TE OGH 1955/5/4 7Ob220/55

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Veröffentlicht am 04.05.1955
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Norm

ABGB §181

Kopf

SZ 28/122

Spruch

Beachtlichkeit der Verweigerung der Einwilligung der unehelichen Mutter zur Adoption ihres Kindes.

Entscheidung vom 4. Mai 1955, 7 Ob 220/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der erstgerichtliche Beschluß hat die von der Kindesmutter Maria, G. zum Vertrag über die Annahme ihres am 10. Jänner 1947 außer der Ehe geborenen mj. Kindes Regine G. an Kindesstatt verweigerte Zustimmung durch das Vormundschaftsgericht ersetzt und den zwischen dem Städtischen Bezirksjugendamt für den III. Bezirk namens des Kindes einerseits und den Pflegeeltern Anton und Maria B. andererseits abgeschlossenen Vertrag, demzufolge die Minderjährige von den Pflegeeltern an Kindesstatt angenommen wird, vormundschaftsbehördlich genehmigt und gemäß § 181 ABGB. bestätigt. Aus der Aktenlage ergibt sich, daß das Kind laut dem vom Vormundschaftsgericht genehmigten Pflegschaftsvertrag vom 24. Mai 1947 mit Zustimmung der Mutter in Pflege des Kindesvaters Anton B. und dessen Gattin Maria B. gekommen ist und seither in deren Pflege und Erziehung steht. In der Folge trachtete die Kindesmutter, die Aufhebung des Pflegschaftsvertrages und die Übergabe des Kindes in ihre Pflege und Erziehung zu erreichen, hatte jedoch mit ihren Anträgen keinen Erfolg. Auch das Recht der Kindesmutter auf persönlichen Verkehr mit dem Kinde und die Ausübung des Besuchsrechtes waren Gegenstand wiederholter Entscheidungen. Am 12. September 1953 schloß das Bezirksjugendamt für den III. Bezirk als Amtsvormund der mj. Regine G. mit den Pflegeeltern einen Adoptionsvertrag. Mangels Zustimmung der Mutter zu diesem Vertrag stellte das Städtische Bezirksjugendamt für den III. Bezirk den Antrag, die Zustimmung der Kindesmutter durch das Gericht als Vormundschaftsbehörde zu ersetzen, den vorgelegten Adoptionsvertrag in Ansehung der Minderjährigen zu genehmigen und gemäß § 181 ABGB. zu bestätigen. Die Kindesmutter begrundete ihre ablehnende Stellungnahme damit, daß sie nicht auf das ihr möglicherweise wieder zu übertragende Erziehungs- und Pflegerecht verzichten wolle. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Tatsache der Zustimmung der Kindesmutter schon bei Abschluß des Pflegschaftsvertrages zu einer allfälligen späteren Adoption nicht maßgeblich sei, weil die Adoption eines mj. Kindes auf jeden Fall der Zustimmung der Vormundschafts- oder Pflegschaftsbehörde bedürfe. Da der Adoptionsvertrag nicht zwischen ihr und den Pflegeeltern abzuschließen war, habe sich die Kindesmutter durch ihre im Jahre 1947 abgegebene Erklärung rechtlich nicht binden können. Es könne ihr daraus, daß sie ihr Kind seinerzeit aus der Hand gegeben habe, kein Vorwurf gemacht werden, denn damals sei sie Untermieterin in einem nicht heizbaren Kabinett gewesen und zudem in einem Hause, das durch Kriegseinwirkung arg beschädigt gewesen sei. Dagegen hätten die Eheleute B., denen die Kindesmutter das Kind zur Pflege und Erziehung überließ, schon damals über eine tadellose Wohnung und über Brennmaterial verfügt und auch sonst die Möglichkeit gehabt, das Kind entsprechend zu versorgen. Nachher habe sich die Kindesmutter energisch um die Rückgabe des Kindes bemüht, so daß ihr nicht nachgesagt werden könne, sie hätte sich um das Kind und dessen Schicksal nicht gekümmert oder das Kind, um sich ihrer Verpflichtungen als Mutter zu entledigen, anderen Personen überlassen. Der Pflegevertrag vom Jahre 1947 sei noch immer aufrecht und könne auch nicht aufgehoben werden, weil gegen die Pflegeeltern in keiner Hinsicht Bedenken bestehen, das Kind vielmehr bei ihnen gut aufgehoben sei. Wenn bedacht werde, daß das Kind schon die Schule besuche, so sei die schon im Pflegevertrag in Aussicht genommene Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern für die Rechte des Kindes und die Stabilisierung des derzeitigen Pflegeverhältnisses von größter Bedeutung. Da lediglich die Interessen der Minderjährigen und nicht jene der Mutter für die Entscheidung der Adoptionsfrage bestimmend seien, habe das Vormundschaftsgericht die nicht erteilte Zustimmung der Mutter zum Adoptionsvertrag ersetzen und bei Vorliegen aller sonst vom Gesetze geforderten Voraussetzungen für eine gültige Adoption den Vertrag genehmigen und die Adoption bestätigen müssen.

Auf den Rekurs der Kindesmutter änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne der Abweisung des Antrages der gesetzlichen Vertretung des Kindes auf Genehmigung und Bestätigung der Adoption und auf Ersetzung der Zustimmung der Mutter des zu adoptierenden Kindes durch das Vormundschaftsgericht ab. Der Beschluß führte aus, daß die mangelnde Zustimmung der Mutter vom Vormundschaftsgerichte nur ersetzt werden könne, wenn die Einwilligung ohne hinreichende Gründe versagt werde. Die Kindesmutter weise ständig darauf hin, daß sie ausschließlich infolge der in der Nachkriegszeit herrschenden Verhältnisse im Interesse des Kindes genötigt gewesen sei, das Kind in die Pflege seines außerehelichen Vaters zu geben. Es möge dahingestellt bleiben, ob sie sich damals, als sie dem Pflegschaftsvertrag vom 24. Mai 1947 ihre Zustimmung erteilte, der Tragweite ihres Entschlusses bewußt gewesen sei. Wenn sie sich im Pflegschaftsvertrag mit der Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern einverstanden erklärt habe, könnten diese daraus rechtliche Folgerungen gegen die gegenwärtige Weigerung der Kindesmutter nicht ableiten. Es dürfe nicht übersehen werden, daß mit der Adoption der Minderjährigen praktisch die persönlichen Beziehungen zwischen Mutter und Kind zumindest auf längere Zeit ein Ende fänden, da das Kind durch die Adoption unter die väterliche Gewalt seines Wahlvaters trete und diesem damit die Möglichkeit an die Hand gegeben sei, die Mutter vom persönlichen Verkehr mit dem Kinde auszuschließen. Der Adoptionsvertrag enthalte keine Regelung in der Richtung, daß der Mutter auch in Zukunft ein Besuchsrecht zustehen müsse. Dies führe aber dazu, daß die Kindesmutter ihr Kind nunmehr zur Gänze verliere, nachdem sie es schon mit dem Pflegschaftsvertrag zu einem guten Teil aus der Hand gegeben habe. Der Bericht der Jugendgerichtshilfe bezeichne es als sehr wahrscheinlich, daß das Einverständnis der Mutter zum Pflegschaftsvertrag durch die äußeren Umstände und ihre eigene Erkrankung abgenötigt worden sei. Wenn die Kindesmutter sich gegen eine weitere Entziehung des Kindes zur Wehr setze, so müsse angesichts der Umstände, die zum Abschluß des Pflegschaftsvertrages führten, und mit Rücksicht auf die Bestrebungen der Mutter zur Rückgewinnung des Kindes ihrer Weigerung, dem Adoptionsvertrag zuzustimmen, Beachtlichkeit zuerkannt werden. Die Interessen des Kindes seien kaum gewahrt, wenn es seiner Mutter nicht nur entzogen, sondern auch entfremdet werde.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Städtischen Bezirksjugendamtes für den III. Bezirk als Amtsvormund, in dem geltend gemacht wird, daß die Behauptung der Kindesmutter von einem Zwang zur Überlassung des Kindes an den Vater keinesfalls den Tatsachen entspreche, zumal eine Überstellung des Kindes in Gemeindepflege ohne weiteres möglich gewesen wäre. Die Kindesmutter sei seinerzeit auf die ihr daraus entstehenden Beschränkungen ihrer mütterlichen Rechte aufmerksam gemacht und ihr eine längere Bedenkzeit eingeräumt worden. Nichtsdestoweniger habe sie sich bereits nach wenigen Tagen an den Amtsvormund gewendet und diesen um Vornahme des Pflegewechsels ersucht. Allerdings sei schon damals vermutet worden, daß die Kindesmutter mit der Unterbringung des Kindes beim Vater die Absicht verfolgt habe, zu ihm in engere Beziehungen zu treten. Da sich der Kindesvater jedoch um sie weniger kümmerte, hätten die Schwierigkeiten begonnen. Die Kindesmutter habe das Eheleben der Pflegeeltern gestört, sich nicht an das vormundschaftsbehördlich geregelte Besuchsrecht gehalten und sich über getroffene Fürsorgemaßnahmen hinweggesetzt. Wegen Verweigerung der Rückgabe des Kindes nach einem Besuch bei ihr an die Pflegeeltern habe das Kind durch gerichtliche Intervention der Kindesmutter abgenommen werden müssen. Im übrigen habe die Kindesmutter von dem ihr zustehenden Besuchsrecht nur dann Gebrauch gemacht, wenn ihr das Kind vom Pflegevater zugeführt wurde. Für Geburts-, Namenstags- und Weihnachtsgeschenke an das Kind habe die Mutter nichts übrig gehabt, wie auch auf Seite des Kindes zur Mutter, die es nur mit "Tante" anrede, keinerlei Bindung bestehe. Dagegen hänge die Minderjährige mit großer Liebe an den Pflegeeltern wie auch die Pflegeeltern an ihr. Sie werde sehr gut erzogen und gepflegt, so daß die geplante Adoption dem Kinde nur zum Vorteile gereiche. Die Pflegeeltern verfolgten mit der Adoption keineswegs die Absicht, der leiblichen Mutter ihr Kind vorzuenthalten, sondern seien bereit, ihr weiterhin das Besuchsrecht einzuräumen, sofern sie die Pflege und Erziehung des Kindes nicht störe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Städtischen Bezirksjugendamtes für den III. Bezirk nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst mag auf die zutreffende, durch die Ausführungen des Revisionsrekurses nicht widerlegte Begründung des rekursgerichtlichen Beschlusses verwiesen werden, der mit Bezug auf den Beschwerdeinhalt nur folgendes beigefügt sei:

In seiner Entscheidung 3 Ob 87/55 hat der Oberste Gerichtshof erkannt, daß durch die Adoption die persönlichen Beziehungen der Mutter zu ihrem Kinde aufs tiefste berührt werden. Das Einwilligungsrecht der Mutter ist kein Ausfluß elterlicher Gewalt, sondern eine Rechtsfolge des natürlichen Verwandtschaftsverhältnisses. Wenn sich die Mutter auf diese natürliche Bindung beruft, verweigert sie ihre Einwilligung nicht grundlos. Diese Überlegungen gelten auch für den vorliegenden Fall. Der Aktenlage läßt sich nicht entnehmen, daß die Kindesmutter das Kind nach der Geburt leichtfertig aus der Hand gab, auch nicht, daß sie um das Schicksal des Kindes unbesorgt war; vielmehr zeigt die Entwicklung der Ereignisse seit der Überantwortung des Kindes in die Obsorge der Pflegeeltern, daß sie ihren Schritt (Zustimmung zum Pflegschaftsvertrag) längst bereut und keine Mühe um die Rückgewinnung des Kindes gescheut hat. Gewiß hat sie sich mehrfacher Verletzungen der Besuchsregelung schuldig gemacht und war auch in der Wahl der Mittel zur Erreichung ihres Zieles mitunter frei von Bedenken, doch ist dies noch kein Beweis gegen die Annahme, daß sie mit großer Liebe an ihrem Kinde hängt. Wenn auch kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß das Vorhaben der Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern im jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließlich lauteren Beweggrunden entspringt, so mag doch nach allem Vorgefallenen in der Kindesmutter der Eindruck entstehen, als ginge es den Pflegeeltern bei der beabsichtigten Maßnahme um die gänzliche Ausschaltung der Kindesmutter vom Verkehr mit dem Kinde. Bei aller Anerkennung der bisherigen Leistungen der Pflegeeltern für das Kind können die natürlichen Beziehungen des Kindes zu seiner Mutter und umgekehrt nicht außer Betracht bleiben. Zwischen dem Wohl des Kindes, das sicherlich bei allen Maßnahmen, die die Pflege und Erziehung betreffen, in erster Linie Rücksicht heischt, und jenem der Kindesmutter besteht gegebenenfalls eine gewisse Wechselbeziehung. Wird den Anträgen des Amtsvormundes stattgegeben, so besteht die Gefahr, daß die Atmosphäre um das Kind nicht nur nicht beruhigt, sondern die ohne dies seelisch etwas labile Kindesmuter in eine noch schärfere Kampfstimmung getrieben und damit erst recht keine Stabilisierung der Verhältnisse erreicht wird. Nicht mit Unrecht stellt der Bericht der Jugendgerichtshilfe vom 25. Mai 1954 die Überlegung heraus, daß die Durchführung der Adoption auf jeden Fall mit Schwierigkeiten für das Kind verbunden sein würde, da die Reaktionen der Kindesmutter nicht abgeschätzt werden könnten. Auch die Jugendgerichtshilfe ist der Meinung, daß es im Hinblick auf den jahrelangen Kampf der Kindesmutter gegen den Pflegschaftsvertrag nicht wohl angehe, ihren Einspruch gegen die Adoption völlig zu ignorieren. Der Revisionsrekurs sieht die Abfolge der bisherigen Ereignisse zu sehr aus der Perspektive der Pflegeeltern und kommt deshalb zu einer härteren Beurteilung des bisherigen Verhaltens der Kindesmutter. Der wohltätige Schein eines ehelichen Kindes kann auch durch andere Maßnahmen als jene der Kindesannahme erreicht werden. Da die Pflegeeltern bis auf ihr Arbeitseinkommen mittellos sind, ist auch vom Standpunkt des Wohles des Kindes zwischen der Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes und jenem nach einer Kindesannahme kein wesentlicher Unterschied zu erkennen.

Unter den geschilderten Umständen kann somit nicht gesagt werden, daß die Kindesmutter ihre Einwilligung ohne triftigen Grund verweigert.

Anmerkung

Z28122

Schlagworte

Adoption, Einwilligung der a. e. Mutter, Annahme an Kindes Statt, Einwilligung der a. e. Mutter, Einwilligung der a. e. Mutter zur Adoption

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0070OB00220.55.0504.000

Dokumentnummer

JJT_19550504_OGH0002_0070OB00220_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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