TE OGH 1954/7/13 4Ob111/54

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Veröffentlicht am 13.07.1954
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Norm

ABGB §6
ABGB §8
Dienstordnung für die Beamten der Bundeshauptstadt Wien §§38 ff

Kopf

SZ 27/198

Spruch

Die Neufassung eines Gesetzes muß noch nicht dessen authentische Interpretation bedeuten.

Berechnung des Ruhegenusses nach den §§ 38 ff. der Dienstordnung für die Beamten der Bundeshauptstadt Wien.

Entscheidung vom 13. Juli 1954, 4 Ob 111/54.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger macht geltend, daß ihm vom 1. Jänner 1950 bis 31. Oktober 1952 zu Unrecht auf seine Pension eine Unfallrente im Betrage von monatlich 457.90 S angerechnet wurde. Er erhebt Anspruch auf Bezahlung des Betrages von 10.073.80 S. Die Untergerichte haben ausgesprochen, daß der Anspruch des Klägers dem Gründe nach zu Recht bestehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die durch Landesgesetz vom 22. September 1951, LGBl. für Wien Nr. 34/1951, für rechtsgültig erklärte Dienstordnung für die Beamten der Bundeshauptstadt Wien regelt in den §§ 38 ff. die Ruhegenüsse. Unter der Aufschrift: "Ansprüche bei Auflösung des Dienstverhältnisses in besonderen Fällen", ordnet § 44 in den Abs. 1 und 2 Begünstigungen für Beamte an, die infolge Krankheit oder eines Unfalles in den zeitlichen oder dauernden Ruhestand versetzt werden. An diese Bestimmungen anschließend bestimmt Abs. 3: "Erhält ein Beamter infolge eines in Ausübung des Dienstes erlittenen Unfalls eine Unfallsrente, so wird diese auf den nach den vorstehenden Bestimmungen zu ermittelnden Betrag ergänzt." Die Untergerichte haben in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, 4 Ob 63/53 (Soz. I D, S. 44), die Meinung vertreten, daß dieser Absatz auf den Ruhegenuß des Klägers nicht anwendbar sei, weil dieser Ruhegenuß durch die Abs. 1 und 2 nicht berührt wird. Die Beklagte vertritt dagegen den Standpunkt, daß Unfallsrenten dieser Art auf jeden Ruhegenuß voll anzurechnen sind.

Von einer authentischen Interpretation der strittigen Bestimmungen durch ihre Neufassung im Landesgesetzblatt Wien Nr. 6/1953 kann nicht die Rede sein. Eine authentische Interpretation kommt durch eine Erklärung in einem kundgemachten Gesetz zustande. Von ihr kann nicht schon dann die Rede sein, wenn aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht, daß der Gesetzgeber eine Bestimmung neu gefaßt hat in der Meinung, daß die bisherige Bestimmung in einem gewissen anderen Sinne auszulegen sei. Eine echte authentische Interpretation kann z. B. in den Bestimmungen des § 20a Abs. 1 und 2 WAG. in der Fassung nach Art. I Z. 4 BGBl. Nr. 101/1952 gesehen werden. Diese Bestimmungen lassen keinen Zweifel darüber, daß gewisse Rechtsgeschäfte erst nach dem 9. Februar 1949, bzw. nach dem 1. Dezember 1950 der Genehmigung der Verwaltungsbehörde bedürfen. Es ist also jetzt ausgeschlossen, die Notwendigkeit dieser Genehmigung auch für einen früheren Zeitpunkt aus der bisherigen Fassung des Gesetzes abzuleiten. Im vorliegenden Falle aber ist aus dem Gesetzestext nichts Ähnliches zu ersehen. Daß der Gesetzgeber, wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Neufassung ergibt, der Meinung war, er beseitige durch die Neufassung eine bestehende, übrigens nicht einmal klar umschriebene Härte, hat für die Auslegung der bisher geltenden Bestimmungen nicht mehr Gewicht als jede andere Äußerung über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmung in der Judikatur oder in der Lehre.

Die Auslegung, die die Beklagte der Bestimmung des Abs. 3 zukommen läßt, kann mit der Fassung dieser Bestimmung nicht in Einklang gebracht werden. Unter den "nach den vorstehenden Bestimmungen zu ermittelnden Beträgen" können nicht die nur nach den Bestimmungen der §§ 38 - 41 bemessenen Ruhebezüge gemeint sein. Das verbietet der Einbau der strittigen Bestimmung in den § 44 und der Gebrauch des Wortes "Betrag". Die Beklagte verweist allerdings auf eine Anomalie, die sich bei der Auffassung der Untergerichte und der der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 63/53 ergeben soll. Den Pensionisten, die auch nach den sonstigen Bestimmungen bereits die höchste Pension erreichen, gebührt neben der Unfallsrente die ungekürzte Pension, während den Pensionisten, die auf Grund der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 eine auch nur geringfügige Erhöhung der Pension erhalten, die volle Unfallsrente abgezogen wird. Doch war schon die Entscheidung 4 Ob 63/53 so zu verstehen, daß unter den "nach den vorstehenden Bestimmungen zu ermittelnden Beträgen" immer nur die Mehrbeträge gemeint sind, die sich nach den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 ergeben, nicht aber der Teil des Ruhegenusses, der nach den Bestimmungen der §§ 38 - 41 gebührt.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich also nicht veranlaßt, von seiner früheren Auffassung abzugehen.

Anmerkung

Z27198

Schlagworte

Auslegung eines Gesetzes, Authentische Interpretation, Beamte der Stadt Wien, Ruhegenuß, Gesetz, Auslegung, Interpretation eines Gesetzes, Legalinterpretation, Neufassung, Legalinterpretation, Pension, Wiener Beamte, Ruhegenuß für Wiener Beamte, Wien, Ruhegenuß der Beamten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0040OB00111.54.0713.000

Dokumentnummer

JJT_19540713_OGH0002_0040OB00111_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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