TE OGH 1955/7/6 2Ob407/55

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Veröffentlicht am 06.07.1955
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Norm

ABGB §1295
Reichshaftpflichtgesetz §1

Kopf

SZ 28/175

Spruch

Zur Frage der Haftung der Straßenbahn als Betriebsunternehmerin.

Entscheidung vom 6. Juli 1955, 2 Ob 407/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit Urteil vom 23. Februar 1955 hat das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung des Betrages von 14.788 S 40 g an die Klägerin verurteilt. Es ist zum Ergebnis gekommen, daß die Klägerin am 14. März 1952 als Fahrgast beim Betriebe der Straßenbahn der beklagten Partei körperlich verletzt worden sei und daß die beklagte Partei als Betriebsunternehmerin für den dadurch entstandenen Schaden hafte, da der Unfall weder durch höhere Gewalt noch durch eigenes Verschulden der Verletzten verursacht worden sei.

Der Berufung der beklagten Partei, worin die Höhe des Anspruchs nicht bekämpft wurde, hat das Berufungsgericht unter Übernahme der erstgerichtlichen Festellungen als unbedenklich mit dem Hinweise nicht Folge gegeben, daß die beklagte Partei im vorausgegangenen Verfahren höhere Gewalt überhaupt nicht eingewendet habe; eigenes Verschulden der Klägerin liege nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Rechtsrüge der Revisionswerberin kommt keine Berechtigung zu. Die beklagte Partei lehnt darin ihre Haftung als Betriebsunternehmerin für den der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schaden unter Hinweis auf das eigene Verschulden der Klägerin ab. Es bleibe unerfindlich, wieso die Klägerin, die in verbotswidriger Weise das Betreten des Trittbrettes während der Fahrt unternommen habe, kein Verschulden treffen sollte. Dabei läßt aber die Revisionswerberin alle Erwägungen außer Betracht, die die Vorinstanz zur Begründung ihrer Annahme, daß die Klägerin vorliegendenfalls - es kommt auf die besonderen Umstände dieses Falles an - trotz des Heruntersteigens auf das Trittbrett kein Verschulden treffe, angestellt hat. Der Schaffner hat doch, nachdem der neben ihm befindlichen Klägerin die Geldbörse entfallen und auf die Straße gefallen war, das Zeichen zum sofortigen Anhalten des Straßenbahnzuges gegeben, sodaß die Klägerin mit dem baldigen Stehenbleiben des erst im Anfahren befindlichen Zuges rechnen konnte. Unter diesen Umständen trifft die Beurteilung der Untergerichte zu, daß im Heruntersteigen auf das Trittbrett ein Verschulden der Klägerin nicht zu ersehen sei. Die Revisionswerberin läßt aber auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichtes unberücksichtigt, daß nach den Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes in der Nichtbeachtung des vom Schaffner abgegebenen Notsignals eine Nachlässigkeit des Motorführers des Straßenbahnzuges zu erblicken sei und daß dem Schaffner selbst eine große Fahrlässigkeit anzulasten sei, weil er nicht nur eine Wiederholung des Notsignals unterlassen, sondern dies vielmehr brüsk abgelehnt habe, obwohl er bemerkt hatte, daß die Klägerin schon am Trittbrett stand. Bei einem derartigen unfallskausalen Verschulden der Angestellten der beklagten Partei, wofür die Beklagte der Klägerin im Rahmen des Beförderungsvertrages nach § 1313a ABGB. haftet, lehnt auch das Revisionsgericht - in Übereinstimmung mit der rechtlichen Beurteilung beider Vorinstanzen - die Annahme eines Haftungsausschlusses der beklagten Straßenbahn als Betriebsunternehmerin ab.

Bei dieser Sach- und Rechtslage sind auch die in der Revision gerügten Feststellungsmängel nicht gegeben. Denn wenn im Heruntersteigen der Klägerin von der Plattform auf das Trittbrett unter den besonderen Verhältnissen dieses Falles ein Eigenverschulden der Verletzten nicht zu erblicken ist, ist es für die Beurteilung ohne Belang, ob die Klägerin auch von der Plattform aus dem Wagen gestürzt wäre. Was aber die Frage der Zumutbarkeit für die Beklagte, technische Vorkehrungen der in der Revision bezeichneten Art zu treffen, anlangt, müßte allerdings unter dem Gesichtspunkte des Haftungsausschlusses der "höheren Gewalt" im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. SZ. XX 226) geprüft werden, ob die Straßenbahn als Betriebsunternehmerin Vorkehrungen treffen müsse, um den Sturz eines Fahrgastes aus dem fahrenden Zuge infolge eines etwa plötzlich aufgetretenen Schwächezustandes - in diesem Falle kommt ja eigenes Verschulden des Verletzten nicht in Betracht; vgl. JB. 185 - zu verhindern; ein Feststellungsmangel in dieser Hinsicht ist aber nicht gegeben, weil die beklagte Partei, wie schon die Vorinstanz ausgeführt hat, gar nicht geltend gemacht hat, daß der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden sei.

Die gerügte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache (§ 503 Z. 4 ZPO.) liegt also nicht vor.

Anmerkung

Z28175

Schlagworte

Betriebsunternehmer, Haftung der Straßenbahn, Haftpflicht der Straßenbahn als Betriebsunternehmerin, Schadenersatz Haftung der Straßenbahn als Betriebsunternehmern, Straßenbahn, Haftung als Betriebsunternehmerin

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0020OB00407.55.0706.000

Dokumentnummer

JJT_19550706_OGH0002_0020OB00407_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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