TE OGH 1954/9/8 1Ob618/54

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Veröffentlicht am 08.09.1954
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Norm

ABGB §91
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §7

Kopf

SZ 27/217

Spruch

Zur Auslegung des § 7 der 4. DVzEheG.

Entscheidung vom 8. September 1954, 1 Ob 618/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Mattighofen; II. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.

Text

Die Klägerin hat die Klage am 30. September 1952 eingebracht und im Laufe des Rechtsstreites ihr Begehren dahin ausgedehnt, daß der Beklagte zur Zahlung von 10.100 S samt Nebengebühren verurteilt werden möge. Sie sei die ungeschiedene Ehegattin des Beklagten. Vom 1. Jänner 1949 bis 26. Juni 1950 sei ihr der Beklagte einen vereinbarten, ausdrücklich anerkannten und zur Zahlung versprochenen monatlichen Unterhaltsbetrag von 2O0 DM noch schuldig. Der Rückstand mache 10.100 S aus. Überdies sei deutsches Recht anzuwenden, wonach Unterhaltsbeträge auch für die Vergangenheit begehrt werden können.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin gemäß dem Antrag des Beklagten ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Parteien hatten bis zum Beginn der dreißiger Jahre ihren gemeinsamen Wohnsitz und damit ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz in Berlin, wo die Klägerin auch heute noch wohnt. Die Ehe zwischen den Streitteilen besteht aufrecht. Der Beklagte wohnt sei Anfang der dreißiger Jahre in Österreich. Seit 7. Feber 1949 ist er österreichischer Staatsbürger. Eine Unterhaltsvereinbarung liegt nicht vor.

Vertraglichen Unterhalt könne die Klägerin nicht begehren. Da auf den Rechtsfall inländisches Recht anzuwenden sei, stehe der gesetzliche Unterhalt für die Vergangenheit nicht zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nur hinsichtlich eines Teilbetrages von 600 S Folge und verwies die Rechtssache unter Aufhebung der beiden untergerichtlichen Urteile in diesem Umfange an das Erstgericht zurück, bestätigte dagegen im übrigen das Urteil des Berufungsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß österreichisches Recht anzuwenden sei, ist für die Zeit, seit der der Beklagte österreichischer Staatsangehöriger ist, also seit 7. Feber 1949, bedenkenfrei. Gemäß § 7 Abs. 1 der 4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz werden die persönlichen Rechtsbeziehungen österreichischer Ehegatten zu einander, darunter die Unterhaltspflicht, nach den österreichischen Gesetzen beurteilt. Nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle ist österreichisches Recht auch dann anzuwenden, wenn der Mann die österreichische Staatsangehörigkeit verloren, die Frau sie aber behalten hat. Es ist allgemein anerkannt, daß die eben wiedergegebene einseitige Kollisionsnorm des § 7 Abs. 1 der 4. DVO.

z. EheG. zu einer vollständigen zu erweitern ist, sodaß sich die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten nach den Gesetzen ihres Heimatstaates richten. Die Ausnahme des Absatzes 2 ist dabei zugunsten des inländischen Rechts getroffen. Sie kann nicht dahin verallgemeinert werden, daß die Gesetze des früheren gemeinsamen Heimatstaates auch anzuwenden sind, wenn der Mann seine fremde Staatsangehörigkeit verloren, die Frau sie aber behalten hat. Es gilt daher das jeweilige Heimatrecht des Mannes (Walker - Verdross - Satter in Klang, 2. Auflg., 1. Band, S. 253; Leo Raape, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., 1950, S. 211). Wenn Martin Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands, Berlin 1954, S. 197, meint, daß die bestandene gemeinsame Staatsangehörigkeit so lange maßgebend sei, als sie die Gattin behält, so muß dem entgegengehalten werden, daß dies im Ergebnis auf eine unzulässige Ausdehnung der nur zugunsten des inländischen Rechts getroffene Ausnahmenorm hinausliefe. Das oben festgehaltene Ergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn man mit Palandt, BGB. 12 Aufl., EG. 14, Anm. 2 (S. 1961) annimmt, daß die Heimatrechte beider Ehegatten dergestalt zu berücksichtigen seien, daß kein Ehegatte mehr verlangen könne, als wenn ihn sein Heimatrecht berechtige und das Heimatrecht des anderen diesen verpflichte. Auch hier gelangt man für die Zeit seit 7. Feber 1949 wieder zur Anwendung des österreichischen Rechts. Ob im vorliegenden Fall für die Zeit seit 7. Feber 1949 ohne weiteres nicht schon deswegen österreichisches Recht anzuwenden ist, weil die Klägerin gemäß § 5 Abs. 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 infolge einer Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beklagten ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat, kann bei dieser Rechtslage ungeprüft bleiben.

Soweit sich dann die Revisionswerberin gegen die Feststellung der Untergerichte wendet, es sei keine Unterhaltsvereinbarung zustande gekommen, liegt in Wahrheit eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung vor, auf die nicht einzugehen ist.

Die Rechtsmeinung schließlich, daß nach österreichischem Recht der gesetzliche Unterhalt für die Vergangenheit nicht mit Erfolg verlangt werden kann, entspricht der seit langer Zeit unangefochtenen einhelligen Lehre und Rechtsprechung (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht, 1924, § 461; Judikatenbuch 40, 81). Hievon abzugehen, bieten die Ausführungen der Revision keinen Anlaß. Zusammenfassend ergibt sich, daß - soweit die Zeit seit 7. Feber 1949 in Frage steht - keiner der von der Revisionswerberin erhobenen Angriffe gegen die rechtliche Beurteilung der Untergerichte der Revision zum Erfolg verhelfen kann. Das gleiche gilt von der bloß hilfsweise erhobenen Mängelrüge. Der Revision war daher hinsichtlich des Unterhaltsbegehrens seit 7. Feber 1949, das einen Betrag von 9500 S ergibt, nicht Folge zu geben.

Anders liegt die Sache für die Zeit vom 1. Jänner bis 6. Feber 1949, da damals unbestrittenermaßen der Beklagte noch deutscher Staatsangehöriger war, sodaß für diese Zeit deutsches Recht anzuwenden ist. Gemäß § 1613 BGB. kann der Unterhaltsberechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Diese für die Unterhaltspflicht der Verwandten unmittelbar gegebene Vorschrift findet gemäß § 1360 Abs. 2. BGB. auf die Unterhaltspflicht des Ehegatten während der bestehenden Ehe entsprechend Anwendung. Gemäß §§ 284 f. BGB. tritt aber Verzug durch Mahnung und nur bei Verschulden ein. Der Schuldner kommt nicht in Verzug, so lange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Sowohl hinsichtlich der Mahnung des Beklagten, wie auch insbesondere hinsichtlich seines Verschuldens, wozu der Beklagte behauptet, daß er durch Transferschwierigkeiten Unterhaltsbeträge nicht habe überweisen können, fehlen bisher Feststellungen. Wegen dieser Feststellungsmängel mußten hinsichtlich des für 1. Jänner bis 6. Feber 1949 begehrten Unterhalts von monatlich 500 S, also zusammen 600 S, die Urteile der Untergerichte aufgehoben werden und die Rechtssache in diesem Umfang zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Anmerkung

Z27217

Schlagworte

Internationales Privatrecht, Unterhaltsanspruch, Privatrecht, internationales -, Unterhaltsanspruch, Unterhalt internationales Privatrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00618.54.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19540908_OGH0002_0010OB00618_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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