TE OGH 1956/4/24 4Ob11/56

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.1956
beobachten
merken

Norm

ABGB §1012
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII.

Kopf

SZ 29/37

Spruch

Die Rechnungslegung über Einnahmen und Ausgaben hat auch die Angabe des Verwendungszweckes zu enthalten, soweit sich dieser nicht aus den ordnungsgemäß geführten Büchern oder den Belegen ergibt.

Entscheidung vom 24. April 1956, 4 Ob 11/56.

I. Instanz: Arbeitsgericht Graz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger behauptete, vom 10. Mai 1952 bis 31. Juli 1953 Geschäftsführer der Beklagten gewesen zu sein, jedoch seine mit brutto 1600 S vereinbarten monatlichen Bezüge nur bis Ende März 1953 erhalten zu haben. Er begehrte daher die Bezahlung verschiedener Entgeltsrückstände und Ersatzforderungen von zusammen 8103 S 26 g.

Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und erhob Widerklage mit dem Begehren, den Kläger und Widerbeklagten zu verhalten, über alle Einnahmen und Ausgaben während seiner Geschäftsführung Rechnung zu legen und der Beklagten und Widerklägerin einen sich aus der Verrechnung ergebenden Differenzbetrag von 3838 S 92 g zu bezahlen, welches Begehren der Widerklage um den Schadenersatzanspruch von 780 S auf den Betrag von 4618 S 92 g ausgedehnt sowie auch dadurch erweitert wurde, daß die Feststellung begehrt wurde, der Widerbeklagte sei schuldig, der Widerklägerin Kostenbeträge von 1599 S 62 g und 1906 S 65 g zu ersetzen.

Das Erstgericht wies die Vorausklage auf Zahlung von 8103 S 26 g samt Anhang ab, erkannte den Kläger und Widerbeklagten schuldig, der Beklagten und Widerklägerin einen Betrag von 375 S 68 g zu bezahlen, und wies das Mehrbegehren der Widerklage ab. Es führte hiezu unter anderem aus:

Das Begehren der Widerklägerin auf Rechnungslegung sei abzuweisen, weil der Widerbeklagte nachgewiesen habe, daß er durch die Übergabe der von ihm als Geschäftsführer geführten Geschäftsbücher und der dazu gehörigen Belege an die Widerklägerin bereits Rechnung gelegt habe. Der Widerbeklagte könnte daher nur dann zu einer Ergänzung dieser Rechnungslegung verhalten werden, wenn die Widerklägerin die Unvollständigkeit der erfolgten Rechnungslegung beweise. Die Pflicht zur Rechnungslegung des Dienstnehmers umfasse selbstverständlich nur die im Rahmen des Dienstverhältnisses getätigten Geschäfte, nicht aber auch die in seiner Freizeit auf eigene Rechnung durchgeführten Arbeiten. Das Begehren auf Rechnungslegung hänge im vorliegenden Fall eng mit den von der Widerklägerin für Privatarbeiten geltend gemachten Gegenforderungen zusammen. Da sie diese nicht beweisen konnte, sei ihr Rechnungslegungsbegehren unbegrundet.

Der dagegen seitens der Beklagten und Widerklägerin erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht führte hiezu unter anderem aus:

Kein Zweifel könne darüber bestehen, daß die Widerklägerin zur Erhebung der Manifestationsklage berechtigt sei. In Übereinstimmung mit dem Prozeßgericht sei aber auch das Berufungsgericht der Meinung daß im gegenständlichen Rechtsstreit die Grundlagen für eine derartige Klagsführung nicht gegeben seien. Es sei zunächst davon auszugehen, daß das Wesen der Rechnungslegung in der Verpflichtung des Gewalthabers, Rechenschaft über seine Tätigkeit zu geben, liege. Er müsse über sein Verhalten und dessen Ergebnisse Aufschluß geben. Er habe alle Ausgaben und Einnahmen vollständig nachzuweisen. Durch die Ausfolgung des Tagebuches, des Kassabuches und aller anderen Unterlagen habe aber der Widerbeklagte alle wesentlichen, die Einnahmen und Ausgaben illustrierenden Unterlagen zur Verfügung gestellt, so daß sich die Widerklägerin ein Bild über die Geschäftsbewegung machen konnte. Die Übergabe der genannten Aufzeichnungen komme aber dem Nachweis der Einnahmen und Ausgaben, dem ziffernmäßig genauen Bericht über die Verwendung der dem Rechnungspflichtigen zugeflossenen Werte, gleich und beinhalte ohnehin die formell vollständige Rechnungslegung als solche. Die Berufung sei offensichtlich bestrebt, den Gegner mit Hilfe der Manifestationsklage zur Rechnungslegung über die behaupteten, aber nicht erweislichen Schwarzgeschäfte zu zwingen. Dieser Weg sei aber nicht gangbar. Nach dem ganzen Inhalt der Widerklage und der Berufung gehe es der Widerklägerin nicht um die Bekanntgabe eines Vermögens, sondern um die Vollständigkeit und Richtigkeit der Geschäftsunterlagen des Widerbeklagten. Vermögen könne aber nur ein gegenwärtig vorhandenes, konkretes Wertobjekt sein. Die Ausgaben und Einnahmen seien aber nicht gegenwärtige Aktiven und Passiven, sondern in der Vergangenheit liegende Rechnungsposten. Ein Anspruch auf vollständige und wahrheitsgemäße Rechnungslegung über die formell ordnungsgemäße Rechnungslegung hinaus könne prozessual nicht erzwungen werden. Seine Verletzung ziehe bestenfalls einen Schadenersatzanspruch nach sich. Wenn also die Widerklägerin nachzuweisen vermöge, daß die Aufstellung ihres Gegners falsch oder unvollständig sei, bedürfe es der Rechnungslegung nicht mehr. Denn es sei ja die Widerklägerin dann in der Lage, die Ansprüche, die sich aus den in der Rechnung aufscheinenden Umständen ergeben, unmittelbar geltend zu machen. Könne aber der Gläubiger nur Gründe anführen, aus denen sich die Vermutung einer falschen Rechnungslegung ergibt, so sei ihm erst dann durch Art. XLII EGzZPO. das Mittel an die Hand gegeben, von dem Rechnungsleger, der "vermutlich von der Verschweigung einzelner Rechnungsposten Kenntnis hat", die Leistung des Eides zu verlangen. Dies sei das einzige, wenn auch unzuverlässige, Mittel, den Rechnungsleger dazu zu zwingen, das bekanntzugeben, was er verschweigen will. Die Nutzanwendung auf den vorliegenden Fall führe zu dem Ergebnis, daß das Rechtsmittelgericht die Überlegungen des Prozeßgerichtes billige. Die Übergabe der von der Widerklägerin überdies noch während der Tätigkeit des Widerbeklagten geprüften Belege komme in der geschehenen Form einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung gleich. Das Klagebegehren sei daher aus diesen Gründen mit Recht abgewiesen worden. Glaube aber die Widerklägerin, daß ihr ehemaliger Geschäftsführer einen Teil seiner Tätigkeit verschwiegen habe, meine sie also, daß einem vorhandenen Vermögen erst auf die Spur gekommen werden solle, dann hätte sie die Eidesleistung im Rahmen der Manifestationsklage beantragen müssen. Da dies nicht geschehen sei, fehle dem Begehren auf Rechnungslegung ein ausschlaggebendes Essentiale.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten und Widerklägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Richtig ist die Ausführung des Berufungsgerichtes, daß der über die formell ordnungsmäßige Rechnungslegung hinausgehende Anspruch auf vollständige und wahrheitsgemäße Rechnungslegung prozessual nicht erzwungen werden kann und der urteilsmäßig zu erwirkenden Rechnungslegung schon dann entsprochen ist, wenn eine formell vollständige Rechnung gelegt wurde. Der Rechnungslegungspflichtige muß allerdings eine Abrechnung vorlegen, die Einnahmen und Ausgaben detailliert aufweist. Eine ordentliche Rechnung muß erkennen lassen, wofür jede einzelne Zahlung geleistet wurde; die Angabe des Verwendungszweckes gehört folglich zur ordnungsmäßigen Rechnungslegung. Es müssen daher insbesondere bei jedem Material- und Wareneinkauf oder -verkauf die Menge und Gattung und bei jedem Arbeitslohn die Dauer der Arbeit und das Objekt angegeben sein. Die bloße Zusammenfassung in einer Gesamtpost und die Mitteilung von Endziffern genügt nicht. Insoweit sich aber alle diese Umstände einwandfrei aus den ordnungsgemäß geführten Büchern oder den Belegen des Geschäftsbetriebes ergeben, genügt auch der Hinweis auf die entsprechenden Buchungen oder die alle erforderlichen Einzelheiten enthaltenden Belege. Ins einzelne gehende Angaben in der Abrechnung sind nur dort erforderlich, wo weder die Bücher noch die Belege die zur Kenntnisnahme notwendigen Einzelheiten enthalten. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichtes im Zusammenhalte mit dem Inhalt des Konkursaktes S 10/52 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz sowie den im Akte erliegenden urkundlichen Unterlagen (insbesondere Kassabuch, Tagebuch, Rechnungsdurchschreibbücher, Abrechnung für Juli 1953, Einnahme- und Ausgabebelege für die Zeit vom Mai 1952 bis einschließlich Juli 1953, Bestätigungen) ergibt sich jedoch, daß der Widerbeklagte für die Zeit vom 14. Mai 1952 bis 5. Dezember 1952 dem Masseverwalter Dr. K. durch Vorlage des Kassabuches und der entsprechenden Belege Rechnung gelegt und in der Folgezeit während der Dauer seiner Geschäftsführung der Widerklägerin neben dem Kassa- und Tagebuch auch alle wesentlichen, die erforderlichen Einzelheiten enthaltenden Belege über Einnahmen und Ausgaben periodisch zur Verfügung gestellt hat. Die Übergabe der genannten Aufzeichnungen kommt aber einer formell vollständigen Rechnungslegung gleich. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, daß im Falle der Vermutung einer inhaltlich falschen Rechnungslegung der Widerklägerin durch Art. XLII EGzZPO. das Mittel an die Hand gegeben wäre, von dem Rechnungsleger die Leistung eines Eides zu verlangen. Nur auf diese Weise könnte der Widerbeklagte dazu gezwungen werden, das bekanntzugeben, was er verschweigen will (SZ. XXV 99).

Anmerkung

Z29037

Schlagworte

Abrechnung, wesentlicher Inhalt Ordnungsgemäße Rechnungslegung, wesentlicher Inhalt Rechnungslegung, wesentlicher Inhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0040OB00011.56.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19560424_OGH0002_0040OB00011_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten