Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Ullrich als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bistritschan, Dr. Elsigan, Dr. Lenk und Dr. Novak als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Elisabeth M*****, 2.) mj. Franz M*****, vertreten durch die Erstklägerin als Vormünderin, 3.) Verlassenschaft nach mj.Marina M*****, vertreten durch die Erstklägerin als Kuratorin, die Erstklägerin vertreten durch Dr. Franz Langeder, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wider die beklagte Partei Firma G.A. W*****, Beton- und Tiefbauunternehmung Gesellschaft m.b.H. *****, vertreten durch Dr. Franz Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wegen Schadenersatzes infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 24. Mai 1955, GZ 1 R 250/55-135, womit infolge Kostenrekurses der klagenden Partei und Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. Februar 1955, GZ 1 Cg 607/52-126, zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene (Teil-)Urteil des Berufungsgerichts und der von ihm bestätigte Teil des Ersturteils werden aufgehoben.
Die Sache wird (auch) im Umfang dieser Aufhebung zur Ergänzung der Verhandlung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz entsprechend Bedacht zu nehmen haben wird.
Text
Begründung:
Franz M***** jun. kam am 7.9.1949 bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Das Verschulden traf Johann M*****, der einen der Firma G.A. W*****, Beton- und Tiefbauunternehmung Gesellschaft m.b.H. gehörigen LKW unvorsichtig lenkte und deshalb auch strafgerichtlich verurteilt wurde. Elisabeth M*****, die Witwe des Getöteten, mj. Franz M*****, dessen Sohn, und die Verlassenschaft nach der mj. Marina M***** - der inzwischen nämlich am 7.3.1951, verstorbenen Tochter des Getöteten - stellen gegen den Lenker und gegen den Halter des LKW Schadenersatzansprüche. Über den Anspruchsgrund ist bereits bejahend und rechtskräftig abgesprochen (ON 76). Der Streit geht nur mehr um die Höhe der Klagsansprüche und auch bloß gegen den Halter des LKW, weil das Verfahren gegen den Lenker des LKW ruht (S. 389 f).
Das Erstgericht hat in seinem Endurteil zugesprochen: der erstklagenden Witwe einen Kapitalsbetrag von S 5.241,87 (Begräbniskosten für Franz M***** jun. S 1.749,87 + Krankheits- und Begäbniskosten für mj. Marina M***** S 3.492,-) und dazu eine monatliche Rente in der Höhe von S 500,- für die Zeit vom 7.9. bis 31.12.1949 und in der Höhe von S 700,- für die Zeit ab 1.1.1950, jedoch nur auf die Dauer des Witwenstands und längstens bis zum 31.12.1990; dem zweitklagenden mj. Franz M***** eine monatliche Rente in der Höhe von S 150,- für die Zeit vom 7.9. bis 31.12.1949 und in der Höhe von S 250,- für die Zeit ab 1.1.1950, jedoch nur bis zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit und längstens bis zum 31.12.1990; der drittklagenden Verlassenschaft eine monatliche Rente in der Höhe von S 150,- für die Zeit vom 7.9. bis 31.12.1949 und in der Höhe von S 250,- für die Zeit vom 1.1.1950 bis 7.3.1951; ferner allen Klägern Zinsen und Kosten. Ein geringfügiges Mehrbegehren hat das Erstgericht abgewiesen.
Die Kläger erhoben nur einen Kostenrekurs. Die beklagte Firma erhob Berufung, ließ aber das Ersturteil insoweit unangefochten, als der Erstklägerin ein Kapitalsbetrag von S 1.749,87 und eine Monatsrente von S 200,- für die Zeit vom 7.9.1949 bis 7.3.1951 sowie von S 250,-
für die Zeit ab 8.3.1951 (mit der Beschränkung auf die Dauer des Witwenstands und den 31.12.1990 als Endtermin), dem Zweitkläger eine Monatsrente von S 100,- für die Zeit vom 7.9.1949 bis 7.3.1951 sowie von S 125,- ab 8.3.1951 (mit der Beschränkung auf den Zeitpunkt der Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit und den 31.12.1990 als Endtermin) und der Drittklägerin eine Monatsrente von S 100,- für die Zeit vom 7.9.1949 bis 7.3.1951 zugesprochen wurden, jedoch mit der Einschränkung, daß die am 31.10.1952 an die Kläger geleistete Zahlung eines Betrags von S 20,000,- auf die unangefochtenen Anspruchsteile angerechnet werde, so zwar, daß der anerkannte Kapitalsbetrag samt Zinsen zur Gänze und die anerkannten Rentenbeträge bis zum 15.7.1953 als abgegolten anzusehen seien.
Das Berufungsgericht vermeinte, auf die Zahlung von S 20.000,- nicht Bedacht nehmen zu sollen, hielt auch andere rechtliche Einwände der Beklagten nicht für stichhältig, die grundlegenden Feststellungen über das Einkommen und die Leistungsfähigkeit des Getöteten jedoch für unzureichend und kam daher zu nachstehender Entscheidung: Von keiner Seite angefochten, daher unberührt bleibt das Ersturteil insoweit, als es einerseits der Erstklägerin ab 16.7.1953 eine Monatsrente von S 250,- und dem Zweitkläger vom selben Zeitpunkt an eine Monatsrente von S 125,- zuspricht und anderseits das Mehrbegehren der Kläger abweist. Bestätigt wird das Ersturteil insoweit, als es die von der Teilanfechtung der Beklagten grundsätzlich nicht erfaßten Beträge (S 1.749,87 samt Zinsen und beschränkte Rentenleistungen bis zum 15.7.1953) ohne Rücksicht auf eine Zahlung von S 20.000,- zuerkennt. Im übrigen wird aber das Ersturteil aufgehoben, die Sache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurückverwiesen und der Kostenrekurs der Kläger auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß des Berufungsgerichts ist nicht in Anfechtung gezogen.
Nur die berufungsgerichtliche Teilbestätigung wird von der Beklagten mit Revision bekämpft. Die Beklagte stützt sich auf die Revisionsgründe des § 503, Z 2 und 4, ZPO und stellt den Antrag, das Urteil des Berufungsgerichts in seinem Punkt 1.) - das ist jener Entscheidungsteil, in dem das Berufungsgericht auf eine Teilbestätigung erkannte - aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, oder die zweitinstanzliche Teilbestätigung teils abzuändern (im Sinn einer Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 1.749,87 samt Zinsen und aller Rentenleistungsbegehren bis zum 10.10.1950), teils aufzuheben (nämlich hinsichtlich des Zuspruchs von Rentenleistungen für die Zeit vom 11.10.1950 bis 15.7.1953) und die Sache im Umfang der Teilaufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, oder die bekämpfte Teilbestätigung dahin abzuändern, daß das Begehren auf Zahlung von S 1.749,87 samt Zinsen und alle Rentenleistungsbegehren bis zum 15.7.1953 abgewiesen werden; all dies nur wegen und unter Berücksichtigung der am 31.10.1952 erfolgten Zahlung von S 20.000,-. Die Kläger bringen in ihrer Revisionsbeantwortung zum Ausdruck, daß die Berufungsentscheidung in sich widerspruchsvoll sei und gegen die Rechtskraft verstoße, beantragen eine entsprechende Berichtigung, im übrigen aber Revisionsabweisung.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägern gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts vorgetragenen Bedenken sind nicht gerechtfertigt. Die Kläger übersehen nämlich, daß die Beklagte durch die Beschränkung ihrer Berufungsanfechtung wohl gewisse Leistungsverpflichtungen als gegeben hinnahm, in ihrem Berufungsantrag aber auch darauf beharrte, daß diese Leistungen - zu deren Erbringung sie sich nunmehr verpflichtet fühlt - durch eine Zahlung von S 20.000,- bis zu einem gewissen Ausmaß bereits abgegolten seien. Das Berufungsgericht hat sich streng an die Berufungsanträge gehalten und die Leistungsverpflichtung der Beklagten in den von ihr selbst anerkannten Grenzen richtigerweise teils als von der Anfechtung unberührt hingestellt, teils aber - weil es die Zahlung von S 20.000,- nicht als absetzungsfähig erachtete - bestätigt. Auch widerspruchsvoll ist die Entscheidung nicht. Dem Berufungsgericht könnte höchstens zum Vorwurf gemacht werden, daß es die von ihm ermittelten und im Tenor genannten Ziffern der Teilbestätigung und Teilaufhebung - die auf den ersten Blick verwirrend wirken können - nicht auch noch in seinen Gründen näher erläuterte. Diese Ziffern lassen sich aber durch einen Vergleich der erstinstanzlichen Entscheidung mit dem beschränkten Umfang der Berufungsanträge - in der vom Revisionsgericht bereits geschilderten Weise - unschwer feststellen. Eine Nichtigkeit oder ein Anlaß zur Berichtigung liegt nicht vor.
Was nun die Revision angelangt, ist zunächst hervorzuheben, daß die Beklagte sowohl in ihrer Revisionserklärung als auch in ihrem Revisionsantrag eindeutig zu erkennen gibt, daß sie lediglich die Teilbestätigung, also die Sachentscheidung des Berufungsgerichts anficht, wie sie ja auch den Revisionsstreitwert selbst mit S 20.000,- beziffert, also auf die hier allein umstrittene Frage der Anrechenbarkeit einer Zahlung von S 20.000,- (auf einen Teil der grundsätzlich anerkannten Leistungspflichten) abstellt. Hingegen hat sie den unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß ebenso ausdrücklich unangefochten gelassen. Wenn sie sich daher im Zug der Revisionsausführungen nicht nur mit dem Problem einer Anrechung der bezahlten S 20.000,-. sondern auch mit anderen, bloß für die noch ausstehende Verfahrensergänzung richtungsweisenden Rechtsansichten des Berufungsgerichts auseinandersetzt, so kann sie nicht gehört werden; denn sie hat eben weder einen Rekurs nach § 519, Z 3, ZPO erhoben noch auch in ihrer Revisionsschrift entsprechende weitere Anträge gestellt. Immerhin sei kurz beigefügt, daß der Oberste Gerichtshof die vom Berufungsgericht im Sinn des § 499 (2) ZPO bindend geäußerte Rechtsansicht - die Frage nach der Anrechenbarkeit der S 20.000,- bleibt hier ausgenommen - billigt; Die Witwe braucht sich das von ihr nach dem Tod des Mannes erworbene Eigeneinkommen auf die Rente nicht anrechnen zu lassen, die Höhe des Entgangs im Sinn des § 1327 ABGB bestimmt sich zwar grundsätzlich nach der Vermögenslage des Erhalters im Zeitpunkt seines Todes, doch kann das, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge unmittelbar zu erwarten steht - zumal wenn der Getötete ein im Aufbau begriffenes Unternehmen besaß -, nicht gänzlich vernachläßigt werden, und vom Getöteten durfte im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit nicht nur die Reichung des Unterhalts, sondern auch das Aufkommen für erforderlich gewordene Sonderauslagen erwartet werden. Im übrigen muß jedoch neuerlich betont werden, daß die Beklagte eine ordnungsgemäße Anfechtung des Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß unterlassen hat.
Ihre Revision (gegen die Teilbestätigung) ist jedoch begründet. Die hier allein zu behandelnde Frage, ob eine vom Haftpflichtversicherer für die Beklagte an die Kläger geleistete Zahlung (S 20.000,-) von den zugesprochenen Beträgen in Abzug zu bringen sei, ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zu bejahen. Es soll hier nicht erörtert werden, ob der Gerichtserlag des Versicherers - aus dem dann die S 20.000,- an den Klagevertreter überwiesen wurden - berechtigt war, ebensowenig, ob die antragsgemäße Überweisung von S 20.000,- "für Rechnung der geltend gemachten Personenschäden aus dem klagsgegenständlichen Unfall" (vgl S 274) als eine Zahlung unter Vorbehalt anzusehen ist - dafür spräche, daß der Aktenlage nach die Überweisung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Streit noch um den Grund des Anspruchs ging -, entscheidend ist vielmehr, ob oder daß die Kläger die solcherart erfolgte Zahlung tatsächlich angenommen haben. Ihnen könnte in diesem Fall das, was sie auf ihre Klagsforderung bereits erhalten haben, nicht mehr zugesprochen werden; fände doch sonst die Beklagte gegen ihre allenfalls ungebührliche Inanspruchnahme auf Grund eines die Teilzahlung nicht berücksichtigenden Urteils nicht einmal in der Bestimmung des § 35 EO Schutz. Der Umstand, daß zunächst der Gerichtserlag und dann die Zahlung nicht unter gleichzeitiger und unzweifelhafter Anerkennung wenigstens eines entsprechenden Anspruchsteils erfolgte, kann und wird sich nur kostenmäßig auswirken; denn bei der gegebenen Sachlage mußten die Kläger ihren Gesamtanspruch solange uneingeschränkt weiterverfolgen, bis endlich Klarheit darüber bestand, welcher teil ihrer Ansprüche schließlich nicht mehr bestritten wird, dann aber auch mit der Teilzahlung verrechnet werden kann. Da jedoch nicht nur Feststellungen darüber fehlen, auf Grund welcher Parteieneinigung die Zahlung erfolgte und angenommen wurde, sondern auch der endgültige Anspruchsbetrag nach Weisung des Berufungsgerichts erst erhoben werden muß, da also bisher noch nicht feststeht, was, worauf und wie verrechnet werden soll, war der Revision Folge zu geben, der bestätigende Teil der Berufungsentscheidung aufzuheben und die Sache auch in diesem Umfang an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf den § 52 ZPO.
Anmerkung
E73414 2Ob643.55European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1955:0020OB00643.55.1207.000Dokumentnummer
JJT_19551207_OGH0002_0020OB00643_5500000_000