TE OGH 1956/11/28 7Ob588/56

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Veröffentlicht am 28.11.1956
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Bernard als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser, Dr. Sabaditsch und Dr. Lachout sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Lassmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Vaduz, Liechtenstein, vertreten durch Dr. Theodor Rauscher, Rechtsanwalt in Neuhofen a.d. Krems, OÖ, wider die beklagte Partei "B***** in Liquidation", Sitz K*****, vertreten durch den Liquidator Dr. Herbert Eggstain, Rechtsanwalt in Wien 1., Elisabethstraße 15, wegen 100.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1956, GZ 5 R 376/56-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 25. April 1956, GZ 2 Cg 514/54-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil und das Urteil des Gerichtes erster Instanz, soweit dieses das aufrechterhaltene Begehren auf Zahlung von S 100.000 samt 4 % Zinsen seit 2. 10. 1954 und den Kostenpunkt betrifft, werden aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfange an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen, das die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln haben wird.

Text

Begründung:

Die klagende Partei behauptet, dass sie mit Kaufvertrag vom 30. 9. 1950 und 2. 10. 1950 eine Liegenschaft von der beklagten Partei gekauft habe. Die beklagte Partei habe die vollständige Satz- und Lastenfreiheit mit Ausnahme der im Vertrag angeführten Servituten zugesichert. Es habe sich jedoch nachträglich herausgestellt, dass über die Liegenschaft ein Weg führe, der als Schul- und Kirchenweg bezeichnet und als öffentlicher Weg in Anspruch genommen werde. Außerdem sei hervorgekommen, dass zugunsten der den Ehegatten A***** gehörigen Liegenschaftsenklave über einen Teil des Anwesens ein Fahrtrecht bestehe. Schließlich werde von den Eigentümern des dienenden Grundstückes Puchmayerhof die Servitut streitig gemacht, die auf der erworbenen Liegenschaft als dem herrschenden Gute einverleibt ist. Dadurch sei der Wert des gekauften Objektes um einen Betrag von 100.000 S vermindert. In dieser Höhe habe die klagende Partei einen Schaden erlitten. Sie begehrte nunmehr die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung des genannten Betrages sowie eines weiteren Betrages von 50.000 S; um diese 50.000 S hat die klagende Partei das Klagebegehren im Zuge des Verfahrens wieder eingeschränkt. Das Erstgericht wies mit Urteil vom 25. 4. 1956 das Klagebegehren auf Zahlung von 150.000 S (also auch bezüglich des oben erwähnten Betrages von 50.000 S) ab und bezeichnete in seinen Entscheidungsgründen das Urteil hinsichtlich des zuletzt genannten Betrages als Verzichturteil. Die Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 50.000 S ist in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil. Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Aufhebung der Urteile der Untergerichte und Zurückverweisung der Sache an eine der Unterinstanzen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Laut Amtsvermerkes des Berufungsgerichtes vom 13. 7. 1956 haben die Vertreter der Prozessparteien vor Aufruf der Sache erklärt auf die Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung zu verzichten. Darin liegt seitens der klagenden Partei ein Widerruf des in der Berufungsschrift gestellten Antrages auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung. § 492 Abs 1 ZPO sieht für die Verzichterklärung der Prozessparteien allerdings die Form des Schriftsatzes vor. Diese Bestimmung hat aber offenbar den Fall im Auge, dass die Verzichterklärung außerhalb einer mündlichen Verhandlung und nicht in Gegenwart des Prozessgegners und des Gerichtes abgegeben wird. Da in der Berufungsverhandlung Prozesshandlungen der Parteien zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen sind, besteht auch kein Bedenken, Erklärungen, mit denen ein Antrag auf Anberaumung einer Berufungsverhandlung widerrufen wird, vor Eingang in die Verhandlung zu protokollieren. Für die Zulässigkeit eines Amtsvermerkes über ein solches Vorbringens spricht die Vorschrift des § 55 Abs 3 GeO. Aber selbst wenn man die Ansicht verträte, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar gewesen sei, liegt keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne von § 503 ZPO vor. Haben die Parteien ausdrücklich auf die Berufungsverhandlung verzichtet, dann können sie sich über Abführung des Verfahrens in nichtöffentlicher Sitzung nicht beschweren.

Mit dem Kaufvertrag vom 30. 9. und 2. 10. 1950 hat die beklagte Partei ausdrücklich die Haftung für die Satz- und Lastenfreiheit der verkauften Liegenschaft übernommen, soweit nicht die Servituten einzeln im Kaufvertrag angeführt wurden. Unter diesen Servituten befinden sich nicht der sogenannte Schul- und Kirchenweg, der als öffentlicher Weg in Anspruch genommen wird, und die Zufahrtsstraße zu dem von der verkauften Liegenschaft eingeschlossenen Anwesen der Ehegatten A*****. Bei Bestand dieser Rechte - meint die Klägerin - sei der Wert der verkauften Liegenschaft um 100.000 S gemindert. Diese Wertminderung, die in der Klage auch als erlittener Schade bezeichnet wird, habe die Beklagte der Klägerin zu ersetzen. In Wahrheit macht hier die klagende Partei nicht einen Schadenersatzanspruch (wie die Untergerichte irregeführt durch die Bezeichnung in der Klage meinen), sondern einen Gewährleistungsanspruch in der Richtung der Kaufpreisminderung geltend.

Gewährleistungsansprüche, die unbewegliche Sachen betreffen, sind binnen 3 Jahren zu erheben. Die von Amts wegen wahrzunehmende Ausschlussfrist beginnt, wenn der Mangel in einer auf der Sache haftenden Last besteht, mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der von dem Dritten erhobene Anspruch dem Erwerber der Sache bekannt wurde (Gschnitzer im Klang Kommentar, 2. Auflg IV. Bd bei § 933 unter II 2a und b und § 932 unter A IV 2 sowie Jud 228, GlUNF 7446). Das ist also bei gerichtlicher Geltendmachung die Zustellung der Klage an den Erwerber der Liegenschaft und bei außergerichtlicher Erhebung des Anspruches seitens des Dritten die Glaubhaftmachung des das Eigentum beschränkenden Rechtes. An diese Glaubhaftmachung ist jedoch kein strenger Maßstab anzulegen (Gschnitzer im Klang Komm 2. Auflg IV. Bd § 933 unter II b, Ehrenzweig § 324 II, GlUNF 7446 und EvBl 1938, 308). Die bloße Behauptung des Dritten, dass ihm ein Recht an der Liegenschaft zustehe, genügt also nicht. Ebensowenig reicht die Tatsache der "Ablieferung" (§ 933 ABGB) aus, als welche bei unbeweglichen Sachen die faktische Übergabe in Betracht käme, die nach den Feststellungen der Untergerichte am 1. 2. 1950 erfolgt ist. Bezüglich des öffentlichen Weges müssten also ebenso wie bezüglich des Fahrtrechtes der Ehegatten A***** der beklagten Partei gegenüber von den Berechtigten Tatsachen glaubhaft gemacht worden sein, die das Bestehen der das Eigentum beschränkenden Rechte dartun. Feststellungen hierüber fehlen. Ja es liegen nicht einmal Prozessbehauptungen der Beklagten in dieser Richtung vor. Notwendig ist für den Beginn des Laufes der Ausschlussfrist ebenso wie für den Beginn der Verjährungsfrist (§ 1489 ABGB) die Kenntnis, nicht die bloße Kenntnismöglichkeit und noch weniger die Vermutung in Bezug auf die haftungsbegründenden Eigentumsbeschränkungen. Allerdings genügt die Kenntnis des Bevollmächtigten für den Fall, dass dieser im Rahmen seiner Bevollmächtigung handelnd die Kenntnis erlangt hat (1 Ob 98/56). Das folgt aus dem ersten Satz des § 1017 ABGB (§ 7 ABGB). Um beurteilen zu können, ob die Kenntnisnahme des Bevollmächtigten auch gegen den Machthaber wirkt, ist die Feststellung des Inhaltes des Bevollmächtigungsvertrages sowie des Anlasses der Kenntnisnahme durch den Bevollmächtigten erforderlich.

Zur Frage eines allfälligen Schadenersatzanspruches der Klägerin sei noch folgendes bemerkt: § 932 ABGB behält im letzten Satz seines Abs 1 dem Übernehmer ausdrücklich einen Anspruch auf Ersatz des vom Übergeber verschuldeten Schaden vor. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Schadenersatzanspruch vom Gewährleistungsanspruch nur durch das Erfordernis eines schuldhaften Verhaltens unterscheidet (siehe hiezu die Ausführungen von Gschnitzer im Klang Komm. 2. Auflg IV. Bd zu § 932 unter B S 545 bis S 547 und Fußnote 164 auf der zuletzt genannten Seite), der Minderwert ist nicht mit Schaden zu verwechseln. Es wird daher nochmals darauf verwiesen, dass die vorliegende Klage Preisminderung geltend macht, also einen Gewährleistungsanspruch und keinen Schadenersatzanspruch erhebt. Aus den obigen Erwägungen erweist sich die Rechtsrüge gerechtfertigt, ohne dass die Frage zu untersuchen war, ob ein allfälliger Schadenersatzanspruch der ja gar nicht erhoben wurde, nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes bereits verjährt wäre, und ohne dass darauf einzugehen war, ob das Berufungsgericht den Unmittelbarkeitsgrundsatz etwa durch ergänzende Feststellungen aus den in erster Instanz aufgenommenen Beweisen verletzt hat. Da die Sache noch nicht spruchreif ist, waren die Urteile beider Untergerichte im Umfange der Anfechtung aufzuheben und die Sache war an das Erstgericht zurückzuverweisen, das den Sachverhalt mit den Parteien im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichtes neuerlich zu erörtern haben wird. Der Anspruch über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E74392 7Ob588.56

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1956:0070OB00588.56.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19561128_OGH0002_0070OB00588_5600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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