Norm
ABGB §1311Kopf
SZ 27/295
Spruch
Wenn ein einer Bank zum Inkasso übergebener Scheck infolge der Kriegsereignisse verloren gegangen ist, ist die Bank zur Rückbuchung der Gutschrift des Schecks berechtigt.
Entscheidung vom 17. November 1954, 3 Ob 747/54.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Richard K. hatte bei der Klägerin einen Bankkredit, den er laufend durch eingehende Schecks und Wechsel abdeckte. Seiner Verbindung mit der Klägerin lagen die allgemeinen Geschäftsverbindungen der Klägerin zugrunde. Am 28. März 1945 übergab Richard K. der Klägerin einen Scheck über 13.872.50 RM, ausgestellt von der Z. in Würzburg, bezogen auf die C.-Bank in Nürnberg, zum Inkasso. Der Betrag wurde K. unter Vorbehalt des Einganges am gleichen Tage gutgeschrieben. Die Klägerin gab diesen Scheck an ihre Bankverbindung in Berlin, R.- A.G. weiter, welche ihrerseits den Betrag unter Vorbehalt des Einganges der Klägerin am 9. April 1950 gutschrieb. Zufolge der Verhältnisse bei Kriegsende gelangte der Scheck nicht an die C.-Bank und wurde nicht eingelöst. Das Konto Richard K. erreichte nach Gutschrift des Scheckbetrages einen Habenstand von über 20.000 RM und sank bis 10. Mai 1946 auf Null. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin nach Richard K. Mit Schreiben vom 11. Feber 1952 teilte die Klägerin der Beklagten das Storno der seinerzeitigen Gutschrift mit, das aber von der Beklagten nicht anerkannt wurde.
Mit der vorliegenden Klage begehrt nun die Klägerin die Zahlung des Betrages von 13.872.50 S. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil die Gutschrift nur unter Vorbehalt des Einganges des Gegenwertes erfolgt sei, die Einlösung des Schecks aber unterblieben sei. Der Umstand, daß eine Rückbuchung des Schecks seitens der R.- A.G. in Berlin wegen der Sperre des Bankgebäudes im Sowjetsektor Berlins nicht festgestellt werden könne, falle nicht ins Gewicht, weil auch diese Gutschrift unter Vorbehalt des Einganges des Gegenwertes erfolgt sei. Auf Grund der allgemeinen Geschäftsbedingungen könne die Klägerin rückbuchen. Von einem Schadenersatzanspruch wegen Verletzung einer Sorgfaltspflicht könne deshalb nicht gesprochen werden, weil die Beklagte ihren Anspruch gegen die Ausstellerin des Schecks geltend machen könne. Eine Verjährung dieses Anspruches sei gem. Art. 4 des Gesetzes Nr. 67 der Alliierten Hohen Kommission vom 23. November 1951 nicht eingetreten.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Auf den Widerruf oder Nichtwiderruf der Gutschrift durch die R.-A.G. komme es nicht an. Die R.-A.G. sei die Erfüllungsgehilfin der Klägerin, deren sich die Klägerin zur Erfüllung des von Richard K. erhaltenen Inkassoauftrages bedient habe. Es könne daher nur darauf ankommen, ob der Betrag beim Erfüllungsgehilfen eingegangen sei. Die Gutschrift habe nur eine rein interne Bedeutung für das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Erfüllungsgehilfen, aber keinerlei Bedeutung für das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Da der Scheck nicht zur Einlösung vorgelegt wurde, sondern verlorengegangen ist, könne er bei der bezogenen Bank nicht mehr präsentiert werden, daher von dieser auch nicht eingelöst werden. Es kann deshalb ein Eingang der Scheckvaluta nicht mehr erfolgen. Dennoch könne die Gutschrift nicht ohneweiters widerrufen werden, weil nach Punkt 4 Abs. 2 der Geschäftsbedingungen eine Rückbelastung nur erfolgen könne, wenn der Scheck infolge eines unüberwindlichen Hindernisses nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt wird. Ob die Nichtvorlage oder nicht rechtzeitige Vorlage hier infolge eines unüberwindlichen Hindernisses geschehen sei, habe das Erstgericht nicht erörtert. Nur wenn die Klägerin nachweise, daß sie oder ihr Erfüllungsgehilfe durch unüberwindliche Hindernisse außerstande gewesen wären, den Scheck rechtzeitig bei der Bezogenen zu präsentieren könne sie nach ihren eigenen Gesetzbedingungen eine Rückbelastung vornehmen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs Folge und hob auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Richard K. hat den Scheck der Klägerin zum Inkasso übergeben. Die Gutschrift der Schecksumme erfolgte unter Vorbehalt des Eingangs. Die Klägerin hat sich zur Durchführung dieses Auftrages ihrer Bankverbindung in Berlin, bei der sie ein Konto hatte, als Erfüllungsgehilfin bedient. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, ist nur entscheidend, ob der Gegenwert bei der Klägerin oder ihrem Erfüllungsgehilfen eingegangen ist, gleichgültig, ob die R.-A.G. in Berlin den Betrag rückgebucht hat oder nicht, da es sich bei dieser Gutschrift um eine interne Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und ihrem Erfüllungsgehilfen handelt. Feststeht, daß der Gegenwert nicht eingegangen ist und auch wegen Verlustes des Schecks nicht mehr eingehen kann. Nach Punkt 41 Abs. 2 der Geschäftsbedingungen hat die Klägerin eine Haftung für die rechtzeitige Vorlage des Schecks nicht übernommen. Sie ist aber nach Punkt 42 Abs. 2 der Geschäftsbedingungen berechtigt, für den Fall, als der Scheck infolge unüberwindlicher Hindernisse nicht vorgelegt werden kann, rückzubuchen. Das Berufungsgericht vermißt eine Erörterung und Feststellung darüber, ob die Nichtvorlage oder nicht rechtzeitige Vorlage auf ein unüberwindliches Hindernis zurückzuführen ist. Außer Streit gestellt wurde, daß der Scheck verlorengegangen ist. Das Erstgericht stellte dazu unangefochten fest, daß der Scheck infolge der Verhältnisse bei Kriegsende nicht an die C.-Bank in Nürnberg gelangt ist. Damit steht fest, daß der Scheck infolge der Kriegsereignisse verlorengegangen ist. Ein unüberwindlicheres Hindernis für die Vorlage als der Verlust des Schecks kann es wohl schwerlich geben. Ist dieser Verlust infolge der Kriegsereignisse eingetreten, so liegt darin ein Zufall, wie die Beklagte schon in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt hat. Für diesen Zufall haftet die Klägerin aber nicht. Es handelt sich um einen Inkassoscheck, der von der Klägerin auf Rechnung des Einreichers einzulösen war. Der Zufall hat sich daher im Vermögen der Beklagten ereignet. Eine Haftung für die nicht rechtzeitige Vorlage bestand aber überhaupt nicht.
Da das Berufungsgericht den Nachweis verlangt, daß die Klägerin oder ihr Erfüllungsgehilfe durch unüberwindliche Hindernisse außerstande war, den Scheck rechtzeitig bei der C.-Bank zu präsentieren, könnte daraus entnommen werden, daß sich das Berufungsgericht der Rechtsmeinung der Beklagten anschließt, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, den Scheck unmittelbar bei der C.-Bank zu präsentieren und hätte sich nicht ihrer Bankverbindung in Berlin bedienen dürfen. Sollte das Berufungsgericht dieser Rechtsmeinung gewesen sein, vermag sie das Revisionsgericht nicht zu teilen. Durch die Übergabe des Schecks an die Bank hat sich Richard K. damit einverstanden erklärt, daß dieser Scheck im Girowege auf dem für diese Bank üblichen Wege eingelöst wird. Die Klägerin hatte sich daher des ihr zur Verfügung stehenden Gironetzes zu bedienen und war schon aus diesem Gründe berechtigt, zur Erfüllung des Inkassoauftrages sich ihrer Bankverbindung in Berlin, bei welcher Bank sie ein Konto hatte, zu bedienen. Es kann bei dieser Art der Einlösung daher für die Bank eine Haftung und damit eine Schadenersatzverpflichtung nicht begrundet werden.
Das Berufungsgericht wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund über die Berufung der Beklagten neuerlich zu entscheiden haben.
Anmerkung
Z27295Schlagworte
Bank Verlust durch Kriegsereignisse, Inkasso eines Schecks, Kriegsereignisse, Verlust eines Schecks durch -, Rückbuchung eines verlorenen Schecks, Scheck, Verlust durch KriegsereignisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00747.54.1117.000Dokumentnummer
JJT_19541117_OGH0002_0030OB00747_5400000_000