Norm
ABGB §1295Kopf
SZ 27/333
Spruch
Bei Vorhandensein eines Gehsteiges darf ein Fußgänger auf der Straße in der Längsrichtung nicht gehen. Tut er es dennoch, so begrundet dies im Falle eines Unfalles jedenfalls ein Mitverschulden.
Entscheidung vom 29. Dezember 1954, 2 Ob 958/54.
I. Instanz: Kreisgericht Krems; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Am 4. November 1951 wurde der Kläger auf der über den Hauptplatz in Sch. führenden Bundesstraße von einem vom Beklagten gelenkten Motorrade von rückwärts erfaßt und niedergestoßen. Beide Streitteile wurden verletzt. Neben der Fahrbahn befinden sich auf beiden Seiten Gehsteige.
Dieser Unfall hat sich auf der gepflasterten Straße in einer seitlichen Entfernung von 1.40 m vom rechten Pflasterrande in der Fahrt-, bzw. Gehrichtung der beiden Streitteile dadurch ereignet, daß der Kläger - der sich auf der gepflasterten Fahrbahn in der Längsrichtung bewegt hatte - einen Schritt nach links machte und dadurch von dem hinter ihm kommenden Motorrade des Beklagten angefahren wurde.
Der Erstrichter hat auf Grund dieses Sachverhaltes mit seinem Zwischenurteile ausgesprochen, daß sowohl der Anspruch des Klägers als auch der aufrechnungsweise eingewendete Anspruch des Beklagten grundsätzlich je zur Hälfte zu Recht bestehen, weil beide Teile am Unfalle annähernd gleiche Schuld tragen.
Dem Kläger wurde angelastet, daß er auf der Fahrbahn in der Längsrichtung ging und daß er außerdem plötzlich einen Schrit nach links gegen die Fahrbahnmitte zu machte, um einer Wasser lache auszuweichen, ohne die nötige Vorsicht im Straßenverkehr anzuwenden.
Dem Beklagten hingegen wurde angelastet, daß er bei ungünstigen Straßenbeleuchtungsverhältnissen nicht die Biluxbeleuchtung eingeschaltet hatte und den Kläger daher erst unmittelbar vor dem Unfall erblicken konnte.
Der Beklagte hat das erstgerichtliche Urteil unbekämpft gelassen.
Der Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht nicht Folge gegeben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Auszugehen ist nach den Feststellungen der Unterinstanzen davon, daß der bereits auf der gepflasterten Fahrbahn gehende Kläger plötzlich einen Schritt nach links gemacht hat, um einer Wasserlache auszuweichen und daß er dadurch mit dem Motorrade des Beklagten kollidierte.
Daß darin ein schwerwiegendes Verschulden des Klägers liegt, welches dem Verschulden des Beklagten mindestens gleich kommt, ist keinesfalls rechtsirrig.
Gemäß § 62 des Straßenpolizeigesetzes vom 12. Dezember 1946, BGBl. Nr. 46/1947, welches gemäß § 66 Abs. 1 l. c. für die Bundesstraßen als unmittelbar anzuwendendes Recht gilt, durfte der Kläger grundsätzlich auf der Fahrbahn in der Längsrichtung deshalb überhaupt nicht gehen, weil ein Gehsteig vorhanden war. Auch auf dem Gehsteig befindliche Wasserlachen berechtigten den Kläger nicht, die Fahrbahn längere Zeit zu benützen.
Wenn er dies aber dennoch tat, so mußte er umsomehr gemäß § 7 StPolG. Rücksicht auf den Straßenverkehr nehmen und die zur Wahrung der Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erforderliche Vorsicht und Aufmerksamkeit anwenden.
Dadurch, daß er, obwohl er entgegen den Bestimmungen des § 62 Abs. 1 StPolG. auf der Fahrbahn ging, plötzlich noch einen Schritt nach links machte, hat er gegen die angeführten Bestimmungen des Straßenpolizeigesetzes in grober Weise verstoßen. Sein Verschulden an dem von ihm durch seine Unvorsichtigkeit mitverursachten Unfall ist daher mit 50% keineswegs zu hoch angenommen worden.
Anmerkung
Z27333Schlagworte
Fußgänger auf Straße, Gehsteig, Fußgänger, Mitverschulden Fußgänger auf Straße, Straße, Fußgänger auf -, Verkehrsunfall, Fußgänger auf StraßeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0020OB00958.54.1229.000Dokumentnummer
JJT_19541229_OGH0002_0020OB00958_5400000_000