TE OGH 1954/10/13 3Ob538/54

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Veröffentlicht am 13.10.1954
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Norm

Mietengesetz §19 Abs2 Z11
Mietengesetz §21
ZPO §562

Kopf

SZ 27/257

Spruch

Der Mangel der Passivlegitimation muß in den Kündigungseinwendungen bei sonstiger Präklusion behauptet werden.

Begründung eines gemeinsamen Haushaltes mit einer vollentmundigten in einer Anstalt untergebrachten Person.

Entscheidung vom 13. Oktober 1954, 3 Ob 538/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Stefan S., der Vater des Beklagten, hat die aufgekundigte Wohnung bis 23. Juni 1951 bewohnt und ist dann in die Landesheil- und Pflegeanstalt "Am Feldhof" eingewiesen worden. Dort ist er am 1. Dezember 1953 gestorben, ohne daß er in der Zwischenzeit die Anstalt wieder verlassen hätte. Der Beklagte hat bis 4. Dezember 1951 im Haus L., J. G.g. 4, gewohnt. Am 5. Dezember 1951 ist er in die nunmehr aufgekundigte Wohnung eingezogen. Bevor Stefan S. in die Heilanstalt eingewiesen wurde, hat ihn der Beklagte öfter in der gekundigten Wohnung besucht und ist dort gelegentlich auch über Nacht geblieben. Er hat einen Radioapparat und einen Anzug in der Wohnung bei seinem Vater verwahrt gehabt. Nach der Anstaltsunterbringung hat Beklagter einen Verpflegskostenzuschuß von 100 S monatlich bezahlt und gelegentlich seinen Vater auch in der Pflegeanstalt besucht, wobei er ihm auch Lebensmittel brachte.

Auf Grund dieses von ihm festgestellten Sachverhaltes erkannte das Prozeßgericht die auf § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. gestützte Kündigung für wirksam.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge und hob die Kündigung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die in der Revision erneut aufgeworfene Frage, ob die Kündigung gegen den Beklagten oder gegen die Verlassenschaft nach Stefan S. zu richten war, betrifft die Frage der Passivlegitimation, auf die von Amts wegen nicht Bedacht zu nehmen ist. Da der Beklagte den Mangel der Passivlegitimation nicht schon in den Einwendungen behauptet, vielmehr im Gegenteil vorgebracht hat, daß ihm als dem erbberechtigten Sohn die Nachfolge im Wohnungsrecht nach seinem Vater zustehe, ist er mit der Geltendmachung dieser Einrede nunmehr präkludiert (vgl. SZ. XXII/100, EvBl. Nr. 514/49, JBl. 1932, S. 107 u. a.).

In ihren weiteren Ausführungen ist die Revision bemüht, darzutun, daß Beklagter während seines zweijährigen Aufenthalts in der Wohnung seines Vaters damit rechnen konnte und auch gerechnet habe, sein Vater werde zu ihm in die Wohnung zurückkehren. Hieraus und aus dem Umstande des faktischen zweijährigen Aufenthaltes in der Wohnung des Vaters, währenddessen er die Verbindung mit dem abwesenden Vater aufrechterhalten und ihn unterstützt habe, sei der rechtliche Schluß zu ziehen, daß ein gemeinsamer Haushalt begrundet worden sei.

Diesen Ausführungen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Die neuere Rechtsprechung (3 Ob 82/54 vom 3. Februar 1954) hat ausgesprochen, daß das Wort "darin" im § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. lediglich besagen will, daß der Wohnsitz, das Domizil des nahen Angehörigen in der aufgekundigten Wohnung bereits begrundet gewesen sein muß. Dem Umstand, daß dieser nahe Angehörige bereits faktisch in die Wohnung eingezogen sei, wurde keine Bedeutung zugemessen, wenn der gemeinsame Wohnsitz mit dem Erblasser in einer früheren Wohnung in die aufgekundigte Wohnung in der Art verlegt wurde, daß die Absicht, die Wohnungsgemeinschaft in der neuen Wohnung mit dem dann verstorbenen Mieter fortzusetzen, dadurch deutlich erkennbar und damit auch verwirklicht ist, daß die Fahrnisse des nahen Angehörigen in die neue Wohnung des dann verstorbenen Mieters eingebracht wurden.

Wird nun davon ausgegangen, daß nicht das faktische Zusammenwohnen, sondern die Begründung des gemeinsamen Wohnsitzes (Domizils) das Entscheidende ist, dann kann rechtlich auch die Begründung eines gemeinsamen Haushalts mit einem infolge Krankheit Abwesenden nicht ausgeschlossen werden. So spricht auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1954, Z. 203/53, aus, daß die Obsorge für das Hauswesen, die Betreuung der abwesenden Person, das wirtschaftliche Zusammenwirken mit dieser in Verbindung mit dem tatsächlichen Wohnen im Bestandobjekt rechtlich als gemeinsames Haushalten anzusehen seien, wenn zugleich die ernstliche Absicht zur Begründung einer dauernden Gemeinschaft erkennbar ist. Dieses letztere Erfordernis entfällt aber im vorliegenden Fall auf seiten des Vormieters selbst, da der Beklagte sein Kurator gewesen ist und er darum allein rechtlich relevant für den vollentmundigten Vater Willenshandlungen vornehmen konnte. In einem solchen Fall muß es daher als genügend angesehen werden, daß die Weiterführung des Haushaltes in der aufgekundigten Wohnung auch im Interesse des abwesenden Vaters gelegen war. Daß aber die Absicht des Beklagten auf eine dauernde Haushaltsführung gerichtet war, ergibt sich daraus, daß er nunmehr schon nahezu drei Jahre die Wohnung benützt.

Anmerkung

Z27257

Schlagworte

Bestandverfahren, Einwendung der Passivlegitimation, Einwendungen Mangel der Passivlegitimation, Eventualmaxime, Einwendung der Passivlegitimation, Gemeinsamer Haushalt Vollentmundigter Anstaltspflegling, Haushalt gemeinsamer - mit Vollentmundigtem, Kündigung Einwendung der Passivlegitimation, Passivlegitimation, Einwendung der -, Vollentmundigter Anstaltspflegling, gemeinsamer Haushalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00538.54.1013.000

Dokumentnummer

JJT_19541013_OGH0002_0030OB00538_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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