TE OGH 1955/5/25 1Ob251/55

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Veröffentlicht am 25.05.1955
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Norm

ABGB §861
ABGB §862
ABGB §863
Handelsgesetzbuch §362

Kopf

SZ 28/139

Spruch

Der Kaufmann hat durch Absenden der Ablehnungserklärung seine Antwortpflicht bereits erfüllt. Ist trotz ordnungsgemäßer Absendung die Erklärung dem Antragsteller nicht oder verspätet zugegangen, so liegt kein Schweigen vor.

Entscheidung vom 25. Mai 1955, 1 Ob 251/55.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei verlangt die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von 600.000 ffrs. samt 5% Zinsen seit 1. November 1951, und zwar zum amtlichen Kurs der Oesterreichischen Nationalbank an dem der Zahlung vorangehenden Tage auf ein mit Bewilligung der Oesterreichischen Nationalbank zu eröffnendes Sperrkonto bei dieser Bank in Wien. Sie behauptet, die beklagte Partei habe einen Kaufvertrag über Schnittholz nicht erfüllt, der durch die Annahme des Schlußbriefes der beklagten Partei vom 20. Juni 1951 durch das Schreiben der klagenden Partei vom 26. Juni 1951 zustandegekommen sei. Die beklagte Partei bestreitet das Zustandekommen des Kaufvertrages und beantragt Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

John F., Holzmakler, hat als Einkaufsvermittler für den Kläger die Lieferung von 150 m3 Fichten/Tannen-Holz im Juni 1951 mit der Beklagten besprochen und einen Schlußbrief entworfen.

Dieser lautete: "Hiemit bestätigen wir ihnen, durch Vermittlung der Firma John F., Wien, verkauft zu haben: zirka 150 m3 Fichten/Tannen-Schnittmaterial 73 X 218 mm bis 30% 73/148, 73/108, 63/175, möglichst gleichverteilt mitgehend. Längen: laut Anfall 3 - 6 m, höchstens 5/10% 3 und 3.50 m, mit dem Recht auch viel 4 m zu liefern. Preis: ab österreichischer Grenze Salzburg per m3 .......

13.500 ffrs. Lieferung: mit dem Einschnitt raschestens zu beginnen, die Ware wird 14 Tage bis 3 Wochen aufgestapelt, sodann verladen.

Versandadresse: geben sie uns auf. Zahlung: mittels unwiderruflichem Akkreditiv beim Bankhaus M.-L. & Co., Wien, I., R.-Straße 20, auszahlbar gegen Präsentierung von Fakturen, abgestempelten Frachtbriefduplikaten, nebst beiliegenden Aufmaßlisten, für jeden verladenen Waggon bar netto Kassa."

F. hat dieses Geschäft nicht abgeschlossen, sondern nur vermittelt. Der Abschluß konnte nur durch die Zustimmung des Klägers zu den mit dem Lieferanten (beklagte Partei) besprochenen Bedingungen zustandekommen. Die beklagte Partei hat den Schlußbrief dem Kläger mit dem Ersuchen übersandt, den Vertrag unterfertigt zurückzusenden. Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger mit seinem Schreiben vom 26. Juni 1951, womit er die darin bezeichneten Änderungen, weil sie in dem übersandten Kontrakt fehlen, verlangte und ersuchte, es möge umgehend der nach "obigen Angaben" abgeänderte Kontrakt übermittelt werden. Diese Änderungen lauten: "1. Die Qualitätsangabe: parallel besäumt, scharfkantig, sägefallende Ware I. - III. Klasse, österreichische Sortierung, garantiert; 60% I. - II. Klasse, frei von grober III. Klasse. 2. Nach der Stärkeangabe der Vermerk: Die Ware ist mit dem üblichen Übermaße in Stärke und Breite einzuschneiden."

Der Kläger sandte gleichzeitig den übersandten Schlußbrief vom 20. Juni 1951, allerdings nur das Exemplar, das er zu unterfertigen gehabt hätte, unterschrieben zurück. Er erstellte ein Akkreditiv über 2 Millionen ffrs., gültig bis 31. August 1951, in dem aber die vom Kläger gewünschten, von der Beklagten nicht angenommenen Lieferbedingungen enthalten waren. Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 6. Juli 1951 erklärt, daß sie zu den neuerlich angeführten Bedingungen nicht liefern könne. Die Beklagte hat nicht geliefert. Der Kläger urgierte erstmalig mit seinem Schreiben vom 9. Oktober 1951 die Lieferung, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 15. Oktober 1951 antwortete und darauf verwies, daß sie schon mit ihrem Schreiben vom 6. Juli 1951, das sie in Abschrift anschloß, erklärt habe, nicht liefern zu können.

Es ist üblich, das der Makler nur das Geschäft vermittelt, der Abschluß aber durch den Wechsel von Schlußbriefen erfolgt.

Unter der Qualität "Klasse 0-III" wird handelsüblich nach Madriers und Bastings mit einem Anteil von wenigstens 60% der Klasse I-II, der Rest Klasse III, gehandelt. Madriers hat handelsüblich das Ausmaß von 75 : 220, wogegen im Schlußbrief vom 20. Juni 1951 die Maße mit 73-218 angegeben sind.

Aus diesem Sachverhalt schloß das Erstgericht, daß der Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht zustandegekommen sei.

Der Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei ausgesprochen wurde, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Eine wesentliche Mangelhaftigkeit des erstrichterlichen Verfahrens fand das Berufungsgericht darin, daß der Prokurist der klagenden Partei nicht als Zeuge über die F. von der klagenden Partei angeblich gegebenen Aufträge zum Abschluß von Geschäften und darüber vernommen worden sei, daß die klagende Partei den Brief der beklagten Partei vom 6. Juli 1951 erhalten habe. Die Feststellung des Erstgerichtes, wonach es zwischen F. und der Beklagten nicht zu einem Geschäftsabschluß gekommen sei, könne daher das Berufungsgericht noch nicht übernehmen. Auch Josef E., dessen Verhältnis zur beklagten Partei ungeklärt geblieben sei, sei nicht darüber befragt worden, ob F. als Abschlußbevollmächtigter der klagenden Partei aufgetreten sei. Der Kaufvertrag sei spätestens durch den Wechsel der Schreiben vom 20. Juni 1951 und vom 26. Juni 1951 im Zusammenhalt mit der Akkreditiverstellung für die klagende Partei zustandegekommen. Daß in dem Schreiben vom 26. Juni 1951 die Klägerin die den Usancen entsprechende Beschreibung der Ware im Schlußbrief verlangt habe, könne nicht dahin ausgelegt werden, daß sie das Anbot vom 20. Juni 1951 nicht akzeptiert habe, sodaß erst ihr Schreiben vom 26. Juni 1951 als (neuerliche) Offerte anzusehen wäre. Die Annahme, daß ein Vertrag zustandegekommen sei, gelte aber nur für den Fall, daß nicht eine wahre Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Ausmaße (Übermaße) vorliege. Hiezu komme es auf die Details der Absprachen zwischen F. und E. an. Dafür sei es nicht entscheidend, ob F. abschlußbevollmächtigt gewesen sei. Er habe mindestens als Bote der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei gehandelt, welche die Botschaft durch das Schreiben vom 20. Juni 1951 grundsätzlich positiv beantwortet habe. Wenn das Geschäft zustandegekommen wäre, hätte die klagende Partei, falls sie das Schreiben vom 6. Juli 1951 erhalten habe, weit früher als drei Monate danach dem Beklagten bekanntgeben müssen, daß sie den Vertrag entgegen seinem Standpunkt als zustandegekommen betrachte. Andernfalls könne sie ihre Ansprüche daraus nach Treu und Glauben nicht mehr geltend machen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entgegen den Rekursausführungen ist der Zeuge H. auch zum "Beweis über die Aufträge, die seitens des Klägers dem F. zum Abschluß gegeben" wurden, geführt. Es trifft nun allerdings zu, daß selbst bei Bestand einer Abschlußvollmacht des F. dieser nicht davon Gebrauch gemacht haben müßte. Wenn aber das Berufungsgericht meint, daß der Umstand, ob F. Abschlußvollmacht gehabt habe, für die Beweiswürdigung hinsichtlich der Absprachen des F. mit der beklagten Partei von Bedeutung sein könne, so handelt es sich damit um eine Frage der durch den Obersten Gerichtshof nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung, so daß ihm schon aus diesem Gründe nicht - wie die beklagte Partei will - damit entgegengetreten werden kann, daß die Vernehmung des Zeugen H. nicht mehr erforderlich sei, weil der Sachverhalt ohnedies durch die Aussage des Zeugen F. voll geklärt sei. In dieser Beziehung muß es daher bei der vom Berufungsgericht angeordneten Vernehmung des Zeugen H. und auch des Josef E. bleiben, dessen Stellung im Prozeß - worauf das Berufungsgericht mit Recht hinweist - noch aufklärungsbedürftig ist.

Dagegen ist der rekurswerbenden Partei zuzustimmen, wenn sie die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes bekämpft, daß durch den Wechsel das Schreiben vom 20. Juni 1951 und vom 26. Juni 1951 der Kaufvertrag zustandegekommen sein könnte. Hier verweist die beklagte Partei mit Recht darauf, daß sie in ihrem Schreiben, mit dem sie den von ihr unterfertigten Schlußbrief in doppelter Ausfertigung übersandte, ausdrücklich ersuchte, ihr "ein Exemplar dieses Vertrages unterzeichnet retournieren zu wollen". Die rechtliche Beurteilung dieses Urkundentextes ergibt, daß die beklagte Partei sich für den Abschluß des Kaufvertrages die Schriftform vorbehalten hat, wozu zu vermuten ist, daß sie vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollte (§ 884 ABGB.; Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 154; Reichsgerichtsrätekommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. III S. 391 Anm. 84). Dieses Ergebnis entspricht nicht nur dem Gesetzestext, sondern auch der Parteienansicht beim Austausch von Schlußbriefen, die eben dahin geht, die Vertragsbedingungen schriftlich durch beide Parteien im Interesse der möglichsten Rechtssicherheit festzulegen. Diesem Zweck wäre nicht entsprochen, wenn zwar eine Partei - hier der Beklagte - ihr Schlußbriefexemplar unterschrieben hat, die andere Partei aber diese Unterschrift nicht leistet, weil sie weitere - vielleicht nur klarstellende - Zusätze im Schlußbrief wünscht. In diesem Fall ist eben die vom Schlußbriefübersender verlangte und damit zur Vertragsbedingung gemachte Schriftform nicht hergestellt und damit der Vertrag noch nicht gültig zustandegekommen. Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß - sofern nicht der Kaufvertrag zwischen F. als Abschlußbevollmächtigtem der klagenden Partei und Josef E. für die beklagte Partei mündlich zustandegekommen sein sollte, zu welcher Frage nach Auffassung des Berufungsgerichtes noch weitere Beweiserhebungen erforderlich sind - durch den Briefwechsel zwischen den Parteien vom 20./26. Juni 1951 ein Vertrag mangels Erfüllung der Schriftform durch Unterfertigung des Schlußbriefes seitens der klagenden Partei nicht zustande gekommen ist. Die vom Berufungsgericht vermißten Beweiserhebungen über die Details der Absprache zwischen F. und E. sind daher - die Frage, ob es nicht zum Vertragsabschluß mit F. als Abschlußbevollmächtigtem kam, vorbehalten - als unerheblich nicht erforderlich.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß der Brief der klagenden Partei vom 26. Juni 1951 keine Annahmeerklärung, sondern ein neues Vertragsanbot darstellte. Dieses Schreiben vom 26. Juni 1951 enthält nun die ausdrückliche Wendung: "Sie möchten uns also umgehend den nach obigen Angaben abgeänderten Kontrakt übermitteln." Daraus folgt, daß auch in diesem Schreiben die klagende Partei an der Einhaltung der Schriftform als Gültigkeitsbedingung des Vertrages festhält. Bei dieser Auffassung auch der der klagenden Partei könnte selbst einem allfälligen Schweigen der beklagten Partei nicht die Bedeutung beigelegt werden, daß dadurch der Vertrag, wie von der klagenden Partei im Schreiben vom 26. Juni 1951 vorgeschlagen, zustandegekommen wäre. Damit würde die klagende Partei von ihrer eigenen, in dem Schreiben vom 26. Juni 1951 ausgesprochenen Auffassung abweichen, daß zum Zustandekommen des Vertrages die Schriftform erforderlich sei. Mit einer solchen Meinungsänderung brauchte aber die beklagte Partei nicht zu rechnen; sie hätte sich vielmehr darauf verlassen können, daß die klagende Partei eben davon ausgehe und dabei bleibe, daß eine Bindung erst durch Übermittlung des "Kontraktes" erfolge, so daß eine Antwort der beklagten Partei nicht erforderlich gewesen wäre und aus einem Schweigen nicht nach Treu und Glauben die Zustimmung der beklagten Partei abgeleitet werden könnte (Reichsgerichtsrätekommentar zum HGB., 1. Aufl. Anhang zu § 372, Anm. 38 c, 38 e).

Davon abgesehen, hat aber das Erstgericht ohnedies festgestellt, daß die beklagte Partei mit ihrem Schreiben vom 6. Juli 1951 der klagenden Partei erklärt hat, sie könne zu den neuerlich angeführten Bedingungen nicht liefern. Die Richtigkeit dieser Feststellung zieht das Berufungsgericht nicht in Zweifel, sondern nur den Umstand, ob dieser Brief bei der klagenden Partei eingelangt sei. Hiezu ist aber in rechtlicher Beziehung klarzustellen, daß der Kaufmann seine Antwortpflicht bereits erfüllt hat, wenn er die Ablehnungserklärung abgesandt hat. Ist trotz ordnungsgemäßer Absendung die Erklärung dem Antragsteller nicht oder verspätet zugegangen, so liegt kein Schweigen vor (Reichsgerichtsrätekommentar zum HGB., 2. Aufl. III S. 400 Anm. 13; Gessler - Hefermehl - Hildebrandt - Schröder, HGB., 2. Aufl. 2. Band S. 1182 Anm. 11, mit weiteren Zitaten).

Aus diesen rechtlichen Erwägungen haben daher auch Beweiserhebungen darüber, ob der Brief vom 6. Juli 1951 bei der klagenden Partei eingelangt ist, als unerheblich zu unterbleiben.

Da die Notwendigkeit der vom Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzung durch Vernehmung der Zeugen H. und E. darüber, ob mit F. als Abschlußbevollmächtigtem des Klägers der Vertrag nicht schon mündlich zustandegekommen ist, vom Obersten Gerichtshof nicht nachgeprüft werden kann, mußte es aus diesem Gründe bei der Aufhebung des Ersturteiles bleiben.

Anmerkung

Z28139

Schlagworte

Ablehnungserklärung, Antwortpflicht eines Kaufmannes, Absenden der Ablehnungserklärung, Antwortpflicht, Antwortpflicht eines Kaufmannes, Ablehnungserklärung, Kaufmann, Antwortpflicht, Schweigen, Antwortpflicht eines Kaufmannes, Stillschweigen, Antwortpflicht eines Kaufmannes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0010OB00251.55.0525.000

Dokumentnummer

JJT_19550525_OGH0002_0010OB00251_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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