Viehmarkt Wien-St. Marx.

Entscheidung vom 24. März 1954, 2 Ob 887/53.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger behauptet, vom Jahre 1918 bis zum Oktober 1940 am Zentralviehmarkt St. Marx als Markthelfer beschäftigt gewesen zu sein. Im Oktober 1940 sei er als Markthelfer ausgeschlossen, ihm die Lizenz abgenommen und seine Anhaltung in einem Lager für politisch Unzuverlässige verfügt worden. Seit April 1945 habe er die Wiederaufnahme in den Markthelferdienst St. Marx einreichen wollen, doch sei er mit seinem Ansuchen unter Hinweis auf den mangelnden Bedarf an Markthelfern abgewiesen worden, welche Begründung in Widerspruch zu den Tatsachen stand. Seine Abweisung sei insbesondere darauf zurückzuführen, daß der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte, eine Zweckgemeinschaft sämtlicher Markthelfer, sich unbegrundet gegen ihn ausgesprochen und wahrheitswidrig den Bedarf negiert haben. Die ihm durch Verhinderung der Ausübung der Beschäftigung als Markthelfer entgangenen Beträge ergäben eine Summe von 160.000 S, für die er u. a. die erst- und zweitbeklagte Partei aus dem Rechtsgrund des Schadensersatzes in Anspruch nehme. Die unter dem Namen "Markthelferdienst" belangte Zweitbeklagte bestehe schon seit Jahren und sei eine Gemeinschaft, die über eine Stampiglie verfüge, neben deren Aufdruck die Unterschrift des geschäftsführenden Partieführers auf Verpflichtungserklärungen gesetzt werde. Die Zweitbeklagte verfüge über ca. 400 Mitglieder, die nicht alle einzeln geklagt werden könnten. Die Zweitbeklagte bestritt durch den Erstbeklagten ihre Partei- und Prozeßfähigkeit.

Das Erstgericht erklärte das Verfahren bezüglich der Zweitbeklagten für nichtig und wies die Klage gegen sie zurück. Außerdem erklärte es auch das der klagenden Partei mit Beschluß vom 2. Oktober 1952 erteilte Armenrecht für erloschen. Es begrundete die Klagszurückweisung damit, daß auf Grund des Urteils des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1952, V 7/52, der Auskunft der Polizeidirektion Wien vom 10. März 1953, der Mitteilung des Handelsgerichtes Wien vom 5. März 1953 die Tatsache der mangelnden Parteifähigkeit der Zweitbeklagten feststehe; denn sie sei weder ein Verein nach dem Vereinsgesetz noch im Handelsregister eingetragen. Aus der Kundmachung der Magistratsabteilung 42 der Bundeshauptstadt Wien vom 25. Jänner 1936, Zl. 1600/I/34, gehe hervor, daß auf dem Wiener Zentralviehmarkt St. Marx die zur Abwicklung des Marktverkehrs erforderlichen Dienstleistungen nur von physischen Personen männlichen Geschlechts besorgt werden dürfen, zur Ausübung der Markthelfertätigkeit eine Bewilligung des Magistrates der Stadt Wien notwendig ist und diese nur nach Maßgabe des Bedarfes und nur gegen Widerruf erteilt wird. In der Kundmachung werden ferner die Organisation, die Tätigkeit, die Rechte und Pflichten der Markthelfer sowie ihre Vergütung geregelt. Daraus ergebe sich nach Meinung des Erstgerichtes der rechtliche Schluß, daß es sich beim Markthelferdienst um eine zwar organisierte Personenmehrheit handle, die jedoch kein eigenes Vermögen habe. Jedes einzelne Mitglied müsse die Bewilligung zur Ausübung der Markthelfertätigkeit erwirken und könne erst dann seine Tätigkeit als selbständiger Unternehmer ausüben. Wenngleich auch für die Tätigkeit vom Magistrat der Gemeinde Wien eine Taxe vorgeschrieben ist, die der einzelne Markthelfer selbst nicht einheben kann, so handle es sich hier um eine Regelung, die der Gemeinde Wien die Überwachung des Marktverkehrs gewährleisten soll. Die Arbeit der Markthelfer unter einem Partieführer und die Bestellung eines geschäftsführenden Partieführers habe ihren Grund in der Organisation. Es könne daher nur jedes einzelne Mitglied verpflichtet werden, nicht auch die Gesamtheit der Markthelfer, woran auch der Umstand nichts ändere, daß diese Personenmehrheit sich als "Markthelferdienst" bezeichne, eine Stampiglie mit diesem Namen führe und der geschäftsführende Partieführer unterzeichne. Der Hinweis der klagenden Partei auf Ausführungen eines Autors zu § 1175 ABGB. gehe fehl, weil es sich nicht um einen Zweckverband, sondern um eine Personenmehrheit handle, die weder Rechtspersönlichkeit noch Prozeßfähigkeit erlangen könne. Das Armenrecht sei gemäß § 68/1 ZPO. für erloschen zu erklären gewesen, weil die weitere Rechtsverfolgung offenbar aussichtslos sei.

Infolge Rekurses der klagenden Partei hat das Rekursgericht u. a. den Ausspruch des Erlöschens des Armenrechtes für die Rechtsverfolgung gegen die zweitbeklagte Partei aufgehoben, ebenso die Zurückweisung der Klage gegen sie, und dem Erstgerichte aufgetragen, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden, jedoch das Verfahren erst nach Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen. In der Begründung hiezu führt das Rekursgericht aus:

Hinsichtlich der zweitbeklagten Partei sei davon auszugehen, daß die Markthelfer ihren Erwerb durch im wesentlichen selbständige Tätigkeit finden, der auch gewisse Elemente einer unselbständigen Beschäftigung anhaften, was seinen Ausdruck in der Sozialversicherungspflicht der Markthelfer nach § 52 b Sozialversicherungsüberleitungsgesetz bzw. Artikel I/1 der 7. Novelle finde. Die Markthelfer gliederten sich in eine Mehrzahl von Untergruppen, in denen die darin zusammengefaßten Markthelfer zusammenarbeiten und an deren Spitze ein Partieführer stehe. Über ihnen stehe der betriebsführende Partieführer und schließlich über diesen der geschäftsführende Partieführer. Die Möglichkeit, daß der "Markthelferdienst" als solcher eine Organisation einer größeren und wechselnden Zahl von Personen darstelle und als partei- sowie prozeßfähig anzusehen sei, wenn er im eigenen Namen als Träger von Rechten und Pflichten auftrete, sei nicht von vornherein zu verwerfen. Wenn das Erstgericht den Markthelferdienst als eine Personenvereinigung ohne Vermögen hinstelle, so fehlten hiefür entsprechende Grundlagen; denn der Kläger habe ausdrücklich behauptet, daß der Markthelferdienst auch Verpflichtungserklärungen unter seinem Namen eingehe, die vom geschäftsführenden Partieführer unterfertigt würden. In dem beim Arbeitsgerichte Wien anhängigen Rechtsstreit 5 Cr 251/52 sei auch davon die Rede, daß der Markthelferdienst ein Ansuchen des Klägers auf Auszahlung einer Altersrente aus den früher auf freiwilliger Grundlage eingezahlten Beiträgen abgelehnt habe. Wenn auch die im Rekurs enthaltenen Behauptungen, daß der Markthelferdienst auch sonstiges Vermögen habe, als Neuerungen unbeachtlich seien, so hätte das Erstgericht vor der Entscheidung über die Frage der Parteifähigkeit des Markthelferdienstes erörtern und prüfen müssen, um was für Verpflichtungserklärungen es sich handle, ob der Markthelferdienst unter seinem Namen derartige Verpflichtungen auch erfülle, aus welchen Mitteln dies bejahendenfalls geschehe, wie und unter welchem Namen diese Mittel angelegt seien und welche Bewandtnis es mit dem Fonds habe, aus dem Altersrenten bewilligt werden konnten oder können. Das Erstgericht werde in dieser Richtung das Verfahren zu ergänzen und neuerlich zu entscheiden haben. Demgemäß müsse auch die Frage des Erlöschens des Armenrechtes bezüglich der Rechtsverfolgung gegen die Zweitbeklagte vorläufig offen bleiben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Soweit die Ausführungen des Revisionsrekurses an Hand der Kundmachung des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom 25. Jänner 1936, MA. 42-1600/I/34, darzutun versuchen, daß die Markthelfer selbständige Unternehmer sind und die Kundmachung mit ihrer Regelung der Markthelfertätigkeit den Zweck hat, Plan und Organisation in diese Tätigkeit zu bringen, ist ihr gewiß zuzustimmen. Allein damit ist Endgültiges gegen die Parteifähigkeit der Zweitbeklagten noch nicht ausgesagt. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes kann auch stillschweigend begrundet werden. Die Gesellschaft des heutigen Rechtes ist nicht etwa bloß ein vertragsmäßiges Verhältnis zwischen einzelnen Personen, auch sie schafft, wenn man von ihren einfachsten Formen absieht, einen Verband. Auch die Gesellschaft dauert bei Wechsel ihrer Mitglieder fort, auch sie kann ihren Zwecken ein vom sonstigen Vermögen der Mitglieder unterschiedliches Sondervermögen widmen (§ 1182 ABGB.), auch bei ihr hat der Mehrheitswille Bedeutung (§ 1188 ABGB.), auch sie kann einen Vorstand besitzen (§ 1190 ABGB.), kurz sie kann nach Art der Körperschaft organisiert sein und darum ist es sehr wohl möglich, sie wenigstens in bestimmten Beziehungen (Grundbuch-, Prozeß- und Gebührenrecht u. a. f.) als juristische Person zu behandeln (Ehrenzweig, System, Allgemeiner Teil, 1951, S. 194). Nicht mit Unrecht bemerkt dieser Schriftsteller, daß der Praktiker in zweifelhaften Fällen gut tun werde, die Frage der juristischen Persönlichkeit zunächst auf sich beruhen zu lassen, um sich den Weg zur sachgemäßen Lösung der einzelnen praktischen Fragen nicht durch willkürliche Konstruktionen zu verlegen. Auch Swoboda in seiner systematischen Darstellung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1. Teil, S. 53, läßt gelten, daß eine scharfe Abgrenzung der Körperschaften von den Gesellschaften sich nicht durchführen lasse, weil es eben Gesellschaften gibt, bei denen das Gesellschaftsvermögen eine gewisse Selbständigkeit aufweise und denen von der Zivilprozeßordnung die Parteifähigkeit zuerkannt wird, die aber gleichwohl nicht als juristische Personen gelten. Schließlich mag auf die Ausführungen Wahles in Klang[2] zu § 1175 ABGB., S. 533 ff., verwiesen werden, denenzufolge die Parteifähigkeit der Personengesellschaften bürgerlichen Rechtes entgegen der bisher herrschenden Ansicht, die zu unmöglichen Folgerungen und unbrauchbaren Ergebnissen führt, anzuerkennen, wie ihnen auch die Möglichkeit der Führung eines Gesamtnamens zuzugestehen ist. Darauf, ob der Sammelbegriff "Markthelferdienst" in der schon mehrerwähnten Kundmachung geprägt ist oder nicht, kommt es nicht an, entscheidend ist vielmehr, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, daß unter "Markthelferdienst" die Zusammenfassung aller Markthelfer in einer Zweckgemeinschaft mit eigenem Vermögen zu verstehen ist und der Erstbeklagte hiebei als Geschäftsführer fungiert. Wenn der angefochtene Beschluß beanstandet, daß das Erstgericht in dieser Hinsicht nicht alles geklärt und erörtert, vor allem nicht alle Beweise ausgeschöpft hat, so ist daran nichts auszusetzen. Die Möglichkeit besteht natürlich, daß der Erstbeklagte mit dem Begriff "Markthelferdienst" und der hierauf lautenden Stampiglie Mißbrauch getrieben hat, es erscheint jedoch müßig, auf die bezüglichen Ausführungen des Revisionsrekurses einzugehen, weil diesbezüglich weder vom Erst-, noch vom Zweitgericht irgendwelche Feststellungen getroffen wurden und dem Ergebnis des weiteren Verfahrens nicht vorgegriffen werden soll.

Ist aber das bisherige Verfahren mangelhaft geblieben und der Zweitbeklagten verfrüht die Parteifähigkeit aberkannt worden, so ist auch der Ausspruch über das Erlöschen des Armenrechtes in bezug auf das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Begehren zu Unrecht erfolgt.

Anmerkung

Z27075

Schlagworte

Geschäftsführer des Markthelferdienstes, Stellungnahme zur, Lizenzerteilung, Gesellschaft Markthelferdienst St. Marx, Lizenz als Markthelfer, Markthelferdienst St. Marx, Parteifähigkeit, Parteifähigkeit, Markthelferdienst St. Marx, Rechtspersönlichkeit Markthelferdienst St. Marx

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00887.53.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19540324_OGH0002_0020OB00887_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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