TE OGH 1957/10/9 1Ob546/57

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Veröffentlicht am 09.10.1957
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Norm

Außerstreitgesetz §16
Todeserklärungsgesetz 1950 §4
Todeserklärungsgesetz 1950 §9

Kopf

SZ 30/55

Spruch

Bei der Todeserklärung nach § 4 TodeserklärungsG. 1950 ist der Todestag nur dann nach § 9 Abs. 3 TodeserklärungsG. 1950 festzusetzen, wenn sich nicht gemäß § 9 Abs. 2 TodeserklärungsG. 1950 ein anderer Zeitpunkt als der wahrscheinlichste feststellen läßt.

Die Annahme des Vermißtseins ist zum Teil eine Tatsachenfeststellung, zum Teil eine rechtliche Beurteilung.

Entscheidung vom 9. Oktober 1957, 1 Ob 546/57.

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht erklärte Bernhard D. für tot und sprach aus, daß er den 25. März 1945 nicht überlebt habe. Es nahm als erwiesen an, daß Bernhard D. als Angehöriger der deutschen Wehrmacht am zweiten Weltkrieg teilgenommen habe, seit 25. März 1945 bei Prag vermißt sei und seither jede Nachricht fehle.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin, der sich nur gegen den festgesetzten Todestag richtete, keine Folge. Da sich die Todeserklärung zutreffend auf § 4 TodeserklärungsG. 1950 stütze, bleibe dem Gericht keine Wahl des Todeszeitpunktes, sondern habe es gemäß § 9 Abs. 3 lit. b TodeserklärungsG. 1950 den Zeitpunkt als Todestag zu bestimmen, an welchem der Verschollene vermißt worden sei. Dies sei der 25. März 1945, weil ihr der Verschollene an diesem Tag die letzte Nachricht habe zukommen lassen und seit dieser Zeit vermißt sei.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Antragstellerin Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit geltend. Beide Anfechtungsgrunde werden in der Annahme der Untergerichte erblickt, daß der Verschollene seit 25. März 1945 vermißt sei. Als Zeitpunkt des Vermißtseins könne nur das Ende der allgemeinen Kriegsgefahr, das ist der 8. Mai 1945, angenommen werden. Dieser Tag sei daher als Todestag anzunehmen. Dieser Todestag sei auch gemäß § 9 Abs. 2 TodeserklärungsG. 1950 der wahrscheinlichste Zeitpunkt des Todes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage des Vermißtseins anlangt, so liegen die geltend gemachten Anfechtungsgrunde nicht vor. Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn in dem angefochtenen Beschluß der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben und auf diese unrichtige Wiedergabe eine rechtlich erhebliche Feststellung oder Rechtsansicht gegrundet wird. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt dann vor, wenn die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz selbst so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Beides trifft hier nicht zu. Die Annahme des Vermißtseins beinhaltet zum Teil eine Tatsachenfeststellung, zum Teil eine rechtliche Beurteilung. Der Begriff des Vermißtseins ist im Gegensatz zum Begriff der Verschollenheit im Gesetz nicht definiert, wird von ihm nicht immer auseinandergehalten und auch nicht immer im gleichen Sinne verwendet. Die Frage, was darunter im § 4 TodeserklärungsG. 1950 zu verstehen ist, muß daher durch Rechtsauslegung gelöst werden. Eine irrige Auslegung könnte demnach keinesfalls eine offenbare Gesetzwidrigkeit sein. Die Ausführungen im Revisionsrekurs zu dieser Frage stellen sich daher zum Teil als Bekämpfung einer Tatsachenfeststellung, zum Teil als Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung dar. Beide Anfechtungsgrunde sind jedoch im Rahmen des Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG. unzulässig.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit ist aber in der Rechtsansicht des Rekursgerichtes gelegen, daß im Falle der Todeserklärung nach § 4 TodeserklärungsG. 1950 als Zeitpunkt des Todes nur der im § 9 Abs. 3 lit. b TodeserklärungsG. 1950 genannte in Betracht komme. Wie sich nämlich aus den Einleitungsworten des Abs. 3 eindeutig ergibt, kommt dieser Todestag nur dann in Betracht, wenn sich nicht gemäß § 9 Abs. 2 TodeserklärungsG. 1950 ein anderer Zeitpunkt als der wahrscheinlichste feststellen läßt. Primär ist also auch im gegenständlichen Fall als Zeitpunkt des Todes der wahrscheinlichste festzustellen. Das Rekursgericht hätte daher primär sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob ein solcher wahrscheinlichster Zeitpunkt feststellbar ist. Da es dies infolge seiner unrichtigen Ansicht unterlassen hat, war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen, wobei auf die im Revisionsrekurs angeführten Argumente Bedacht zu nehmen sein wird.

Anmerkung

Z30055

Schlagworte

Todeserklärung, vermutlicher Todeszeitpunkt Vermißtsein, Tatsachenfeststellung und Rechtsfrage Vermuteter Todeszeitpunkt nach § 9 TodeserklärungsG. 1950 Wahrscheinlichster Todeszeitpunkt nach § 9 TodeserklärungsG. 1950 Zeitpunkt des vermutlichen Todes nach § 9 TodeserklärungsG. 1950

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1957:0010OB00546.57.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19571009_OGH0002_0010OB00546_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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