TE OGH 1954/4/7 1Ob75/54

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Veröffentlicht am 07.04.1954
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Norm

ABGB §1295
ABGB §1300

Kopf

SZ 27/89

Spruch

Die wissentlich unrichtige Auskunft, die angebotene Ware sei bereits im Inland eingelangt, verpflichtet zum Ersatz des aus der Vorauszahlung des Kaufpreises entstandenen Schadens.

Entscheidung vom 7. April 1954, 1 Ob 75/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten als einzigem Geschäftsführer der M., den Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, daß sie der Beklagte durch die absichtlich irreführende Mitteilung am 26. August 1949, eine von ihr bestellte Post Zucker sei vom Schweizer Lieferanten, der I. Ges. m. b. H., bereits an die M. abgegangen, zur Vorauszahlung des Kaufpreises veranlaßt habe.

Das Berufungsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte war im August 1949 Geschäftsführer der M. und war dort auch wirtschaftlich die maßgebende Persönlichkeit. Er hatte eine Einlage von 31.500 S geleistet; die Einlage des zweiten Gesellschafters Dr. Richard H. betrug demgegenüber nur 3500 S. Die klagende Partei kaufte am 26. August 1949 von der M. Zucker. Der bei der M. als Volontär beschäftigte Hans W. hat dem Bevollmächtigten der klagenden Partei Richard K. erklärt, der Zucker sei schon an die M. abgesandt worden. Zu dieser Erklärung des W. hat der Beklagte mindestens geschwiegen. Der Beklagte hat als sichtlich intelligenter Kaufmann den Inhalt der Äußerung W.s auch verstanden. Der Zucker war im Zeitpunkt der Äußerung des W. von dem Lieferanten noch nicht abgesandt worden. Der Beklagte wußte dies. Nur durch die Äußerung des W., der Zucker sei schon unterwegs, und dadurch, daß der Beklagte hiezu mindestens schwieg, wurde K. als Bevollmächtigter der klagenden Partei veranlaßt, den Kaufpreis für den Zucker ohne weitere Sicherung im vorhinein flüssig zu machen. Die Vorauszahlung des Kaufpreises ohne entsprechende Sicherheit war die Ursache dafür, daß die klagende Partei einen Schaden in der Höhe des eingeklagten Betrages erlitt. Der Zucker kam nämlich der klagenden Partei nur zum Teil zu und auch der restliche vorausbezahlte Kaufpreis wurde nur zum Teil zurückbezahlt. Weitere Beträge sind bei der M. nicht einbringlich.

Auf Grund dieses Sachverhaltes erachtete das Berufungsgericht die Schadenersatzforderung der klagenden Partei gegen den Beklagten gemäß § 1295 ABGB. für berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nur hinsichtlich eines Teiles des Zinsenbegehrens Folge, bestätigte aber im übrigen das Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenn der Beklagte in der Revision rügt, daß das Berufungsurteil nicht erkennen lasse, ob seine Schadenersatzpflicht gemäß § 1295 Abs. 1 oder 2 ABGB. angenommen werde, so ist darauf zu verweisen, daß sich diese Pflicht nach beiden Gesetzesstellen ergibt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Beklagte zu der ihm bekannterweise unrichtigen Mitteilung des W. an K., der Zucker sei schon unterwegs, geschwiegen hat. Eine Pflicht, zu reden, bestand, weil das Schweigen des Beklagten als Geschäftsführer zur Mitteilung des Volontärs W. nach den Regeln des redlichen Verkehrs von dem Verhandlungspartner K. nur dahin verstanden werden konnte, daß der Beklagte die Mitteilung des W. als richtig billige. Der Beklagte hat daher durch sein Schweigen an der Irreführung des K. mitgewirkt. Wenn nun auch das Berufungsgericht meint, daß eine Schädigungsabsicht dem Beklagten nicht nachgewiesen werden müsse, ergeben doch gerade seine eigenen Feststellungen ohne weiteres die Schädigungsabsicht. Durch die irreführende Mitteilung, der Zucker sei bereits unterwegs, ist nämlich festgestelltermaßen K. zur Vorauszahlung veranlaßt worden. Daß dieser Zusammenhang W. und auch dem Beklagten bekannt war, ist nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht zu bezweifeln, weil sonst jede sinnvolle Begründung für die irreführende Mitteilung fehlen würde, die unmittelbar der Vorauszahlung voranging. Darin, daß die Irreführung die Vorauszahlung veranlaßte, liegt aber bereits die Schädigung der klagenden Partei, weil eben K. durch das Verhalten des W. und des Beklagten dazu gebracht wurde, ohne die für ihn als ausreichend erachtete Sicherung der bereits erfolgten Absendung des Zuckers vorauszuzahlen, was letzten Endes auch zur Uneinbringlichkeit des vorausbezahlten Betrages bei der M. führte. K. hat sich eben auf ein risikoreicheres Geschäft eingelassen; er wurde veranlaßt, ein größeres als das beabsichtigte Risiko auf sich zu nehmen. Auf die Herbeiführung dieses Erfolges, nämlich die Leistung der Vorauszahlung ohne die von der klagenden Partei angenommene Sicherung, daß die Ware bereits unterwegs sei, war aber nach den oben angestellten Erwägungen die Absicht des Beklagten gerichtet. Schädigungsabsicht liegt daher vor. Daraus folgt, daß der Beklagte dazu mitgewirkt hat, durch listige Vorstellungen den Vertreter der klagenden Partei K. in Irrtum zu führen, wodurch die klagende Partei schaden leiden sollte, so daß die Schadenersatzpflicht des Beklagten gemäß § 1295 Abs. 1 ABGB. begrundet ist. Das Stillschweigen des Beklagten zu der irreführenden Mitteilung des W. an K. hat überdies auch gegen die guten Sitten verstoßen, weil im reellen Geschäftsverkehr ein Geschäftsführer, der bei einer unrichtigen Mitteilung eines Angestellten an einen Kunden bei Vertragsverhandlungen anwesend ist, diese richtigzustellen hat. Da sich auch die Schädigungsabsicht aus den Feststellungen des Berufungsgerichtes - wie dargelegt - ergibt, liegt der Haftungsgrund des § 1295 Abs. 2 ABGB. ebenfalls vor.

Bei der Begründung ihrer Ausführung, das Berufungsgericht hätte erkennen müssen, daß zwischen dem Schweigen der beklagten Partei zur Äußerung des W. an K. und der von K. geleisteten Vorauszahlung gar kein ursächlicher Zusammenhang bestanden habe, entfernt sich die Revision von den berufungsgerichtlichen Feststellungen. Daß W. den K. zur Vorauszahlung auch durch andere Mitteilungen wie z. B., der Zucker sei abrufbereit oder er werde in zirka zehn Tagen eintreffen, veranlaßt hat, ist nicht festgestellt. Darauf, daß auch dann, wenn die Ware tatsächlich unterwegs gewesen wäre, ihr Eintreffen unbestimmt gewesen wäre, kann sich der Beklagte - abgesehen davon, daß darin eine willkürliche Annahme liegt -, schon deshalb nicht berufen, weil es nicht seine, sondern Sache der klagenden Partei gewesen ist, zu entscheiden, mit welcher Sicherung sie sich zufrieden geben wollte und weil er sogar die nach seiner Auffassung unzureichende Sicherung dem Vertreter der klagenden Partei vorgetäuscht hat.

Soweit der Zuspruch von Zinseszinsen bekämpft wird, ist die Revision zu einem geringen Teil begrundet. Gemäß § 3 lit. b des Gesetzes RGBl. Nr. 62/1868, können Zinsen von Zinsen vom Tage der Klagebehändigung an gefordert werden. Die Klage ist nun am 18. Dezember 1951 an die beklagte Partei abgefertigt worden, so daß die Zustellung spätestens am 21. Dezember 1951 erfolgt sein muß. Ab diesem Tag - nicht aber bereits für die Zeit vom 1. bis 20. Dezember 1951 - gebühren daher der klagenden Partei die beanspruchten Zinseszinsen.

Es war daher, wie im Spruch geschehen, zu entscheiden.

Anmerkung

Z27089

Schlagworte

Auskunft, wissentlich falsche -, Handelsverkehr, falsche Auskunft im -, Schadenersatz wissentlich unrichtige Auskunft, Vorauszahlung infolge unrichtiger Auskunft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00075.54.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19540407_OGH0002_0010OB00075_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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