TE OGH 1955/6/15 3Ob289/55

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Veröffentlicht am 15.06.1955
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Norm

Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §2 Abs2
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 11

Kopf

SZ 28/160

Spruch

Die Haftung des Handelnden nach § 2 Abs. 2 GesmbHG. kann nur dann geltend gemacht werden, wenn die GesmbH. nach der Eintragung die Genehmigung des Vertrages verweigert.

Es ist nicht mehr erforderlich, daß die GesmbH. nach der Eintragung den Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt; es genügt, wenn sie die Genehmigung nicht verweigert.

Entscheidung vom 15. Juni 1955, 3 Ob 289/55.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht erkannte den Beklagten auf Grund des § 2 Abs. 2 GesmbHG. schuldig, dem Kläger den von ihm mittels Klage geforderten Betrag von 60.000 S samt Nebengebühren zu bezahlen. Es stellte fest, der Beklagte habe namens der in Gründung begriffenen Z. GesmbH. das streitgegenständliche Darlehen zur Zahlung übernommen, das der Kläger dem Ing. K. gewährt hatte, und es habe der Kläger damals keine Kenntnis davon gehabt, daß die GesmbH., als deren Geschäftsführer der Beklagte ohne irgend eine Einschränkung seiner Befugnisse aufgetreten ist, im Handelsregister noch nicht eingetragen war.

Der gegen dieses Urteil vom Beklagten erhobenen Berufung wurde vom Berufungsgericht nicht Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beiden Untergerichte gehen von der Feststellung aus, daß der Beklagte namens der in Gründung befindlichen Firma "Z. GesmbH." vor der Eintragung in das Handelsregister die Haftung für eine Darlehensschuld gegenüber dem Kläger übernommen habe, dem in diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, daß die Gesellschaft noch nicht registriert sei. Die Registrierung der Gesellschaft erfolgte erst nach Abschluß dieses Vertrages vom 20. November 1952. Nach der Eintragung wurden Zinsenzahlungen, aber keine Kapitalsrückzahlungen an den Kläger geleistet, im Jänner 1953 wurden auch die Zinsenzahlungen eingestellt. Erst nach diesem Zeitpunkt erfuhr der Kläger, daß im Zeitpunkte des Vertragsabschlusses die genannte GesmbH. noch nicht registriert war. Er verlangt daher vom Beklagten, der bei der Registrierung als alleiniger Geschäftsführer der GesmbH. eingetragen wurde, als von dem für die in Gründung befindliche GesmbH. Handelnden auf Grund des § 2 Abs. 2 GesmbHG. Zahlung. Beide Unterinstanzen haben den Beklagten verurteilt; es komme nach österreichischem Recht im Gegensatz zur deutschen Rechtsprechung nur darauf an, ob dem Gegner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gewesen sei, daß die GesmbH. erst in Gründung befindlich sei. Die angeblich herrschende entgegengesetzte deutsche Auffassung, daß im Falle der Genehmigung durch die GesmbH. nach der Registrierung die Haftung des Handelnden erlösche, lehnten beide Unterinstanzen übereinstimmend ab.

Es ist richtig, daß die überwiegende Praxis des Obersten Gerichtshofes vor der Einführung des deutschen Handelsgesetzbuches von der von den Untergerichten vertretenen Rechtsauffassung ausgegangen ist (insbesondere SZ. VIII 159), während das Brünner Oberste Gericht in konstanter Judikatur (Slg. 515, 543 u. 11.525) den Standpunkt vertreten hat, daß aus der Anführung des Art. 55 AHGB. in § 2 Abs. 2 GesmbHG. folge, daß im Falle der Genehmigung des Vertrages durch die GesmbH. nach ihrer Registrierung die Haftung des Handelnden erlösche.

Der Oberste Gerichtshof kann es dahingestellt sein lassen, ob die alte österreichische oder die tschechoslowakische Auslegung des § 2 Abs. 2 GesmbHG. richtig ist, weil die Einführung des HGB. von 1897 eine neue Rechtslage geschaffen hat. Nach Art. 3 der 4. EVzHGB. erhält in Vorschriften des österreichischen Rechtes, in denen auf Bestimmungen verwiesen wird, die durch diese Verordnung aufgehoben oder abgeändert werden - und dazu gehört nach Art. 13 Abs. 2 Z. 1 der genannten Verordnung auch das bisher in Österreich geltende Allgemeine Handelsgesetzbuch -, die Verweisung ihren Inhalt aus den entsprechenden neuen Vorschriften. Im Sinne des Art. 3 der 4. EVzHGB. ist daher die Verweisung in § 2 Abs. 2 GesmbHG. auf Art. 55 AHGB. nunmehr so zu lesen, als ob es dort Art. 8 Nr. 11 der 4. EVzHGB lauten würde. Nach Art. 8 Nr. 11 Abs. 1 ist aber, wer als Vertreter ein Handelsgeschäft ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hat, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz nur dann verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrages verweigert; das bedeutet aber, daß die Haftung des Handelnden nach § 2 Abs. 2 GesmbHG. nur dann geltend gemacht werden kann, wenn die Gesellschaft nach der Eintragung die Genehmigung des Vertrages verweigert. Es ist daher nach dem heutigen Rechtszustande, über die frühere tschechoslowakische Praxis hinausgehend, nicht mehr erforderlich, daß die GesmbH. nach der Eintragung den Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt; es genügt, wenn sie die Genehmigung nicht verweigert. Im vorliegenden Falle kann keinesfalls von einer Verweigerung der Genehmigung gesprochen werden, da der alleinige Geschäftsführer, der seinerzeit den Vertrag abgeschlossen hat, nach der Registrierung Zinsen gezahlt, also den Vertrag durch diese Handlung zumindest stillschweigend genehmigt hat. Es sind daher die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 GesmbHG. nachträglich weggefallen und war infolgedessen die Klage abzuweisen.

Anmerkung

Z28160

Schlagworte

Eintragung einer GesmbH., Haftung für vorherige Handlungen, Genehmigung, Genehmigung von Handlungen vor Eintragung einer GesmbH., Gesellschaft mit beschränkter Haftung Handeln vor Eintragung, Haftung, Haftung des Handelnden vor Eintragung der GesmbH., Genehmigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0030OB00289.55.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19550615_OGH0002_0030OB00289_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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