TE OGH 1954/12/3 2Ob876/54

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Veröffentlicht am 03.12.1954
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Norm

ABGB §833
JN §1

Kopf

SZ 27/310

Spruch

Der Verwalter der Liegenschaft, also auch der Mehrheitseigentümer, der die Verwaltung besorgt, kann die Durchführung seiner Anordnungen im Rahmen der ordentlichen Verwaltung gegenüber dem Minderheitseigentümer durch Klage erzwingen.

Entscheidung vom 3. Dezember 1954, 2 Ob 876/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Parteien sind Miteigentümer der Liegenschaft Wien, XVII., D.- Straße 64, der Kläger zu zwei Drittel und der Beklagte zu einem Drittel. Sie wohnen beide auf dieser Liegenschaft. Dazu gehört ein größerer Garten. Der Kläger bringt vor, als Mehrheitseigentümer bereits jahrelang die Liegenschaft zu verwalten. Der Beklagte habe vor rund eineinhalb Jahren einen Schäferhund angeschafft, der durch unbeaufsichtigtes Umherlaufen im Garten im abgelaufenen Jahre unfangreiche Beschädigungen verursacht habe. Die Beseitigung der Schäden habe einen Aufwand von 960.60 S erfordert. Den Betrag von

960.60 S, den er vom Beklagten für die Beseitigung dieser Schäden gefordert habe, habe der Beklagte auch bezahlt. Mit Rücksicht auf die durch den Hund des Beklagten verursachten immer größer werdenden Beschädigungen des Gartens habe der Kläger in seiner Eigenschaft als Mehrheitseigentümer den Beklagten mehrere Male mündlich und später auch schriftlich durch seinen Rechtsanwalt aufgefordert, den Hund nur beaufsichtigt den Garten benutzen zu lassen. Diese Anweisung, die er als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung durchgeführt habe, sei vom Beklagten unbeachtet geblieben. In der Streitverhandlung hat der Kläger noch vorgebracht, daß beim gemeinsamen Erwerb des Gartens durch die Parteien übereinstimmend festgelegt worden sei, daß dieser nur als Ziergarten zu dienen habe; das Klagebegehren - es lautet auf die Verurteilung des Beklagten, die unbeaufsichtigte Benützung des zur genannten Liegenschaft gehörigen Gartens durch den ihm gehörigen Schäferhund zu unterlassen und nur die hiefür vorgesehenen Wege zu benützen - sei dahin aufzufassen, daß es sich hiebei um eine Maßnahme zur Erhaltung und Verwaltung des Gartens handle, welche im Rahmen der ordentlichen Hausverwaltung getroffen worden sei.

Der Beklagte hat zunächst Unzulässigkeit des Rechtsweges geltend gemacht, da mit dem Klagebegehren die Regelung der gemeinsamen Eigentumsverhältnisse nach § 834 ABGB. verlangt werde. Es sei nicht das Wesen eines Ziergartens, daß dessen Eigentümer ihn in einem geringeren Maße als einen öffentlichen Garten benützen könne. Im übrigen werde bestritten, daß vereinbart worden sei, daß dieser Garten nur als Ziergarten zu benützen sei. Es liege nicht im Rahmen der ordentlichen Hausverwaltung, den Mieteigentümer in derart empfindlicher Weise in seinem Eigentum zu beschränken. Im übrigen hat der Beklagte die Klagsabweisung beantragt und ausgeführt, daß der Hund in den streitgegenständlichen Garten immer nur unter Aufsicht einer erwachsenen Person komme. Seit Mitte Juni 1954 befinde sich der Hund in G. und werde dort bis gegen Mitte September 1954 bleiben. Der Beklagte behalte sich vor, den Kläger wegen schikanöser Klageführung zu belangen.

Das Erstgericht hat auf Grund des beiderseitigen Vorbringens der Parteien der vom Beklagten erhobenen Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges Folge gegeben und "die Klage der offenbar nicht unzuständigen hiergerichtlichen Außerstreitabteilung abgetreten" (bei letzterem Ausspruch hat es übersehen, daß, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Sonderbestimmungen, die Überweisung von Klagen, denen der ordentliche Rechtsweg versagt ist, in das außerstreitige Verfahren unzulässig ist; vgl. 3 Ob 90/48). Das Erstgericht hat seinen Beschluß damit begrundet, daß es sich um eine Maßnahme zur grundsätzlichen Regelung der Benützung der gemeinsamen Sache durch die Miteigentümer handle, da die durch die Anschaffung des Schäferhundes seitens des Beklagten geänderten Verhältnisses eine Neuregelung der Benützung erfordern. Eine solche grundsätzliche Regelung sei aber nicht als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung anzusehen. Deshalb sei die Entscheidung über die gegenständliche Frage nicht gemäß § 833 ABGB. dem Mehrheitseigentümer anheimgestellt. Es sei die Vorschrift des § 835 ABGB. anzuwenden und die Rechtssache mangels Einigung der Miteigentümer an den Außerstreitrichter zu verweisen. Eine die Parteien bindende Vereinbarung stunde der rechtsgestaltenden Verfügung des Außerstreitrichters allerdings entgegen, doch könnte sich die vom Kläger behauptete Vereinbarung, die übrigens unwahrscheinlich sei, nicht auf die gegenständliche Frage beziehen, da durch die Anschaffung des Hundes seitens des Beklagten neue Umstände geschaffen worden seien.

Dem Rekurse des Klägers hat das Rekursgericht Folge gegeben, den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und dem Erstgerichte nach Rechtskraft seines Beschlusses die Fortsetzung der Verhandlung aufgetragen. Das Rekursgericht hat ausgeführt, daß es sich im vorliegenden Klagebegehren nicht um eine Neuregelung des Miteigentumsverhältnisses handle, wenn auch die vom Kläger in der Streitverhandlung behauptete Vereinbarung nicht als Grundlage für das Begehren angesehen werden könne, da die Widmungsvereinbarung bezüglich des Gartens nicht eine fortdauernde Regelung über das Miteigentumsverhältnis bei Entstehung einer neuen Sachlage darstellen könne. Der Kläger habe durch sein Urteilsbegehren nicht in Rechte des Beklagten, sich überhaupt einen Hund zu halten, eingegriffen oder ein derartiges Verbot von ihm erzwingen wollen. Er habe nur die Einhaltung von Verwaltungsmaßnahmen, die jeder Mehrheitseigentümer aufstellen könne, verlangt. Da die Beaufsichtigung eines Hundes in einem Garten in die Verwaltungsbefugnis jedes Hauseigentümers falle und durch Hausordnungsbestimmung üblicherweise geregelt werde, sei nicht einzusehen, warum der Mehrheitseigentümer nicht auch eine solche Verwaltungsbefugnis durchsetzen könnte. Es müsse auch ihm das Recht zustehen, dem Minderheitseigentümer gegenüber im Falle der Anschaffung eines Hundes durch den letzteren zu verlangen, daß das Tier den Hausordnungsvorschriften gemäß gehalten werde. Es handle sich bei der Frage, wie ein Hund in einem Hausgarten gehalten werde, nicht um eine nach § 834 ABGB. zu beurteilende Frage, sondern um eine solche der ordentlichen Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache. Deshalb sei der Rechtsweg für dieses Verfahren zulässig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In diesem Verfahrensabschnitt, in dem lediglich die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges zur Erörterung steht, sind alle Ausführungen des Revisionsrekurswerbers über mutwillige und schikanöse Klagsführung seines Prozeßgegners und über die Absichten, die dieser mit der Klagsführung verbindet, ohne Bedeutung. Denn in diesem Stadium des Verfahrens ist nicht zu prüfen, ob das Klagsbegehren sachlich begrundet sei oder nicht. Beachtlich sind nur jene Ausführungen, worin der Revisionsrekurswerber darzulegen versucht, daß über den Antrag seines Gegners im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sei. Er bringt zwar vor, daß der Kläger zwei Drittel Miteigentümer sei, während er selber nur Eigentümer des letzten Drittels der Liegenschaft sei, und er gibt auch zu, daß der Kläger "die laufende Verwaltung der Liegenschaft ausübe", rügt aber, daß das Rekursgericht "vor allem den wichtigen Umstand, daß sich die Maßnahmen gegen einen Miteigentümer richten", übersehen habe. Es müßte verneint werden, daß die Maßnahmen den Interessen des Beklagten als Miteigentümers der Liegenschaft dienen. Maßnahmen zur grundsätzlichen Regelung der Benützung seien nicht als ordentliche Verwaltung (im Sinne des § 833 ABGB.) anzusehen. Der Begriff der ordentlichen Verwaltung müsse dann, wenn die Rechte eines Miteigentümers in Frage stunden, besonders eng interpretiert werden, weil es nicht angehe, daß ein Miteigentümer "unter dem Deckmantel der ordentlichen Verwaltung" in seinen Rechten geschmälert werde.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Zutreffend hat das Rekursgericht dargelegt, daß der Kläger mit seinem Begehren nur die Einhaltung von Verwaltungsmaßnahmen verlange, die jeder Mehrheitseigentümer aufstellen könne. Diese Ansicht wird durch die Lehre (vgl. Klang, in dessen Kommentar 2. Aufl. zu § 833, S. 1110) bestätigt, wonach Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung alle jene dem Zweck der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienenden Verfügungen sind, die sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweisen, im wesentlichen den Interessen aller Miteigentümer dienen und keine besonderen Kosten erfordern. Von einer grundsätzlichen Regelung der Benützung der Liegenschaft, die der Kläger anstrebe, kann nach seinem Vorbringen, das für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges maßgeblich ist (vgl. SZ. XXIII/81, SZ. XIX/199 u. a. m.), nicht die Rede sein. Wenn der Revisionsrekurswerber in der Maßnahme eine "wichtige Veränderung" im Sinne des § 834 ABGB. deshalb erblicken will, weil dadurch seine Interessen beeinträchtigt würden, dann kann dieser Auffassung schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es nach der obigen Begriffsbestimmung der Lehre auf die Interessen aller Miteigentümer, also vorliegendenfalls beider Parteien, ankommt, die zweifellos durch die Maßnahmen des Klägers gefördert werden; es soll doch dadurch der Beschädigung des zur gemeinsamen Liegenschaft gehörigen Gartens vorgebeugt werden (selbst der Revisionsrekurswerber hat erklärt, - S. 24 -, zugeben zu müssen, daß sein Schäferhund Schaden im gemeinsamen Garten gestiftet habe). Verfehlt ist auch das Vorbringen des Revisionsrekurswerbers, daß das Rekursgericht übersehen hätte, daß sich die Maßnahmen gegen einen Miteigentümer richten. Denn die Erörterung des Rekursgerichtes beruht auf der Auslegung der Vorschriften der §§ 833 ff. ABGB. über die Rechte der Teilhaber in der gemeinschaftlichen Sache.

Wird aber festgehalten, daß eine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 833 Satz 2 ABGB. vorliegt, dann muß der Rechtsweg schon deswegen für zulässig angesehen werden, weil der Kläger auch nach dem Vorbringen des Revisionsrekurswerbers (S. 25) die Verwaltung der Liegenschaft ausübt und der Kläger als Teilhaber der Liegenschaft dabei dieselbe rechtliche Stellung hat, wie eine zur Verwaltung berufene dritte Person (vgl. Klang, a. a. O. zu § 837 S. 1120 f., sowie Ehrenzweig, Sachenrecht 1923 S. 154). Die Befugnisse eines Verwalters einer im Miteigentum mehrerer Personen stehenden Liegenschaft umfassen nämlich alles, was zur ordentlichen Verwaltung der gemeinsamen Sache gehört (vgl. Ehrenzweig, a. a. O., S. 154). Zu den Aufgaben des Verwalters gehört auch die Regelung des Gebrauches der gemeinsamen Sache durch die Miteigentümer, soweit nicht schon eine verbindliche Ordnung vorliegt (vgl. Klang, a. a. O., zu § 837, S. 1119) und es ist insbesondere auch anerkannt, daß der Verwalter die Durchführung seiner Anordnungen gegen einzelne Teilhaber durch Klage erzwingen kann (vgl. Klang, a. a. O., zu 837 S. 1120).

Der Hinweis des Revisionsrekurswerbers auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9. März 1937, SZ. XIX/76, greift deshalb nicht durch, weil die beabsichtigten Maßnahmen nicht als Neuregelung des Mitbenützungsrechtes an der gemeinschaftlichen Sache, ebensowenig aber als grundsätzliche Regelung ihrer Benützung aufzufassen sind, wie bereits oben dargelegt worden ist. Demgemäß müssen auch die vom Revisionsrekurswerber in diesem Zusammenhange abgeleiteten Folgerungen abgelehnt werden.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z27310

Schlagworte

Klage auf Durchsetzung der Verwaltungsanordnungen des Miteigentümers Liegenschaft Verwaltung durch Mehrheitseigentümer Miteigentum, Verwaltung, Klage Ordentliche Verwaltung Durchsetzung der Maßnahmen zur - Rechtsweg zur Durchsetzung der Verwaltungsanordnungen des Miteigentümers Verwaltung des Miteigentümers, Klageweg zur Erzwingung von Maßnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00876.54.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19541203_OGH0002_0020OB00876_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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