TE OGH 1954/8/13 5Os794/54 (5Os795/54)

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Veröffentlicht am 13.08.1954
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. August 1954 unter dem Vorsitze des Senatspräsidenten Dr. Sommer, in Gegenwart des Rates des Obersten Gerichtshofes Dr. Prinz, des Oberlandesgerichtsrates Dr. Freiinger und der Räte des Oberlandesgerichtes Dr. Köhler und Dr. Zachar als Richter, dann des Richteramtsanwärters Dr. Aron als Schriftführers, in der Strafsache gegen Walter S***** wegen der Übertretung nach dem § 11 Z 1, 2 und 4 Lebensmittelgesetz über die von der Generalprokuratur wider die dem Beschluß des Strafbezirksgerichtes Wien vom 9. November 1953, GZ 3 U 33/51-20 beigefügte Rechtsmittelbelehrung und den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgerichtes vom 25. November 1953, GZ 13 b Bl 1155/53 (3 U 33/51-23 des Strafbezirksgerichtes Wien), erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters - Oberlandesgerichtsrates Dr. Freiinger - und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur - Generalanwaltes Dr. Aggermann - zu Recht erkannt:

Spruch

Der vom Strafbezirksgerichte Wien bei Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses dieses Gerichtes vom 9. November 1953, 3 U 33/51-20, mit dem der vorläufige Aufschub der über Walter S***** mit dem Urteil desselben Gerichtes vom 4. September 1951, 3 U 33/51-5, bzw mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 6. Juni 1952, 13 a Bl 1452/51, wegen Übertretung nach § 11 Z 1, 2 und 4 LMG verhängte Arreststrafe in der Dauer von drei Wochen widerrufen und die Vollziehung der Strafe angeordnet wurde, eingehaltene Vorgang, daß dem Walter S***** die Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, es "stehe gegen diesen Beschluß das binnen acht Tagen ab Zustellung zu überreichende Rechtsmittel der Beschwerde offen", verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 3 StPO und des § 7 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949, BGBl Nr 277, in der Fassung des Artikels II der Strafprozeßnovelle 1952, BGBl Nr 161. Diese Verfügung und das darauf folgende Verfahren, insbesondere der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 25. November 1953, 13 b Bl 1155/53 (ONr 23 d. A.), womit die Beschwerde des Walter S***** gegen den Beschluß des Strafbezirksgerichtes Wien vom 9. November 1953, 3 U 33/51-20, als verspätet zurückgewiesen wurde, werden aufgehoben.

Dem Strafbezirksgerichte Wien wird aufgetragen, seinen Beschluß vom 9. November 1953 dem Walter S***** mit der Belehrung, daß dagegen das beim Strafbezirksgerichte Wien binnen der unerstreckbaren Frist von drei Tagen, vom Tage der Zustellung an gerechnet, einzubringende Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesgericht für Strafsachen Wien zulässig sei, zuzustellen und nach fristgerechtem Einlangen der Beschwerde oder nach Ablauf der dreitägigen Frist die weiteren Verfügungen gemäß den bestehenden Vorschriften zu treffen.

Text

Gründe:

Aus den Akten 3 U 33/51 des Strafbezirksgerichtes Wien und U 198/52 des Bezirksgerichtes Hallein ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der Fleischhauer Walter S***** wurde mit dem Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 4. September 1951, 3 U 33/51-5, der Übertretung nach § 11 Z 1, 2 und 4 des Lebensmittelgesetzes schuldig erkannt und gemäß § 11 LMG zur Strafe des Arrestes in der Dauer von einer Woche verurteilt. Infolge Berufung der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 6. Juni 1952, 13 a Bl 1452/51 - ONr. 13 d.A. - das Ausmaß dieser Strafe auf drei Wochen erhöht, der Vollzug der Strafe aber gemäß § 1 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 vorläufig aufgeschoben und eine Probezeit von drei Jahren bestimmt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 20. Oktober 1952, U 198/52-85, wurde Walter S***** auf Grund einer Reihe von Beanstandungen von ihm gelieferter Waren bei verschiedenen Geschäftsleuten in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Kärnten und Steiermark durch die Lebensmittelpolizei in den Jahren 1950, 1951 und 1952 neuerlich der Übertretung nach § 11 Z 1 und 4 LMG, aber auch nach § 12 LMG schuldig erkannt und gemäß § 12 LMG zu einer Geldstrafe von 1.500 S, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 14 Tagen Arrest verurteilt. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Wegen dieser Bestrafung widerrief das Strafbezirksgericht Wien mit Beschluß vom 9. November 1953, 3 U 33/51-20, den gewährten Aufschub der Vollziehung der Strafe von drei Wochen Arrest und forderte den Beschuldigten zum Antritt dieser Strafe binnen 8 Tagen ab Zustellung des Beschlusses auf. Es fügte die Belehrung bei: "Gegen diesen Beschluß steht das binnen 8 Tagen ab Zustellung zu überreichende Rechtsmittel der Beschwerde offen." Dieser Beschluß wurde laut Rückschein dem Beschuldigten persönlich durch die Post am 11. November 1953 zugestellt.

Am 19. November 1953 langte beim Strafbezirksgericht Wien ein am 18. November 1953 zur Post gegebener Schriftsatz des nunmehr von dem Rechtsanwalt in Hallein Dr. Emmerich Zöls vertretenen Beschuldigten ein, in welchem der Beschuldigte den den Aufschub widerrufenden Beschluß mit Beschwerde bekämpft. Diese Beschwerde wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht mit Beschluß vom 25. November 1953, 13 b Bl 1155/53 - ONr. 23 d.A. - als verspätet zurückgewiesen.

Der vom Strafbezirksgericht Wien bei Zustellung des Beschlusses vom 9. November 1953, 3 U 33/51-20 eingehaltene Vorgang ist mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 3 StPO ist das Gericht verpflichtet, den Beschuldigten auch wo es nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, über seine Rechte zu belehren. Dieser Grundsatz ist, da er allgemeiner Natur ist, nicht nur auf den Beschuldigten im technischen Sinn, sondern allgemein anzuwenden.

§ 7 Abs 1 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 (in der Fassung des Artikels II der Strafprozeßnovelle 1950, BGBl Nr 161) räumt dem Verurteilten gegen einen Beschluß, durch den das Gericht über die Frage entschieden hat, ob die Strafe nach den Bestimmungen des zitierten Gesetzes zu vollstrecken oder nachzulassen sei, das Rechtsmittel der Beschwerde ein, die binnen drei Tagen einzubringen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Beschluß dem Walter S***** erteilte Rechtsmittelbelehrung, die Frist für die Einbringung einer Beschwerde betrage acht Tage, war daher unrichtig. Die Zustellung eines Beschlusses, der mit einer solchen unrichtigen Rechtsmittelbelehrung versehen ist, entspricht nicht den Anforderungen, die das Gesetz an das Gericht stellt, wenn es im § 3 StPO vorschreibt, daß es den Beschuldigten über seine Rechte zu belehren habe. Denn nur dann, wenn das Gericht dem Beschuldigten, hier dem Verurteilten, eine richtige Rechtsmittelbelehrung erteilt, ist dem Gesetzesbefehl entsprochen. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings wiederholt ausgesprochen, daß eine unrichtige Rechtsbelehrung über die Dauer einer gesetzlichen Frist das Gesetz nicht abzuändern und den Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht zu hindern vermag (Slg 2411, 2601). Mag somit auch im Zuge des ordentlichen Rechtsmittelverfahrens die Erweiterung einer Frist, die infolge einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung versäumt wurde, nicht stattfinden können, so besteht andererseits kein Hindernis, durch Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Abhilfe zu schaffen.

Das Gesetz stattet im § 292 StPO den Obersten Gerichtshof mit weitreichenden Befugnissen zugunsten des Angeklagten aus, darunter insbesondere auch mit der Berechtigung, "nach Umständen eine Erneuerung des gegen den Angeklagten gepflogenen Verfahrens anzuordnen", also die Entscheidung oder den Vorgang selbst wegen formaler Gebrechen des Verfahrens aufzuheben (Slg 3148). Die Anwendung dieses Rechtsmittels erscheint im vorliegenden Fall umso notwendiger, als hier auch der Weg der Wiedereinsetzung nach § 364 StPO, auf den die Entscheidung Slg 2601 hinweist, nicht gangbar gewesen ist.

Da die Verfügung, mit der die unrichtige Rechtsbelehrung erteilt wurde, dem Gesetze widersprach, kann auch das darauf folgende Verfahren, das diesem Fehler nicht Rechnung tragen konnte, nicht aufrecht bleiben.

Es war daher sowohl die erwähnte Verfügung als auch das weitere Verfahren, das sich an diese anschloß, aufzuheben und dem Strafbezirksgerichte Wien aufzutragen, den Beschluß vom 9. November 1953, 3 U 33/51-20, mit einer richtigen Rechtsmittelbelehrung neuerlich an Walter S***** zuzustellen. Dadurch wird S***** erst in die Lage versetzt werden, innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Tagen, vom Tage der Zustellung an gerechnet, das Rechtsmittel der Beschwerde anzumelden und auszuführen. Da er eine solche Anmeldung und Ausführung seiner Beschwerde bei Gericht bereits überreicht hat (3 U 33/51-21), wird es, soferne er nicht eine neue Beschwerdeschrift überreicht, genügen, wenn er innerhalb der Beschwerdefrist beim Strafbezirksgerichte Wien die Erklärung abgibt, daß er die bereits dem Gerichte überreichte Beschwerde aufrecht hält. In diesem Falle wird das Landesgericht für Strafsachen Wien über die Beschwerde zu entscheiden haben (vgl die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. Februar 1951, 5 Os 40, 41/51, ÖJZ 1951, EvBl Nr 212).

Anmerkung

E73440 5Os794.54

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0050OS00794.54.0813.000

Dokumentnummer

JJT_19540813_OGH0002_0050OS00794_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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