TE OGH 1955/5/20 2Ob188/55

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Veröffentlicht am 20.05.1955
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Norm

ABGB §372
ABGB §1096
ABGB §1116a
Mietengesetz §19 Abs2 Z11
Reichsleistungsgesetz §5

Kopf

SZ 28/137

Spruch

Die Inanspruchnahme einer Wohnung nach dem Reichsleistungsgesetz steht der Fortsetzung des Mietverhältnisses durch die Angehörigen des Mieters nach dessen Tod nicht entgegen, wenn diese vor der Inanspruchnahme und beim Tod mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt gewohnt haben.

Entscheidung vom 20. Mai 1955, 2 Ob 188/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Robert K. war Mieter einer Wohnung im Hause Klagenfurt, E.-Straße Nr. 46, in der er mit seiner Gattin, der Klägerin, wohnte. Mit Bescheid des Magistrates (Wohnungsamtes) Klagenfurt vom 4. September 1946 wurde gemäß § 5 RLG. gegenüber Robert K. als Leistungspflichtigem diese Wohnung zur einstweiligen Unterbringung der Frau Cäcilia A. in Anspruch genommen. Robert K. und die Klägerin wurden ebenfalls auf Grund des Reichsleistungsgesetzes in das Haus F.-Steig Nr. 31 eingewiesen. Die Beklagte, die das Haus Klagenfurt, E.-Straße 46, im Dezember 1952 gekauft hatte, hat mit Frau A. am 26. Oktober 1953 vereinbart, daß ihr diese die von ihr benützte Wohnung Zug um Zug gegen Zurverfügungstellung einer anderen Wohnung im selben Hause überlasse. Sie hat im Hinblick auf die der Frau A. zur Verfügung gestellte Ersatzwohnung am 9. September 1954 den Widerruf der Anforderung (Inanspruchnahme) nach dem Reichsleistungsgesetz und auf Grund dieser Umstände das in Rechtskraft erwachsene, Frau A. zur Räumung der eingangs erwähnten Wohnung verpflichtende Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 20. September 1954 erwirkt. Eine von der Beklagten im Hinblick auf das Ableben des Robert K. im Jahre 1948 gegen die Klägerin, eingebrachte Aufkündigung wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 10. August 1954 aufgehoben.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin als Mieterin von der Beklagten als Vermieterin die Übergabe der Wohnung.

Das Erstgericht hat im Sinne des Klagebegehrens erkannt.

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Robert K. hat seine Rechte aus dem Mietvertrag durch die Inanpruchnahme der Wohnung für Frau A. auf Grund des Reichsleistungsgesetzes nicht verloren, sondern war nur als Leistungspflichtiger im Sinne des erwähnten Gesetzes an der Ausübung seiner Rechte für die Dauer dieser Inanspruchnahme verhindert. Wenn Frau A. auf Grund des gegen Robert K. wirkenden öffentlichrechtlichen Titels die von diesem gemietete Wohnung benützte, hat sie auf Grund dieses Titels seine Mietrechte sozusagen als seine Stellvertreterin ausgeübt, und es kann aus dieser dem Robert K. aufgezwungenen "Vertretung" gewiß nicht nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten erschlossen werden (§ 863 ABGB.), daß Robert K. sich durch die unvermeidliche Duldung dieser "Vertretung" seiner Rechte aus dem Mietvertrag begeben wollte. Hat Frau A. den Mietzins bezahlt, galt diese Zahlung als Mietzinszahlung des Robert K. Hätte weder Robert K. noch Frau A. den Mietzins bezahlt, wäre es dem Vermieter freigestanden, deshalb das Mietverhältnis mit Robert K. zur Auflösung zu bringen.

Aber auch durch den Tod des Robert K. ist der die gegenständliche Wohnung betreffende Mietvertrag nicht erloschen. Mietrechte sind keine durch den Tod des Mieters erlöschenden, höchstpersönlichen Rechte (§ 1116a ABGB.). Das Mietverhältnis wurde mit der Klägerin, der Ehegattin des verstorbenen Mieters, gemäß § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. fortgesetzt, da nicht behauptet wurde, daß diese binnen 14 Tagen nach dem Tode ihres Gatten dem Vermieter bekanntgegeben hätte, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetzen wolle. Der Oberste Gerichtshof hält an den bereits in 3 Ob 446/54 vertretenen Rechtsansicht fest, daß eine Inanspruchnahme der Wohnung nach dem Reichsleistungsgesetz der Fortsetzung des Mietverhältnisses durch die im § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. bezeichneten Angehörigen nicht entgegensteht, wenn sie bei Beginn dieser Inanspruchnahme mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben und mit dem Mieter auch zur Zeit seines Todes im gemeinsamen Haushalt wohnten, weil es unbillig wäre, diese Angehörigen, die schon durch die Wohnungsanforderung belastet sind, durch den Verlust der im § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. geregelten Sondernachfolge (im Falle, daß als Erben des verstorbenen Mieters andere Personen in Betracht kommen) weiter zu benachteiligen. Die Frage des dringenden Bedürfnisses dieser Angehörigen nach der Wohnung spielt nur im Falle einer Aufkündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG., nicht aber für die gedachte Sondernachfolge, eine Rolle. Schon weil deren Regelung aus Gründen der Rechtsicherheit nicht zu Zweifeln Anlaß geben darf, muß bei Haushaltsgemeinschaft auch ein dringendes Wohnungsbedürfnis dieser Angehörigen vermutet werden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin mit ihrem Gatten Robert K. im gemeinsamen Haushalt die gegenständliche Wohnung bis zu ihrer Anforderung nach dem Reichsleistungsgesetz bewohnt hat, erst in der Folge in das (für sie ebenfalls nach dem Reichsleistungsgesetz angeforderte) Haus F.-Steig Nr. 31 gezogen ist und dort den gemeinsamen Haushalt mit ihrem Gatten bis zu dessen Tode fortgesetzt hat.

In der Regel kann der Mieter vom Vermieter nicht die Entfernung des auf Grund eines gegen den Mieter als Leistungspflichtigen erlassenen Bescheides nach dem Reichsleistungsgesetz Eingewiesenen nach Wegfall des öffentlich-rechtlichen Titels verlangen. Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, der Vermieter (die Beklagte) unter Beiseiteschiebung des Mieters (der Klägerin) mit dem Eingewiesenen (Frau A.) einen Wohnungstausch vereinbart, und gegen ihn (Frau A.) einen Räumungstitel erwirkt, besteht kein Bedenken, den Eingewiesenen nach Wegfall seines Titels nicht anders als einen auf Grund einer Vereinbarung mit dem Vermieter die Wohnung Benützenden zu behandeln und den Vermieter zur Entfernung zu verpflichten.

Die Beklagte ist in Ansehung der gegenständlichen Wohnung der Klägerin sohin gemäß § 1096 Abs. 1 Satz 1 ABGB.

beschaffungspflichtig. Allenfalls bestehende Kündigungsgrunde stehen dieser Beschaffungspflicht vor der Aufkündigung nicht entgegen. Von (dauernder) Unmöglichkeit der Leistung kann bei dieser Beschaffungspflicht nicht gesprochen werden, da die Klägerin gegen Frau A. schon einen vollstreckbaren Räumungstitel erwirkt hat (Pisko - Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 546 zu § 1447 ABGB.).

Anmerkung

Z28137

Schlagworte

Inanspruchnahme einer Wohnung nach dem RLG., Einfluß auf das, Mietverhältnis, Mietrecht Inanspruchnahme nach dem RLG., Reichsleistungsgesetz, Inanspruchnahme einer Wohnung, Einfluß auf die, Mietrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0020OB00188.55.0520.000

Dokumentnummer

JJT_19550520_OGH0002_0020OB00188_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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