TE OGH 1955/9/6 4Ob66/55

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Veröffentlicht am 06.09.1955
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Norm

ABGB §879
Gewerbeordnung §78

Kopf

SZ 28/192

Spruch

Keine Verletzung des Truckverbots, wenn ein Dienstgeber auf Ersuchen des Dienstnehmers für von diesem bei Kaufleuten bezogene Waren Bürgschaft leistet oder sie für ihn zahlt und die gezahlten Beträge vereinbarungsgemäß vom Lohn abzieht.

Entscheidung vom 6. September 1955, 4 Ob 66/55.

I. Instanz: Arbeitsgericht Leibnitz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes hat der beklagte Dienstgeber sowohl beim Schuhhaus P. als auch beim Schneidermeister R. für den Kläger, seinen Dienstnehmer, der dort auf Borg gekauft hatte, die Bürgschaft übernommen und sodann die Rechnung des Klägers bezahlt. Im Falle des Kaufmannes K., wo der Kläger Einkäufe in der Höhe von 805 S 25 g (Kinderwagen und Wäsche) gemacht hatte, ist der Betrag zwischen K. und dem Beklagte verrechnet worden. Der Kläger hat auf diese Weise Waren um insgesamt 2398 S 25 g innerhalb eines Zeitraumes eingekauft, der nicht ausgereicht hatte, um diesen Betrag als Dienstnehmer des Beklagten zu verdienen. Der Beklagte hat diese Beträge dem Kläger vom Lohn abgezogen.

Der Kläger verlangt Zahlung der abgezogenen Beträge, weil der Abzug dem § 78 GewO. widerspräche. Das Berufungsgericht wies die Klage in Abänderung der erstrichterlichen Entscheidung ab, weil der Beklagte Auslagen für den Kläger ohne Deckung gemacht habe, denn die einzige Sicherung, die er gehabt habe, sei die Hoffnung auf das korrekte Verhalten des Klägers gewesen, nämlich die Erwartung, daß dieser die Schuld abdiene. Der Beklagte habe dem Kläger ein Darlehen gewährt, das er in Raten einbehalten habe. Hiezu sei er aber auch durchaus berechtigt gewesen, denn der Akt menschlicher Hilfsbereitschaft gegenüber dem Kläger könne nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht in den Tatbestand des § 78 GewO. gezwängt werden.

Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 78 Abs. 5 GewO. dürfen Gewerbeinhaber den Arbeitern Waren der hier in Frage stehenden Art auf Rechnung des Lohnes nicht kreditieren. Im vorliegenden Falle ist festgestelltermaßen der jetzt verlangte Lohn dem Kläger nicht in Geld ausbezahlt worden und sind ihm auf Rechnung des noch nicht fälligen Lohnes Waren geliefert, also kreditiert, worden. Diese Waren sind aber nicht vom Gewerbeinhaber, sondern auf dessen Veranlassung von dritten Personen kreditiert worden. Da nicht feststeht und gar nicht behauptet wurde, daß diese Dritten zum Personenkreis des § 78b GewO. gehören, kann § 78 Abs. 5 GewO. nicht eingreifen. Auch der Fall des § 78 Abs. 4 GewO., wonach nicht vereinbart werden darf, daß die Hilfsarbeiter Gegenstände ihres Bedarfes aus gewissen Verkaufsstellen beziehen müssen, liegt nicht vor, weil der Kläger sich um die Kaufanweisungen des Beklagten bemüht, sogar der Betriebsrat deswegen für ihn gesprochen hat, und weil es auch nach Erhalt der Kaufanweisungen dem Kläger freigestanden wäre, von ihnen nicht Gebrauch zu machen. Dem Berufungsgericht ist daher darin zuzustimmen, daß ein Verstoß gegen das Truckverbot nicht vorliegt, was zur Erfolglosigkeit der Revision führen muß.

Anmerkung

Z28192

Schlagworte

Gewerberecht Truckverbot, Sittenwidrigkeit Truckverbot, Truckverbot, Voraussetzungen, Warenkredit, Truckverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0040OB00066.55.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19550906_OGH0002_0040OB00066_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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