TE OGH 1954/9/29 2Ob570/54

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Veröffentlicht am 29.09.1954
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Norm

ABGB §1284
JN §58
ZPO §502

Kopf

SZ 27/239

Spruch

In allen Streitigkeiten, die wiederkehrende Leistungen auf bestimmte und anschließend auf unbestimmte Zeitdauer zum Gegenstand haben, ist der Streitwert das Zehnfache der Jahresleistung plus dem auf die bestimmte Zeitdauer entfallenden Betrag.

Bei der Berechnung einer Leibrente in der Höhe des Zinsertrages des übergebenen Hauses hat das Leerstehen von Wohnungen für das Ausmaß der Rente außer Betracht zu bleiben.

Entscheidung vom 29. September 1954, 2 Ob 570/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Korneuburg; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Die Klägerin hat mit dem Übergabsvertrag vom 6. Feber 1940 das ihr gehörige Haus, Grundbuch K., EZ. 4, den Beklagten übergeben. In diesem Übergabsvertrag hat sie sich u. a. "auf ihre Lebensdauer zur Sicherung ihres ferneren Lebensunterhaltes als Ausgedinge einen monatlichen Betrag in der Höhe der gesamten Bruttozinserträgnisse des übergebenen Hauses" ausbedungen. Als Bruttozinsertrag sollte hinsichtlich der dem Mietengesetz unterliegenden Bestandgegenstände der für dieselben zu entrichtende Hauptmietzins, hinsichtlich der Hauseigentümerwohnung und der nach Goldzins vermieteten Bestandgegenstände der vereinbarte Goldzins (abzüglich der Betriebskosten und öffentlichen Abgaben) gelten. Weiter wurde vereinbart, daß im Falle einer künftigen Erhöhung der Zinse "die jeweilige Erhöhung zugunsten der Übergeberin gehe, indem sich der monatliche Betrag um die jeweilige Erhöhung vermehre". - "Zur Kontrolle des Zinsertrages des übergebenen Hauses und des davon abhängigen, der Übergeberin gebührenden Monatsbetrages" haben die Übernehmer der Übergeberin das Verwaltungsrecht hinsichtlich des gegenständlichen Hauses eingeräumt, mit der weiteren Berechtigung der Übergeberin, dasselbe entgeltlich durch dritte Personen ausüben zu lassen, für welchen Fall die Beklagten auch die Verwaltungskosten übernehmen. Durch Kriegseinwirkung sind in der Folge einzelne Wohnungen des übergebenen Hauses zum Teil ganz zerstört, zum Teil schwer beschädigt worden, sodaß der Mietzins entweder ganz entfiel oder entsprechend vermindert wurde. Mit der Behauptung, die Beklagten seien auf Grund des angeführten Punktes III des Übergabsvertrages verpflichtet, für diesen veminderten Zinsertrag aufzukommen und die Rente in dieser Höhe zu leisten, begehrt die Klägerin die Beklagten zur ungeteilter Hand zu verurteilen, a) ihr einen Betrag von 3508.31 S, s. A., b) beginnend mit 1. November 1952 bis zum Wiederaufbau der zerstörten Wohnungen einen Betrag von 73.99 S am Ersten eines jeden Monates zu bezahlen.

Das Erstgericht hat nach Ergänzung des Beweisverfahrens dem Klagebegehren stattgegeben. Es stellt fest, daß der Zweck des Vertrages die Sicherung des Lebensunterhaltes der Klägerin für ihre Lebensdauer war, daß die Bestimmung über die Zinserträge nur die Berechnungsgrundlage festlegte und ihren Grund in dem Bestreben der Klägerin hatte, sich vor einer Geldentwertung zu schützen, und daß das Verwaltungsrecht der Klägerin zur Sicherung ihrer Rente, nicht zur Wahrung des äußeren Scheines einer Hauseigentümerin eingeräumt wurde. In rechtlicher Hinsicht kommt das Erstgericht zu dem Schlusse, daß nicht der tatsächliche, sondern der geschuldete Bruttozins die Grundlage der Berechnung zu bilden habe, daß daher der Klägerin eine monatliche Rente in der Höhe der monatlichen Bruttozinsenerträgnisse gebühre. Für diese Auffassung spreche die im Punkt III/3 b getroffene Vereinbarung, daß als zu entrichtender Mietzins der vereinbarte Goldzins zu gelten habe; das der Klägerin eingeräumte Verwaltungsrecht ermögliche ihr jederzeit die Feststellung, ob etwa durch eine Vereinbarung der Beklagten mit einem Mieter eine Zinserhöhung und damit auch eine Erhöhung der Rente eingetreten sei.

Der Berufung der Beklagten hat die zweite Instanz nicht Folge gegeben. Sie führt in rechtlicher Hinsicht aus: Schon aus dem Inhalt des Übergabsvertrages Punkt III/3 ergebe sich, daß es sich bei diesem Vertrage um einen Leibrentenvertrag handle, denn eine andere Auslegung könne diesem Vertragspunkte, wonach der Übergeberin auf ihre Lebensdauer zur Sicherung ihres ferneren Lebensunterhaltes als Ausgedinge ein monatlicher Betrag in der Höhe der gesamten Bruttozinserträgnisse des übergebenen Hauses gebühren solle, nicht unterlegt werden. Die Bezeichnung "Ausgedinge" sei ja dem Wesen nach gleichbedeutend mit Leibrente und bestehe der Unterschied in der Regel darin, daß das Ausgedinge Naturalleistungen, die Leibrente hingegen Geldleistungen zum Gegenstande habe. Es könne daher auch aus dem Gebrauche der Bezeichnung Reallast des Ausgedinges nicht abgeleitet werden, daß die Klägerin lediglich auf den tatsächlichen Zinseingang Anspruch habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht begrundet.

Was zunächst die Zulässigkeit der Revision anlangt, so sind sowohl die Voraussetzungen des § 502 Abs. 3 ZPO. wie auch jene des § 502 Abs. 5 ZPO. gegeben. Es ist unrichtig, wenn die Revisionsgegnerin meint, daß nur die dreifache Jahresleistung als Wert des Rechtes auf den Bezug der wiederkehrenden Leistungen anzunehmen ist; diese Bestimmung (§ 58 JN. im Zusammenhalt mit § 502 Abs. 3 ZPO.) gilt nur für gesetzliche Unterhaltsansprüche, die aber hier nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Es ist aber auch die Annahme verfehlt, daß nur der zehnfache Wert des Jahresbetrages der Rente nach § 58 JN. für die Bewertung des Streitgegenstandes nach § 502 Abs. 3 ZPO. maßgebend ist; hier übersieht die Revisionsgegnerin, daß - wie insbesondere aus dem letzten Teilsatz des Abs. 1 des § 58 JN. zu entnehmen ist- in allen Streitigkeiten, die wiederkehrenden Leistungen auf bestimmte Zeitdauer und weiter auf unbestimmte Zeitdauer zum Gegenstand haben, zur Ermittlung des maßgebenden Wertes dem Gesamtbetrag der auf die bestimmte Zeitdauer entfallenden Leistungen der zehnfache Betrag der für die unbestimmte Zeit begehrten Jahresleistung hinzuzuschlagen ist. Ein 10.000 S übersteigender Betrag war also, wie die Überprüfung ergibt, nicht nur im Zeitpunkt der Anbringung der Klage und der Änderung des Klagebegehrens, sondern insbesondere auch in dem für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebenden Zeitpunkt der Fällung des berufungsgerichtlichen Urteils gegeben. Abwegig sind auch die Ausführungen der Revisionsbeantwortung, soweit sie die Annahme der Ausnahmebestimmung des § 502 Abs. 5 ZPO. ablehnen, denn es kann nach dem Inhalt des Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlusses kein Zweifel aufkommen, daß das Prozeßgericht nur wegen der ihm vom Berufungsgericht auferlegten rechtlichen Bindung zu dem neuen Urteil gelangt ist. Das Schwergewicht der Anfechtung des Urteils ruht auf dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. Die Feststellungen der Vorgerichte gehen dahin, daß die Klägerin die ihr gehörige Liegenschaft an die Beklagten verkauft hat, um sich ihre Versorgung bis zum Lebensende zu sichern. Wird von diesen Feststellungen ausgegangen, ist die rechtliche Beurteilung der der Klägerin aus dem Übergabsvertrag zustehenden Leistungen als Leibrente rechtlich einwandfrei und sowohl durch den Wortlaut als auch durch die sinngemäße Auslegung des Vertrages gedeckt. Der Vertragstext zu Punkt III/3, der Klägerin gebühre auf ihre Lebensdauer zur Sicherung ihres ferneren Unterhaltes als Ausgedinge ein monatlicher Betrag in der Höhe der gesamten Bruttozinserträgnisse des übergebenen Hauses, entspricht dem Wesen der Leibrente, wie sie in § 1284 ABGB. festgelegt ist. Die Überlassung einer Liegenschaft gegen eine Leibrente ist ein Kaufvertrag, bei der die Liegenschaft den Gegenstand, die Rente den Preis bildet. Daß dieser Preis im vorhinein nicht feststeht, macht den Preis nicht unbestimmt, weil Bestimmbarkeit des Preises genügt. Auch die gelegentliche Beifügung des Wortes "Ausgedinge" oder "Reallast des Ausgedinges" im Übergabsvertrag beeinträchtigt nicht die Beurteilung der wiederkehrenden Leistungen als Leibrente. Gewisse Unterschiede zwischen Ausgedinge und Leibrente sind zwar vorhanden, da bei Bestimmung des Ausmaßes für ersteres das Bedürfnis, für die letztere das Alter des Rentennehmers den Ausschlag gibt; allein der eigentliche Zweck, nämlich die Versorgung. bzw. Erleichterung der Lebensführung gilt für beide. Rechtlich einwandfrei sind auch die Schlüsse, die die Untergerichte aus dem schriftlichen Vertrag über das Ausmaß der Rente gezogen haben. Das Wort "Erträgnisse" im Punkt III/3 darf nicht aus dem Zusammenhang gelöst werden, sondern ist erst in Verbindung mit den Wendungen "in der Höhe der gesamten Bruttozinserträgnisse", bzw. "der für die dem Mietengesetz unterliegenden Bestandobjekte zu entrichtende Mietzins", bzw. "der vereinbarte Goldzins" und "der der Übergeberin gebührende monatliche Betrag ... immer monatlich im vorhinein ... zu bezahlen" richtig zu beurteilen. Daraus ergibt sich eindeutig, daß nicht etwa die Zinserträgnisse selbst der Klägerin als Rente zufallen sollten, sondern die Beklagten eine persönliche Zahlungspflicht in der Höhe des entsprechenden Betrages trifft. Für diese Auslegung spricht insbesondere auch der Inhalt des Punktes IV des Vertrages, in dem ausdrücklich bestimmt wird, daß die Zinseinnahmen ab 1. Februar 1940 zugunsten der Übernehmer laufen. Aus dieser Vertragsbestimmung muß entgegen der Meinung der Revisionswerber auch gefolgert werden, daß das Leerstehen von Wohnungen und damit der Entfall der Mietzinse für das Ausmaß der Rente außer Betracht zu bleiben hat. Beizupflichten ist den Ausführungen des Berufungsgerichtes auch, wenn es darauf hinweist, daß der Übergabsvertrag (Punkt IV) die ausdrückliche Bestimmung enthält, daß vom 1. Februar 1940 an die Gefahr des Zufalls zu Lasten der Übernehmer geht und sie daher nach dem Inhalt dieses Vertragspunktes die teilweise Beschädigung des Hauses durch die Kriegseinwirkungen zu tragen haben. Da die Leistungen der Beklagten eben nicht vom tatsächlich erzielten Ertrag abhängig waren, spielt das Moment der Gefahrtragung für den Zufall entgegen der Meinung der Revisionswerber nicht bloß in Ansehung der Substanz des von den Beklagten übernommenen Vermögens, sondern auch in Ansehung des Ertrages eine Rolle zu ihren Ungunsten. Eine andere Auslegung würde dem Charakter der Leibrente in Ansehung des Zweckes geradezu zuwiderlaufen (im gleichen Sinne Klang, 2. Aufl., zu § 1284, S. 1016). Wenn die Revision meint, daß eine Reallast nach allgemeinem Rechtsgebrauch Leistungen sind, die nicht nur von dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft zu erfüllen, sondern immer auch aus dem Ertrag oder der Substanz der Liegenschaft zu bestreiten sind, und die Beklagten daher nicht verpflichtet seien, zusätzliche Leistungen zu erbringen, so ist ihr entgegenzuhalten, daß die Leistungen wohl in der Regel durch die Erträgnisse der belasteten Liegenschaft gedeckt werden sollen, daß es aber mit ihrem Wesen nicht unvereinbar ist, wenn noch weitere Belastungen über die Erträgnisse hinaus von den Übernehmern auf sich genommen werden (vgl. Entsch. vom 31. März 1954, 3 Ob 688/53, in ÖJZ. 1954, S. 283, EvBl. Nr. 189). Jedenfalls ist auch mit diesem Einwand für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen.

Anmerkung

Z27239

Schlagworte

Hauskauf, Rente, Leibrente, Zinsertrag, Rentenkauf, Zinsertrag, Streitwert, Wiederkehrende Leistungen, Wiederkehrende Leistungen, Streitwert, Zinsertrag, Höhe einer Leibrente

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00570.54.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19540929_OGH0002_0020OB00570_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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