TE OGH 1957/11/20 1Ob604/57

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Veröffentlicht am 20.11.1957
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Norm

ABGB §1016
ABGB §1017
ABGB §1175
Handelsgesetzbuch §15
Handelsgesetzbuch §105

Kopf

SZ 30/75

Spruch

Zum äußeren Tatbestand einer Gesellschaft.

Entscheidung vom 20. November 1957, 1 Ob 604/57.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrte von beiden Beklagten die Bezahlung der von ihnen erteilten Insertionsaufträge auf Grund der Rechnungen vom 17. Dezember 1956 bis 25. März 1957 in der Höhe von 40.510 S 10 g.

Das Erstgericht verurteilte beide Beklagte zur ungeteilten Hand, der Klägerin den eingeklagten Betrag samt Stufenzinsen zu bezahlen. Es führte aus, die beklagten Brüder betrieben in ihrem Geschäftslokal je ein gesondertes Autohandelsgeschäft und jeder habe in diesem Lokal eine nicht protokollierte Autohandelsfirma. Über der Eingangstür zum Lokal sei ein kleines Geschäftsschild mit der Aufschrift "Karl P." und zu beiden Seiten der Eingangstür seien zwei größere Geschäftsschilder mit der Aufschrift "Autohaus P."

angebracht. Von der Straße gelange man zuerst in einen kleinen Empfangsraum, von dort in einen großen Autoausstellungsraum und von diesem in der äußersten Ecke zu einem Zimmer, das mit "Autohaus P."

beschriftet sei und in dem eine Angestellte des Erstbeklagten Karl P. sitze. Außerdem gelange man vom großen Autoausstellungsraum auch in einen Sackgang und von diesem in ein Zimmer, das mit "Josef P."

beschriftet sei und in dem der Zweitbeklagte Josef P. sitze. Die Brüder P. hätten eine gesonderte Kasse, was aber nach außen hin nicht erkennbar sei. In einer und derselben Lade im Geschäfte lägen drei Stampiglien mit folgenden Aufschriften: a) "Autohaus P., Wien III.", b) "Automobile Karl P., Wien III." und c) "Josef P., Automobile, Wien III.". Der Angestellte Dr. Franz R. habe immer für die beiden Brüder gearbeitet. Frau B. sei Angestellte des Erstbeklagten Karl P. und Frl. K. Angestellte des Zweitbeklagten Josef P. Daneben hielten sich auch die beiden Beklagten selbst im Geschäftslokal auf. Im Frühjahr 1956 habe der Angestellte der Klägerin Michael K. im Geschäftslokal wegen Inseraten vorgesprochen. Er sei zuerst an den Erstbeklagten Karl P. herangetreten, der ihm aber gleich erklärt habe: "Das macht mein Bruder", ohne aber Genaueres zu Michael K. zu sagen. Mit dem ebenfalls anwesenden Zweitbeklagten Josef P. habe Michael K. sodann vereinbart, daß alle Inserate des Autohauses P. bei Michael K. für die Klägerin aufgegeben werden sollten. In der Folge sei Michael K. wöchentlich (am Freitag) ins Geschäftslokal gekommen und habe von einer dort anwesenden Person, meistens von Dr. Franz R., eine schriftliche Inseratenbestellung erhalten. Diese Bestellungen seien von Dr. Franz R. mit einer der drei oben angeführten Stampiglien abgestempelt worden. Er selbst habe unterschrieben. Michael K. habe vereinbarungsgemäß neunzig Tage nach dem Erscheinen der Inserate im Geschäftslokal der Beklagten bei Frau B. den Rechnungsbetrag einkassiert, wobei die Quittungen von Michael K. manchmal auf "Josef P., Autohaus" oder auf "Autohaus P." ausgestellt worden seien. Die ab 14. Dezember 1956 erteilten Insertionsaufträge seien bisher unbeglichen geblieben. Diese Bestellscheine seien teils nur stampigliert, teilweise mit der Unterschrift des Zweitbeklagten Josef P. oder des Dr. Franz R. versehen. Die verschiedenen Stampiglien seien abwechselnd benützt worden. Die Rechnungen seien von der Klägerin an den Zweitbeklagten Josef P. adressiert worden. Der Zeuge Michael K. habe angenommen, daß jeder der beiden Brüder im Autohaus ein verschiedenes Ressort habe. Während der Dauer der laufenden Aufträge seien die an den Zweitbeklagten Josef P. adressierten Rechnungen und die auf "Josef P." oder "Autohaus P."

ausgestellten Quittungen nicht beanstandet worden. Eine Beanstandung sei durch den Zweitbeklagten erst vorgenommen worden, als der Erstbeklagte Karl P. schon verhaftet gewesen sei (Ende März 1957). Zu dieser Zeit habe aber Michael K. keine Bestellungen mehr entgegengenommen. Dem Zeugen Michael K. sei von den Beklagten nicht gesagt worden, daß der Zweitbeklagte Josef P. nur im Auftrag und im Namen des Erstbeklagten Karl P. Bestellungen aufgebe. Durch die ständig wechselnden Stampiglierungen, durch ihr allgemeines Verhalten (Betrieb von Autogeschäften im selben Lokal), durch das Unbeanstandetlassen des Adressaten auf den Quittungen und Rechnungen und durch das Unterlassen von Aufklärungen über die zwischen den Beklagten bestehenden Rechtsbeziehungen hätten die Beklagten der Klägerin gegenüber den äußeren Tatbestand einer zwischen ihnen bestehenden Handelsgesellschaft gesetzt. Die Beklagten hafteten daher solidarisch für die Bezahlung der Inserate, mögen sie auch nur Fahrzeuge des Erstbeklagten Karl P. betroffen haben, was aber nicht als erwiesen angenommen werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und im wesentlichen auch dessen rechtliche Beurteilung der Sache. Aus dem Verhalten der Beklagten, so meinte das Berufungsgericht, habe die klagende Partei schließen müssen, daß die beiden Beklagten zumindest bei der Werbung ihr gegenüber eine Außen-Handelsgesellschaft betrieben. Eine solche liege immer dann vor, wenn mehrere Personen nach außen hin als organisierte Gemeinschaft aufträten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Zweitbeklagten Josef P. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber muß zugeben, daß der Bestand einer offenen Handelsgesellschaft zu vermuten ist, wenn zwei Kaufleute, wie es die Beklagten sind, als organisierte Gemeinschaft auftreten. Er meint jedoch, daß der von den Untergerichten festgestellte Sachverhalt nicht ausreiche, um der Klägerin gegenüber vom äußeren Tatbestand einer solchen Gemeinschaft sprechen zu können. Auch sei es unzutreffend, wenn das Berufungsgericht bei Kaufleuten von einer Außen-Handelsgesellschaft, also einer Erwerbsgesellschaft des bürgerlichen Rechtes, spreche, obwohl die organisierte Gemeinschaft von Kaufleuten nur als offene Handelsgesellschaft angesehen werden könnte.

Wenn dem Revisionswerber im letztangeführten Punkt auch teilweise beizupflichten ist, kommt es auf die Frage, als welche Art von organisierter Gemeinschaft Michael K. und mit ihm die Klägerin das "Autohaus P." angesehen haben, nicht an. Maßgebend war nur, ob die Beklagten den äußeren Tatbestand einer solchen Gemeinschaft, mag diese rechtlich wie immer zu beurteilen sein, gesetzt haben.

Dem Zeugen Michael K. präsentierte sich das "Autohaus P." als eine im selben Geschäftslokal untergebrachte Einheit mit verschiedenen Beteiligten, von denen er nicht annehmen konnte, daß sie getrennte Firmen betrieben. Der Wortlaut der von den Beklagten verwendeten Stampiglien war undeutlich und konnte überdies nicht den Eindruck besonderer Bedeutung bei Michael K. hervorrufen, weil die Stampiglien wahllos verwendet wurden, so daß Michael K. auf den Unterschied der Vornamen der beiden Beklagten auf den verschiedenen Bestellscheinen keinerlei Wert legen konnte. Es war auch ohne Bedeutung, daß die Beklagten keinen besonderen Firmenzusatz führten. Für die Erweckung des äußeren Anscheins einer gesellschaftlichen Verbindung der beiden Beklagten genügte es, daß von einem "Autohaus P." die Rede war und daß sich der Betrieb der beiden Beklagten als eine Einheit darstellte.

Davon, daß dem Zeugen Michael K. und damit auch der Klägerin erkennbar gewesen wäre, die Zusammenarbeit der Beklagten bestehe nur im Innenverhältnis und der Zweitbeklagte sei nur Bevollmächtigter des Erstbeklagten, kann nicht die Rede sein. Zu diesem Zweck hätten die Beklagten auf das Vollmachtsverhältnis hinweisen bzw. nach außen sichtbar ihre Geschäftsbetriebe so sondern müssen, daß außenstehende Dritte vom Bestand der getrennten Unternehmungen Kenntnis erlangen konnten. Das ist nach den umfassenden, klaren Feststellungen des Erstgerichtes, die das Berufungsgericht übernommen hat, nicht geschehen. Michael K. konnte daher auch nicht annehmen, daß bei den Beklagten nur die Werbung, nicht aber auch der Geschäftsbetrieb gemeinsam sei.

Die Untergerichte sind daher zu dem zutreffenden rechtlichen Schluß gekommen, daß auch der Zweitbeklagte Josef P. auf Grund des von ihm und dem Erstbeklagten Karl P. bei der Klägerin erweckten äußeren Anscheins des Bestandes einer gesellschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Beklagten für die Bezahlung der aufgegebenen Inserate haftet, gleichgültig von wem die Aufträge erteilt worden sind.

Anmerkung

Z30075

Schlagworte

Äußerer Tatbestand, Gesellschaftsverhältnis, Gesellschaftsverhältnis, äußerer Tatbestand, Tatbestand, äußerer, Gesellschaftsverhältnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1957:0010OB00604.57.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19571120_OGH0002_0010OB00604_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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