TE OGH 1957/12/4 3Ob540/57

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Veröffentlicht am 04.12.1957
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Norm

ABGB §891
ABGB §1284

Kopf

SZ 30/82

Spruch

Leibrentenschuld ist Solidarschuld.

Entscheidung vom 4. Dezember 1957, 3 Ob 540/57.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Auf Grund des Leibrentenvertrages vom 17. Juli 1951 hat die Beklagte und Widerklägerin ihre Liegenschaft EZ. 15 GB. P. an den Kläger und dessen Gattin Maria Sch. übertragen. Die Übernehmer haben sich verpflichtet, der Beklagten eine lebenslängliche, höchstens 20jährige monatliche Rente zu bezahlen, und zwar vom 1. September 1951 bis 31. August 1956 von 800 S, vom 1. September 1956 bis 31. August 1961 von 700 S, vom 1. September 1961 bis 31. August 1966 von 600 S und vom 1. September 1963 bis zum ableben der Übergeberin, längstens aber bis zum 31. August 1971, von 400 S. Die Rente wurde mit dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Kleinhandelspreisindex wertgesichert. Weiters wurde der Beklagten das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrecht in einem Zimmer des den Übernehmern gehörigen Hauses in G. Nr. 92 eingeräumt.

Der Kläger begehrte nun Zahlung von 13.500 S mit der Begründung, die Beklagte habe ihn arglistig in Irrtum geführt. Sie habe ihm versichert, sie werde den Sommer in G. verbringen und ihre zahlreichen Bekannten zur Hebung des Fremdenverkehrs in die Gastwirtschaft mit Pension des Klägers ziehen. Sie würde in den wenigen Sommermonaten den Großteil der Rente im Betriebe des Klägers verleben. Nur unter dieser Bedingung hätten sich der Kläger und seine Frau zu der hohen Leibrente verstanden. Tatsächlich habe die Beklagte die Sommermonate nicht in der Pension des Klägers verlebt und habe auch keine Bekannten zugeführt. Die Beklagte habe ferner erzählt, sie habe im verkauften Haus Schmuck versteckt, habe aber in der Aufregung dieses Versteck vergessen. Auch dieser Schmuck gehöre dem Kläger und seiner Gattin, nur ein kleiner Anteil sei an Frau Philomena H. abzugeben. Von diesem Schmuck sei nichts zu finden gewesen, so daß auch, hier eine bewußte Irreführung vorliege. Der Kläger habe daher auf Grund der §§ 872 bis 874 ABGB. einen Anspruch auf eine Reduzierung der Leibrente (abzüglich des mit 100 S angenommenen Wohnrechtes) auf 300 S monatlich und verlange die auf ihn entfallende Hälfte des zuviel gezahlten Betrages von 27.000 S zurück.

Die Beklagte begehrte in ihrer Widerklage vom Kläger und seiner Gattin die Zahlung der Leibrente vom 1. Februar 1956 bis September 1956 und die Aufwertung für die letzten drei Jahre in der Gesamthöhe von 10.185 S 60 g; dieser Betrag wurde von ihnen nicht zur ungeteilten Hand begehrt. Das Verfahren gegen die Gattin des Klägers blieb sodann einverständlich ruhen. Mit Schriftsatz schränkte die Widerklägerin ihre Klageforderung um den Aufwertungsbetrag bis einschließlich Jänner 1956 (2929 S 60 g) und um die Zahlung des Klägers in der Höhe von 2000 S ein und erweiterte ihr Begehren um die aufgewertete Rente bis einschließlich März 1957, somit um 4772 S 60 g, so daß sich nach ihrem Vorbringen die Klageforderung in diesem Zeitpunkt auf 10.028 S 60 g belief. In diesem Schriftsatz wird der Kläger allein als Widerbeklagter angeführt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und erklärte den Kläger und Widerbeklagten auf Grund der Widerklage schuldig, den Betrag von 10.028 S 60 g zu bezahlen. Es nahm die vom Kläger behaupteten Zusagen der Beklagten nicht als erwiesen an, lehnte somit eine listige Irreführung ab. Der klägerische Anspruch bestehe nicht zu Recht. Hingegen sei der Anspruch der Beklagten und Widerklägerin begrundet. Der Kläger habe zugegeben, daß er seit Februar 1956 mit Ausnahme eines Betrages von 2000 S keine Leibrente gezahlt habe. Die Beklagte habe auch nicht allgemein auf eine Aufwertung verzichtet. Ihr stehe deshalb auch der Aufwertungsbetrag zu.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens, änderte aber das Urteil hinsichtlich der Widerklage dahin ab, daß es der Beklagten und Widerklägerin nur die Hälfte des eingeklagten Betrages, nämlich 5.014 S, zusprach und das Mehrbegehren der Widerklage abwies. Es übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und erkannte, daß die gerügten Verfahrensmängel nicht gegeben seien. Eine Irreführung des Klägers liege nicht vor, daher sei auch ein Anspruch auf Reduzierung der vereinbarten Leibrente nicht gegeben. Hingegen hafte der Kläger nicht zur ungeteilten Hand mit seiner Gattin. Bei der Leibrente handle es sich um eine Geldleistung, also um eine teilbare Leistung, so daß eine Solidarhaftung nicht vermutet werde. Daran ändere auch nichts, daß ein Wohnrecht eingeräumt worden sei. Die hinsichtlich des Wohnrechtes begrundete Solidarhaftung habe auf die Haftung für die Leibrente keinen Einfluß. Da aber eine Solidarhaftung für die Leibrente nicht vereinbart worden sei, hafte der Kläger nur für seinen Anteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers und Widerbeklagten keine Folge; hingegen gab er der Revision der Beklagten und Widerklägerin Folge und stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte hat ausgeführt, daß die einzelnen Rentenleistungen wohl teilbar seien, der diesen Teilleistungen zugrunde liegende Anspruch auf Bestellung einer Leibrente jedoch unteilbar sei. Als solcher sei er auch grundbücherlich sicherzustellen gewesen. Außerdem handle es sich bei den Übernehmern um ein Ehepaar. Verspreche ein solches eine Rente, ergebe sich schon daraus die Solidarhaftung.

Diese Rüge ist begrundet.

Es kann hier nicht übersehen werden, daß die Widerklägerin in der Widerklage keine Solidarhaftung behauptet und auch im Begehren eine solche nicht in Anspruch genommen hat. Nach der Formulierung des Begehrens wären die Widerbeklagten nur je zur Hälfte zu verurteilen gewesen. Das Verfahren gegen die Frau blieb sodann ruhen. Im Schriftsatz, in welchem die Widerklägerin das Begehren einschränkte und gleichzeitig erweiterte, führte sie nur noch den heutigen Kläger allein als Widerbeklagten an. Sie begehrte aber von diesem nicht etwa nur die Hälfte des seinerzeitigen Betrages, sondern weiterhin den gesamten Betrag. Damit hat die Widerklägerin deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie den Kläger für den ganzen Klagebetrag in Anspruch nimmt, also ihrer Meinung nach eine Solidarverpflichtung vorliegt.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ist eine solche auch tatsächlich gegeben. Daß der Anspruch auf Einräumung des Wohnungsrechtes eine unteilbare Leistung zum Inhalt hat, daher hier der Natur des Geschäftes nach eine Solidarverpflichtung vorliegt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Aber auch der Rentenanspruch selbst ist auf Seite der Verpflichteten eine Solidarverpflichtung. Nach der Behauptung des Klägers wurde das von ihm und seiner Gattin gekaufte Haus für Zwecke des Betriebes der Pension "W." erworben. Die Parteien haben der Leibrente ausdrücklich Unterhaltscharakter zuerkannt. Die Widerklägerin durfte erwarten, daß dieser ihr zustehende Unterhaltsbetrag aus den Erträgnissen des Betriebes, für den das Haus bestimmt war und der beiden Ehegatten gemeinsam gehörte, geleistet werde. Der Sinn einer solchen Vereinbarung ist doch der, daß der Unterhaltsbetrag der Berechtigten in jedem Falle, auch bei Zahlungsschwierigkeiten eines Teiles, in voller Höhe und pünktlich zukommt und sie nicht erst auf die Geltendmachung der Sachhaftung durch Zwangsversteigerung angewiesen ist, sondern sofort gegen den zahlungskräftigen Schuldner vorgehen kann. Als mutmaßlicher Parteiwille ist wohl bei einer derartigen Vereinbarung eine Solidarhaftung anzunehmen.

Diese Annahme ist um so eher berechtigt, als - worauf die Widerklägerin mit Recht hinweist - die gegen Leibrente verkaufte Liegenschaft derart für die Leibrente verpfändet wurde, daß jede Liegenschaftshälfte der beiden Eigentümer für die ganze Schuld haftet. Würde etwa nur die Liegenschaftshälfte des Klägers in Zwangsversteigerung gezogen, wäre die Widerklägerin gemäß §§ 238, 222 EO. berechtigt, ihre ganze ausstehende Forderung bei der Meistbotsverteilung anzumelden, und es müßten dem dadurch allenfalls Benachteiligten Ersatzhypotheken eingeräumt werden. Wurde somit eine Solidarsachhaftung ausdrücklich vereinbart - wobei bei der Person des Klägers Rechtsunkenntnis nicht angenommen werden kann -, ist nicht einzusehen, warum die Parteien bei der Personalhaftung einen anderen Parteiwillen gehabt haben sollten. Das Erstgericht hat im vorliegenden Falle daher mit Recht Solidarhaftung des Klägers angenommen und diesen zur Zahlung des gesamten Betrages, dessen Höhe nicht bestritten ist, verurteilt. Das erstgerichtliche Urteil war somit wiederherzustellen.

Anmerkung

Z30082

Schlagworte

Leibrente, Solidarschuldverhältnis, Solidarhaftung, Leibrentenschuld, Übergabsvertrag Leibrentenschuld ist Solidarschuld, Ungeteilte Hand, Leibrentenschuld

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1957:0030OB00540.57.1204.000

Dokumentnummer

JJT_19571204_OGH0002_0030OB00540_5700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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