TE OGH 1956/1/11 7Ob570/55

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Veröffentlicht am 11.01.1956
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Norm

ABGB §884
ABGB §914

Kopf

SZ 29/4

Spruch

Auf die im vorgedruckten Kaufvertragsformular enthaltene Klausel, daß mündliche Abmachungen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Bestätigung bedürfen, kann sich der Verkäufer nicht berufen, wenn er selbst den Kaufvertrag abgeschlossen hat.

Entscheidung vom 11. Jänner 1956, 7 Ob 570/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger Albert L. begehrt, die beklagte Partei zur Zahlung von 31.800 S Zug um Zug gegen Übernahme des Personenkraftwagens Marke Lloyd LS 400 Kombi, Farbe beige, Type 54, zu verhalten. Im Kaufvertrag vom 1. September 1954 sei eine Lieferfrist von 14 Tagen vereinbart worden; der Wagen sei nicht am 14. September, wohl aber am 18. September 1954 lieferbereit gewesen, von der beklagten Partei jedoch nicht übernommen worden.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Nach den mündlich getroffenen Vereinbarungen liege ein Fixhandelskauf im Sinne des § 376 HGB. vor; da die klagende Partei nicht innerhalb der vereinbarten Frist geliefert habe, sei die beklagte Partei berechtigt gewesen, ohne Gewährung einer Nachfrist vom Vertrage zurückzutreten.

Das Berufungsgericht hat nach Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens dieses Urteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Revision wird ausgeführt, ein Fixgeschäft liege deshalb nicht vor, weil der schriftliche Kaufantrag eine solche Abrede nicht enthalte; der schriftliche Antrag vom 1. September 1954 enthalte vielmehr ausdrücklich die Klausel, daß der Liefertermin freibleibend sei; der handschriftliche Zusatz "14 Tage" begrenze die Lieferfrist nur beiläufig, um den Käufer nicht auf unbestimmte Zeit zu binden. Außerdem bedürften Änderungen des Kaufantrages und allfällige Zusicherungen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Bestätigung, was sich auch aus § 884 ABGB. ergebe, welche Bestimmung das Berufungsgericht vernachlässigt habe.

Die Feststellungen des Berufungsgerichtes über den Kaufabschluß am 1. September 1954 zwischen dem Kläger und dem Zeugen A.-N. als dem Vertreter der beklagten Partei stehen mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens im Einklang. Was die klagende Partei dagegen vorbringt, erweist sich als ein unzulässiger Angriff auf die Beweiswürdigung. Geht man aber von den Feststellungen der zweiten Instanz aus, sind die Voraussetzungen nach § 376 HGB. gegeben. Der Vertreter der beklagten Partei hat den Personenkraftwagen für das Weihnachtsgeschäft bestellt und bei der Bestellung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß seine Firma an der Lieferung kein Interesse mehr hätte, wenn die Lieferung nicht binnen 14 Tagen erfolge; damit, daß sein Antrag angenommen wurde, ist vereinbart worden, daß der Wagen innerhalb einer fest bestimmten Frist zu liefern sei und eine spätere Lieferung nicht mehr als fristgerechte Erfüllung des Vertrages gelten solle. Die Lieferung am 18. September 1954 oder später entspräche nicht der Vereinbarung. Die beklagte Partei war daher gemäß § 376 HGB. zum Rücktritt berechtigt. Sie hätte wohl auch nach dem Ablauf der 14tägigen Frist den Personenkraftwagen übernehmen können, war aber hiezu nicht verpflichtet.

Was die Rüge der Vernachlässigung der Bestimmung des § 884 ABGB. betrifft, ist wieder davon auszugehen, daß der Kaufvertrag zwischen dem Kläger persönlich und einem Vertreter der beklagten Partei abgeschlossen wurde. Da nach den Feststellungen der Untergerichte der Verkäufer persönlich, ungeachtet der im gedruckten Kaufantragsformular enthaltenen Klausel, daß "Änderungen und etwaige Zusicherungen" zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Bestätigung bedürfen, doch beim Vertragsabschluß weitere mündliche Abmachungen vereinbarte und Zusagen machte, ist er daran gebunden, denn es steht dem persönlich auftretenden Vertragsteil frei, von der Klausel des Antragsformulars abzugehen und mündliche Vereinbarungen zu treffen. Anders wäre vielleicht der Fall zu beurteilen, wenn ein Angestellter oder Agent den Vertrag abgeschlossen hätte, da in einem solchen Falle der Inhalt des Formulars auch dazu dient, um den Vertragspartner über den Umfang der Abschlußvollmacht des Vertreters zu unterrichten, über die dieser nicht hinausgehen darf (SZ. XVI 5; im gleichen Sinne Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 261); doch liegt dieser Fall hier nicht vor. Beim persönlichen Vertragsabschluß kann sich kein Partner auf Klauseln, die von der mündlichen Vereinbarung abweichen, berufen; es widerspräche der Übung des redlichen Verkehrs, wenn ein Vertragsteil dem anderen persönlich bestimmte Zusagen machte und sich hinterher auf eine damit im Widerspruch stehende Klausel des gedruckten Antragsformulars berufen wollte. Durch seine von den Untergerichten festgestellte Erklärung hat der Verkäufer vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß die entgegenstehende vorgedruckte Klausel nicht zu gelten habe.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Anmerkung

Z29004

Schlagworte

Bindung an vereinbarte Schriftform, Schriftform, vereinbarte, Bindung, Vereinbarung der Schriftform, Bindung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0070OB00570.55.0111.000

Dokumentnummer

JJT_19560111_OGH0002_0070OB00570_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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