TE OGH 1956/11/7 3Ob501/56

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Veröffentlicht am 07.11.1956
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Norm

Anfechtungsordnung §3 Z1

Kopf

SZ 29/74

Spruch

Gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke im Sinne des § 3 Z. 1 AnfO. sind solche, die aus Anlaß gewisser Festtage oder besonderer Familienereignisse üblicherweise gegeben werden und verhältnismäßig geringeren Ausmaßes sind.

Entscheidung vom 7. November 1956, 3 Ob 501/56.

I. Instanz: Bezirksgericht Leoben; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Die Mutter des Beklagten, Katharina L., wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 23. Mai 1955, 3 Cg 563/54, schuldig erkannt, der Klägerin einen Betrag von 8000 S zu bezahlen. Die auf Grund dieses Urteiles von der Klägerin gegen Katharina L. geführte Exekution blieb zum größten Teil fruchtlos.

Die Klägerin begehrt nun die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 2000 S mit der Begründung, die Mutter des Beklagte habe den zum Vermögen und Nachlaß des verstorbenen Johann R. gehörigen Betrag von 16.000 S abgehoben und an sich genommen, obwohl sie nur zu gleichen Teilen mit der Klägerin Erbin des Nachlasses sei. Von diesem Betrag habe sie 4000 S dem Beklagten geschenkt, durch welche Schenkung die Klägerin, die auf Grund des oben bezeichneten Urteiles gegen die Mutter des Beklagten ergebnislos Exekution geführt habe, benachteiligt worden sei. Die Klägerin fechte deshalb diese Schenkung und die Inempfangnahme des Geldes gemäß § 2 Z. 3 und § 3 Z. 1 AnfO. an.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Beklagte nur einen Betrag von 2000 S von seiner Mutter erhalten habe und in dem Zeitpunkte der Inempfangnahme des Geldes nicht habe wissen können, daß seiner Mutter nur ein Anspruch auf einen Betrag von 8000 S und nicht auf einen solchen von 16.000 S zustehe; er habe deshalb auch nicht vermuten können, daß mit der Schenkung eine Benachteiligungsabsicht der Katharina L. dritten Personen gegenüber verbunden sei. Die Schenkung sei auch nicht nach § 3 AnfO. anfechtbar, weil Katharina L. in den vorangegangenen Jahren ihrem Sohne nichts habe geben können, zumal er in der Obhut von Zieheltern und sie selbst mittellos gewesen sei. Der gegebene Betrag stelle unter den vorliegenden Umständen ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk dar.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte aus, daß es sich bei der vorliegenden Schenkung nicht um ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk oder eine Verfügung in angemessener Höhe handle, durch die einer sittlichen Pflicht oder Rücksichten des Anstandes entsprochen worden sei. Es habe für Katharina L. kein Anlaß bestanden, ein Geschenk dieses Ausmaßes und dieser Art zu machen. Katharina L. habe kein Vermögen und kein Einkommen gehabt, sondern nur aus dem Testament des Johann R. einen Betrag von 8000 S erwarten können; unter diesen Umständen sei die Überlassung von 2000 S nicht angemessen. Unter Gelegenheitsgeschenken seien solche zu verstehen, die zu Ereignissen gegeben zu werden pflegen, die in der Person des Begünstigten eintreten. Der Beklagte sei daher zur Herausgabe des Betrages verpflichtet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Ein Aktenwidrigkeit erblickt die Revision in der Annahme des Berufungsgerichtes, daß die dem Beklagten geschenkten 2000 S aus jenem Geld stammen, auf welches die Klägerin einen erbrechtlichen Anspruch hatte, obwohl diese Feststellung mit dem Inhalt der Prozeßakten im Widerspruch stehe, wonach Katharina L. einen rechtlichen Anspruch auf den Betrag von 8000 S aus dem Nachlaß des Johann R. gehabt habe.

Diese Ausführungen lassen erkennen, daß der Rechtsmittelwerber Sinn und Zweck der Anfechtungsordnung offenbar verkennt. Nach § 1 AnfO. können alle Rechtshandlungen, die das Vermögen eines Schuldners betreffen, zum Zwecke der Befriedigung eines Gläubigers angefochten und diesem gegenüber als unwirksam erklärt werden. Es kommt daher gar nicht darauf an, ob der Schuldner durch die anfechtbare Rechtshandlung über materiell fremdes Vermögen, sondern nur darauf, ob er durch eine solche Handlung über sein Vermögen in einer Art verfügt hat, durch die ein Gläubiger benachteiligt werden kann. Beide Untergerichte haben festgestellt - und dies wird von der Revision gar nicht bestritten -, daß Katharina L. dem Beklagten einen Betrag von 2000 S, der sich faktisch in ihrem Besitz befunden hat, geschenkt habe und daß hiedurch die Befriedigung der Forderung der Klägerin gegen die Genannte insofern vereitelt wurde, als eine gegen Katharina L. zur Hereinbringung des Betrages von 8000 S von der Klägerin geführte Exekution zum größten Teil fruchtlos geblieben ist. Daß der Betrag von 2000 S, den Katharina L. dem Beklagten geschenkt hat, aus dem der Klägerin angefallenen Betrag stammt, hat das Berufungsgericht gar nicht festgestellt; von einer Aktenwidrigkeit kann daher keine Rede sein.

Was aber die rechtliche Beurteilung anlangt, so geht die Revision bei ihren Ausführungen gleichfalls, von der unrichtigen Voraussetzung aus, es komme darauf an, ob das Rechtsgeschäft, welches Gegenstand der Anfechtung ist, sich auf ein Vermögen beziehe, das widerrechtlich in den Besitz der Schuldnerin gelangt ist. Wie bereits ausgeführt, ist lediglich maßgebend, daß durch eine Rechtshandlung, hier die Schenkung des Betrages von 2000 S durch die Schuldnerin der Klägerin, Katharina L., die Klägerin hinsichtlich ihrer Forderung gegen die L. benachteiligt wurde. Daß dies der Fall ist, kann vom Beklagten ernstlich nicht bestritten werden, weil nach dem Inhalt der Akten die gegen Katharina L. von der Klägerin zur Hereinbringung ihrer Forderung geführte Exekution fast zur Gänze ergebnislos geblieben ist. Ob Katharina L. redliche oder unredliche Besitzerin des Betrages war, den sie dem Beklagten geschenkt hat, ist daher bedeutungslos.

Wenn die Revision weiters geltend macht, es habe sich bei der Hingabe des Betrages von 2000 S um ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk in angemessener Höhe gehandelt, so ist ihr zunächst entgegenzuhalten, daß der Beklagte in erster Instanz dem Klageanspruch eine derartige Einwendung gar nicht entgegengesetzt hat. Abgesehen davon ist dem Berufungsgerichte beizupflichten, daß Katharina L., die über keinerlei Einkommen verfügte und der lediglich ein Anspruch auf einen Erbteil in der Höhe von 8000 S zustand, keinen stichhältigen Grund hatte, dem Beklagten einen Betrag von 2000 S, der in keinem Verhältnis zu ihrem Vermögen oder Einkommen stand, zu schenken. Gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke sind solche, die aus Anlaß gewisser Festtage oder besonderer Familienereignisse üblicherweise gegeben werden und verhältnismäßig geringeren Ausmaßes sind (GlUNF. 1620). Der Anfall eines Erbteiles ist kein Familienereignis, das üblicherweise Anlaß zu einem Geschenk wäre; überdies steht die Höhe des Geschenkes zur Höhe der angefallenen Erbschaft (ein Viertel des ganzen Anfalles) und zum sonstigen Vermögen und Einkommen der Geschenkgeberin in einem auffallenden Mißverhältnis. Von einem üblichen Gelegenheitsgeschenk geringeren Ausmaßes kann daher nicht gesprochen werden. Daß Katharina L. in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gehandelt hätte, hat der Beklagte überhaupt nie behauptet, weshalb auf diese Ausführungen nicht eingegangen werden kann. Die Revision erweist sich somit in allen Punkten als unbegrundet, weshalb ihr der Erfolg versagt bleiben mußte.

Anmerkung

Z29074

Schlagworte

Anfechtung, gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke, Gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke, Anfechtung, Gelegenheitsgeschenke, Begriff, Schenkungsanfechtung, Gelegenheitsgeschenke

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0030OB00501.56.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19561107_OGH0002_0030OB00501_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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