TE OGH 1954/5/8 2Ob297/54

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Veröffentlicht am 08.05.1954
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Norm

ABGB §471
ABGB §1400

Kopf

SZ 27/127

Spruch

Das Schreiben einer Bank, in welchem sie dem Kläger gegenüber auf Grund des ihm eingeräumten Haftungskredites unwiderruflich erklärt, sie werde bis zum Höchstbetrag des Kredites Zahlung für Aufwendungen an die beklagte Partei leisten, die diese auf den Streitgegenstand gemacht hat und bezüglich deren sich die Ersatzpflicht auf Grund eines gerichtlichen Urteiles oder eines abgeschlossenen Vertrages ergibt, ist nicht geeignet, als Sicherstellung im Sinne des § 471 ABGB. zu dienen. Sie ist weder als Anweisung noch als Schuldübernahme oder Bürgschaft anzusehen.

Entscheidung vom 8. Mai 1954, 2 Ob 297/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Ausfolgung des im Urteilsspruch der ersten Instanz näher bezeichneten Traktors an den Kläger; es vertrat die Ansicht, daß das von der beklagten Partei geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht (§ 471 ABGB.) durch die in der Erklärung der M. Bank Reg. Gen. m. b. H. vom 15. Oktober 1953 (Beilage D) gelegene Sicherstellung erloschen sei.

Den von der beklagten Partei und von der nur im Berufungsverfahren eingetretenen Nebenintervenientin Republik Österreich erhobenen Berufungen gab das Berufungsgericht nicht Folge; auch das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß das Zurückbehaltungsrecht der beklagten Partei unwirksam geworden sei, vornehmlich aus dem Gründe, weil die M. Bank Reg. Gen. m. b. H. die vom Kläger übermittelte Zahlungsanweisung im Sinne des § 1400 ABGB. akzeptiert habe und der beklagten Partei spätestens in der mündlichen Streitverhandlung am 19. November 1953 diese Anweisung auch zur Kenntnis gekommen sei; der ihr aus dem erwähnten Schreiben erwachsene unmittelbare Anspruch gegen die Bank sei einem Akkreditiv sehr ähnlich und stelle als solche eine genügende Sicherheitsleistung im Sinne des § 471 ABGB. dar; aber selbst in dem Falle als man in dem Schreiben nichts anderes als eine Bürgschaft sehen wollte, wäre damit für die Berufung nichts gewonnen: wohl schließe die Bestimmung des § 471 ABGB. eine Sicherheitsleistung durch Bürgen aus, doch sei diese Bestimmung dispositiver Natur, zumal auf die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes überhaupt verzichtet werden könnte; da die beklagte Partei nach Vorlage des Schreibens in der erwähnten mündlichen Streitverhandlung keine Erklärung abgegeben habe, könne ihr Schweigen nur als Zustimmung zu der beigebrachten Sicherstellung angesehen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und verwies die Rechtssache unter Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Revisionsgericht kann der rechtlichen Beurteilung der beiden Unterinstanzen nicht darin beitreten, daß durch das als Haftbrief bezeichnete Schreiben der M. Bank vom 13. Oktober 1953 das Zurückbehaltungsrecht der beklagten Partei an dem gegenständlichen Traktor abgewendet worden ist. In diesem Schreiben erklärt die Bank dem Kläger gegenüber auf Grund des ihm eingeräumten Haftungskredites unwiderruflich, daß sie bis zum Höchstbetrag von 21.600 S Zahlung an die beklagte Partei leisten werde für Aufwendungen, die diese oder ihre Besitzvorgänger auf den Traktor gemacht haben und bezüglich deren sich die Ersatzpflicht auf Grund eines gerichtlichen Urteils oder eines abgeschlossenen Vergleiches ergebe. Die Untergerichte waren berechtigt und verpflichtet zu prüfen, ob diese Erklärung geeignet sei, als Sicherstellung im Sinne des § 471 ABGB. zu dienen. Eine Anweisung im Sinne der §§ 1400 ff. ABGB., wie sie das Berufungsgericht offenbar in erster Linie im Auge hat, ist die Erklärung der Bank zweifellos nicht und zwar schon deshalb, weil sie nicht in der Form durchgeführt wurde, wie sie das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die Anweisung vorschreibt. Im Sinne dieser Bestimmungen läge eine Anweisung vor, wenn der Anweisende den Angewiesenen ermächtigt, etwas auf seine Rechnung zu leisten und zugleich den Empfänger ermächtigt, die Leistung für seine Rechnung einzuheben. Dies ist nicht geschehen, weil eine Ermächtigung des Empfängers im gegenwärtigen Fall mangelt; dadurch allein, daß die Erklärung in der mündlichen Streitverhandlung vorgelegt wurde, ist eine solche Ermächtigung nicht erteilt worden. Die Erklärung der Bank ist lediglich dem Kläger gegenüber abgegeben und dem Gericht vorgelegt worden. Darin, daß sich die beklagte Partei zu der Vorlage nicht geäußert hat, kann ein stillschweigendes Einverständnis mit dieser Art der Sicherstellung nicht erblickt werden. Sie kann auch nicht als Schuldübernahme angesehen werden, weil diese einen Vertrag zwischen dem Übernehmer und dem Gläubiger oder einen Vertrag zwischen dem Urschuldner und dem Übernehmer in Verbindung mit der Einwilligung des Gläubigers voraussetzt. Die Bürgschaft wird durch ein zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen getroffenes Übereinkommen begrundet. In einer Vereinbarung gleichen Inhaltes zwischen dem Hauptschuldner und demjenigen, der als Bürge eintreten will, kann eine Erfüllungsübernahme gelegen sein. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2. März 1926, SZ. VIII/24, soll allerdings die Verpflichtungserklärung des Bürgen gegenüber dem Hauptschuldner mit der Bestimmung der Weitergabe an den Gläubiger genügen. Das Revisionsgericht ist jedoch der Auffassung, daß die vorgelegte Erklärung der Bank, wie immer sie auch rechtlich beurteilt wird, nicht hinreicht, um das Zurückbehaltungsrecht der beklagten Partei an dem Traktor abzuwenden.

Durch § 52 der dritten Teilnovelle zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch wurde der Wortlaut des § 471 ABGB. geändert. Nach dem Bericht der Kommission für Justizgegenstände über die Vorlage betreffend die Änderung von der Regelung einiger Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (78 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses 21. Session 1912) hatte das Subkomitee der Kommission das Zurückbehaltungsrecht in die dritte Teilnovelle einbezogen, um eine Erweiterung des Zurückbehaltungsrechtes in der Richtung zu schaffen, in der sich die modernen Gesetzgebungen bewegten, so das Deutsche bürgerliche Gesetzbuch §§ 273, 274, 320, 322, das Schweizerische Zivilgesetzbuch §§ 895 bis 898, der ungarische Entwurf §§ 1158 bis 1161. § 471 Abs. 2 ABGB. in der Fassung der dritten Teilnovelle entspricht fast wörtlich dem § 273 letzter Absatz des Deutschen bürgerlichen Gesetzbuches. Diese Gesetzesstelle schließt eine Sicherheitsleistung durch Bürgen des halb aus, weil die Stellung eines Bürgen, die an sich nach § 232 Abs. 2 des DBGB. eine zulässige Art der Sicherstellung bilden würde, in der Regel eine schwächere Wirkung äußert als die Realsicherheit, die in der zurückbehaltenen Leistung liegt (Staudinger, 9. Aufl. § 273 S. 245). Durch die Herausgabe der Sache soll die Lage des Gläubigers nicht verschlechtert werden (Palandt, 12. Aufl. S. 263). Die Sicherheitsleistung ist nach dem Rechte des Deutschen bürgerlichen Gesetzbuches nach § 232 zu leisten, jedoch mit der Ausnahme, daß die nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Stellung von tauglichen Bürgen ausgeschlossen ist. Die in § 232 Abs. 1 angeführten Arten der Sicherung (Hinterlegung von Geld, Verpfändung beweglicher oder unbeweglicher Sache usw.) zeigen, daß der zur Herausgabe der Sache Verpflichtete sich nicht mit Sicherheiten zu begnügen braucht, die lediglich eine Erweiterung der persönlichen Haftung bewirken. Durch die Haftungserklärung wird dem Beklagten, selbst wenn er aus ihr gegenüber der Bank Rechte ableiten könnte, eine Realsicherheit nicht geboten. Die Haftungserklärung bedeutet lediglich, daß neben die persönliche Haftung des Klägers noch die Haftung der Bank tritt, sie ist aber als keine solche Sicherheit anzusehen, wie sie der Kläger bereits durch die in seiner Innehabung befindliche Sache hat. Da der Kläger lediglich auf diese Haftungserklärung und nicht auf die Hinterlegung von Geld oder eine andere reale Sicherheit verweisen kann, bleibt das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten in Kraft. Von den Untergerichten wäre daher zu erörtern gewesen, ob dem Beklagten fällige Forderungen wegen des für die Sache gemachten Aufwandes zustehen, zu deren Sicherung er die Sache mit der Wirkung zurückbehalten kann, daß er zur Herausgabe nur gegen die Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann. Da es an Feststellungen in diesem Punkte mangelt, mußten die Urteile der Untergerichte zur Ergänzung des Verfahrens aufgehoben werden.

Anmerkung

Z27127

Schlagworte

Bank, Sicherstellung, Haftungskredit, Sicherstellung, Retentionsrecht Sicherstellung, Rückbehaltungsrecht, Sicherstellung, Sicherstellung, Bankhaftung, Zurückbehaltungsrecht Sicherstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00297.54.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19540508_OGH0002_0020OB00297_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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