TE OGH 1956/7/13 3Ob553/55

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Veröffentlicht am 13.07.1956
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Norm

ABGB §870
ABGB §879
Handelsgesetzbuch §131 Z2
Handelsgesetzbuch §133
Handelsgesetzbuch §140

Kopf

SZ 29/51

Spruch

Die Nichtigkeit eines Ausscheidungsvertrages kann vom ausgeschiedenen Gesellschafter nicht geltend gemacht werden, wenn er einen Ausschließungsgrund gesetzt hat.

Entscheidung vom 13. Juli 1956, 3 Ob 553/55.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger war auf Grund des Gesellschaftsvertrages vom 30. Jänner 1941 offener Gesellschafter der oHG. P. & St., die 1942 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde, der der Kläger als Kommanditist angehörte. Im Innenverhältnis galten aber die Bestimmungen des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages weiter. Am 6. Oktober 1945 vereinbarten die Streitteile die Ausscheidung des Klägers unter Überlassung seines Geschäftsanteiles an den Beklagten. Der Kläger erhielt dafür einen Betrag von 22.500 RM und eine Anzahl von Einrichtungsgegenständen und Warenvorräten. Der Beklagte übernahm auch die Bezahlung der rückständigen Einkommensteuer des Klägers. Der Kläger wurde daraufhin im Handelsregister gelöscht und die Firma in Anton P. "W." Herrenbekleidung geändert. Der Kläger hatte 1945 Wien verlassen und sich nach Salzburg begeben. Die Kommanditgesellschaft besaß damals einen Ausweichbetrieb in Schwarzach - St. Veit.

In der am 15. Jänner 1952 eingebrachten Klage behauptet der Kläger, daß er zum Abschluß des Auflösungsvertrages vom Beklagten mit der Androhung seiner Verhaftung gezwungen worden sei. Er sei vom Beklagten beschuldigt worden, ein Freund des Gauleiters von Wien, Baldur von Schirach, gewesen zu sein, in Wahrheit sei er aber nur ein einfaches Parteimitglied gewesen. Der Auflösungsvertrag sei daher nichtig. Da sich der Beklagte weigere, den Gesellschaftsvertrag fortzusetzen oder die Gesellschaft vertragsmäßig aufzulösen und den Gewinnanteil an den Kläger auszuzahlen, verlange der Kläger zwecks Feststellung des ihm vorenthaltenen Anteils, dessen Auszahlung gegen Rückstellung des empfangenen Betrages von 22.500 RM zu verlangen er sich vorbehalte, Rechnungslegung für die Zeit vom 1. Jänner 1944 bis 30. Juni 1954, eidliche Bekräftigung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung und Bucheinsicht.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger zwecks Feststellung seines Gewinnanteiles für die Zeit vom 1. Jänner 1944 bis 30. Juni 1954 Bucheinsicht zu gewähren; das weitere Begehren auf Rechnungslegung und Eidesleistung wurde abgewiesen.

Das Erstgericht stellte fest, daß der Kläger als illegaler PG. von der Staatspolizei gesucht wurde, ein richterlicher Haftbefehl gegen ihn erlassen und das Strafverfahren erst am 27. Jänner 1948 eingestellt worden war. Ein Beweis dafür, daß der Beklagte als Anzeiger oder Informator gegen den Kläger aufgetreten sei, sei nicht erbracht worden. Es wurde festgestellt, daß der Kläger in Salzburg mit den aus dem Verlagerungsbetrieb des Unternehmens stammenden Einrichtungsgegenständen, Maschinen und Warenvorräten ein neues Unternehmen unter dem Namen "S." gegrundet hatte, wodurch er sich der Verletzung des vertraglichen Konkurrenzverbotes schuldig machte. Es wurde festgestellt, daß eine Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern damals dringend geboten war, weil sich ein ehemaliger Betriebsangehöriger gegen den Kläger stellte und den Anteil des Klägers an der Gesellschaft zu erwerben trachtete. Nach dem Vertrag konnte an Stelle der Auflösung der Gesellschaft die Ausschließung des schuldtragenden Gesellschafters gefordert werden. Der Kläger hätte sich dem Verlangen des Beklagten auf Ausscheidung nicht mit Erfolg widersetzen können, weil er nicht nur das Konkurrenzverbot übertreten hatte, sondern auch außerstande war, seiner Verpflichtung zur Mitarbeit am Sitze des Unternehmens in Wien nachzukommen. Er hätte sich in diesem Falle mit der Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in Geld begnügen müssen. Es wurde aber auch festgestellt, daß der Beklagte dem Kläger für den Fall der Nichteinwilligung zur Ausscheidung mit seiner Verhaftung drohte und daß der endgültige Willensentschluß des Klägers durch diese Drohung mitbestimmt wurde. Die Drohung müsse in diesem Zusammenhange als ungerecht beurteilt werden, so daß nach § 870 ABGB. der Kläger nicht verbunden sei, den Vertrag zu halten. Er sei daher auch berechtigt, Bucheinsicht zu verlangen. Dagegen sei das Begehren auf Rechnungslegung und Eidesleistung abzuweisen gewesen, weil einem Gesellschafter ein Recht darauf nicht zustunde.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es übernahm die Beweiswürdigung des Erstgerichtes als unbedenklich und folgte auch der rechtlichen Schlußfolgerung, wonach die Drohung des Beklagten gegen den Kläger für den Abschluß des Dissolutionsvertrages mitbestimmend war und deshalb der Kläger nicht gebunden sei, diesen zuzuhalten. Der Kläger hätte aber den Vertrag gerichtlich anfechten müssen. Die Anfechtung habe entweder durch Klage oder durch Einrede zu erfolgen. Es hätte auch genügt, wenn der Kläger auf Rückstellung der bewirkten Leistungen geklagt hätte. Das Begehren auf Bucheinsicht und Rechnungslegung sei aber nicht auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Geschäfts gerichtet. Der Kläger mache damit nur ein einzelnes Gesellschafterrecht geltend. Die behauptete Nichtigkeit bilde in diesem Falle nur eine Vorfrage, ohne daß es dabei zu einer Nichtigerklärung durch gerichtliches Urteil kommen könne. Die begehrte Bucheinsicht könne nicht als die Rückleistung dessen, was auf Grund des erzwungenen Geschäfts verlorengegangen war, angesehen werden. Wenn durch die Nichtigerklärung der alte Gesellschaftsvertrag als weiter bestehend angesehen würde, so müßte doch erst die Gesellschaft wiederhergestellt werden. Dazu sei aber notwendig, daß beide Gesellschafter alles das leisten, was in der aufgelösten Gesellschaft vorhanden war und von ihnen übernommen wurde. Der Kläger habe sich aber nur zur Verrechnung des erhaltenen Betrages von 22.500 RM bereit erklärt, was nicht ausreichend sei, weil ihm auch andere Gesellschafterpflichten oblagen. Sein Begehren lasse nicht einmal erkennen, ob er überhaupt die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses anstrebe. Der bloßen Berufung auf die Nichtigkeit des Auflösungsvertrages könne nicht die Wirkung der gerichtlichen Anfechtung zuerkannt werden, wenn die Gesellschaft inzwischen bereits tatsächlich beendet worden sei. Eine solche Wirkung käme nur einem urteilsmäßigen Ausspruch zu. Der Auflösungsvertrag sei daher noch wirksam und dem Kläger stehe die begehrte Bucheinsicht und der Anspruch auf Rechnungslegung deshalb nicht zu. Der Kläger habe seinen Anspruch auch nicht als Schadenersatz begrundet. Es handle sich eher um einen Erkundungsbeweis, der aber nicht zulässig sei. Wenn der Kläger von einer Anfechtung absehe, könne er Schadenersatz dafür begehren, daß er bei der Ausscheidung einen zu geringen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben erhalten habe. Dieser könne sich aber nur nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens richten. Die begehrte Bucheinsicht für die Zeit nach dem Ausscheiden sei daher auch schon deshalb unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers zum Teil Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes insoweit wieder her, als der Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger zwecks Festsetzung des Auseinandersetzungsguthabens aus der Gesellschaft für die Zeit vom 1. Jänner 1944 bis 6. Oktober 1945 Bucheinsicht zu gewähren.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber vertritt die Meinung, daß eine besondere Feststellungsklage wegen Nichtigkeit des Vertrages nicht erforderlich gewesen sei. Nach § 870 ABGB. sei er nicht verbunden, den Auflösungsvertrag zuzuhalten. Das Bucheinsichtsrecht stunde ihm aber auch zu, wenn der Auflösungsvertrag gültig wäre, weil er als ausgeschiedener Gesellschafter das Recht habe, Bucheinsicht zwecks Prüfung der Ausscheidungsbilanz zu verlangen. Das Begehren auf Bucheinsicht grunde sich nicht auf einen Schadenersatzanspruch, sondern auf das Recht des Gesellschafters hiezu. Eine Feststellungsklage auf Nichtigkeit sei schon dehalb unzulässig gewesen, weil ihm eine Leistungsklage offenstand.

Die Revision ist begrundet.

Zunächst ist die Ansicht des Revisionswerbers, daß er nicht gehalten war, eine besondere Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Auflösungsvertrages zu erheben, berechtigt. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist es möglich, die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäftes ebenso wie durch Einrede auch als Begründung eines Anspruches vorzubringen, in welchem Falle das Gericht die Frage als Vorfrage zu lösen hat. Die dagegen ins Treffen geführten Erwägungen des Berufungsgerichtes sind nicht überzeugend. Bei der offenen Handelsgesellschaft, die auf dem bloßen Konsens der Gesellschafter beruht, bedarf es weder eines besonderen formellen Gründungsaktes noch auch eines Aktes der Wiederherstellung einer durch nichtigen Vertrag aufgelösten Gesellschaft. Die Nichtigkeit des Auflösungsvertrages wirkt ex tunc. Der Kläger wäre so anzusehen, als ob er als Gesellschafter nie ausgeschieden wäre, die Gesellschaft nie aufgelöst worden wäre (ZBl. 1928 Nr. 194). Der Auflösungsvertrag ist daher nicht, wie das Berufungsgericht meint, deshalb wirksam, weil eine ausdrücklich durch Klage geltend zu machende Anfechtung nicht erfolgte, wohl aber kann der Kläger aus einem anderen Gründe den erfolgten Ausschluß nicht mit Erfolg anfechten.

Die Untergerichte haben festgestellt, daß sich der Kläger infolge der von ihm gesetzten Ausschließungsgrunde einer Ausschließungsklage des Beklagten nicht mit Erfolg hätte widersetzen können. Dieser Meinung tritt der Oberste Gerichtshof mit Rücksicht auf die Schwere der festgestellten Verletzungen der Gesellschafterpflichten - Übertretung des Konkurrenzverbotes und mangelnde Mitarbeit im Unternehmen - bei. Der Kläger kann daher nicht unter Berufung darauf, daß die Einwilligung zu seinem, an sich gerechtfertigten Ausscheiden aus der Gesellschaft erzwungen worden sei, dieses Ausscheiden als für sich unverbindlich erklären, weil dadurch das tatsächlich bestandene Ausschließungsrecht des Beklagten verletzt würde, das er einredeweise in diesem Rechtsstreit geltend gemacht hat. Diese Einwände müssen als exceptio doli trotz des dem Kläger widerfahrenen Zwanges beachtet werden, weil der Kläger sonst in eine Lage versetzt würde, die weitaus besser wäre als die, in der er sich vor Ausübung des Zwanges befunden hatte. Diese Einrede des Beklagten vernichtet das Anfechtungsrecht des Klägers, allerdings nur hinsichtlich der Tatsache seines Ausscheidens aus der Gesellschaft, nicht auch hinsichtlich der übrigen Bestimmungen des Dissolutionsvertrages, insbesondere nicht hinsichtlich der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung. In dieser Hinsicht muß der Kläger infolge des ihm mitgespielten Zwanges die Vereinbarung nicht anerkennen und er hat - so wie er es in der Klage selbst ausführte - das Recht, zu verlangen, daß die Gesellschafter sich den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages entsprechend auseinandersetzen und ihm sodann sein entsprechender Anteil ausgezahlt werde, soweit er ihm noch vorenthalten erscheint.

Zur Feststellung der Höhe dieses Anteiles, die gemeinsam von den Gesellschaftern vorzunehmen ist, muß dem Kläger aber auch das Recht der Bucheinsicht gewährt werden, denn die Bücher aus der Zeit der gemeinsamen Gesellschaft sind gemeinsame urkunden, deren Einsicht auch dem ehemaligen Gesellschafter nicht verwehrt werden darf (RGZ. 15, 80). Nur für diejenigen Geschäfte, an denen der ehemalige Gesellschafter beteiligt bleibt, die nach seinem Austritt abgewickelt worden sind, kann er nicht mehr die Rechte des § 118 HGB. geltend machen, sondern muß sich in der Regel mit der Rechnungsablegung am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres begnügen (RGZ. 25, 252; RGZ. 117, 332). Es wäre nicht sinnvoll, wenn man, wie dies vereinzelt im Schrifttum geschehen ist, dem ehemaligen Gesellschafter die Einsicht in die Bücher verweigern wollte, die sich auf die Zeit seiner Teilhaberschaft beziehen. Das Recht des ausgeschiedenen Gesellschafters ist aber auf die Geschäftsbücher und Papiere bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens beschränkt. Der Revisionswerber konnte daher Bucheinsicht verlangen, allerdings nur bis zum 6. Oktober 1945 als vereinbartem Tag seines Ausscheidens aus der Gesellschaft.

Anmerkung

Z29051

Schlagworte

Ausscheidungsvertrag, Nichtigkeit, Ausschließungsgrunde, Ausschließung eines Gesellschafters, Nichtigkeit eines, Ausscheidungsvertrages, Gesellschaftsrecht, nichtiger Ausscheidungsvertrag„ Ausschließungsgrunde, Kommanditgesellschaft nichtiger Ausscheidungsvertrag, Nichtigkeit eines Ausscheidungsvertrages, Ausschließungsgrunde, Offene Handelsgesellschaft nichtiger Ausscheidungsvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0030OB00553.55.0713.000

Dokumentnummer

JJT_19560713_OGH0002_0030OB00553_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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