Norm
ABGB §1338Kopf
SZ 31/44
Spruch
Ansprüche auf Schadenersatz wegen Verstoßes gegen das burgenländische KulturpflanzenschutzG. vom 3. Juni 1949, LGBl. Nr. 11, in der Fassung des Landesgesetzes vom 24. Oktober 1956, LGBl. Nr. 3/1957, sind außerhalb eines Verwaltungsstrafverfahrens auf dem Rechtsweg geltend zu machen.
Entscheidung vom 12. März 1958, 6 Ob 52/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Neusiedl am See; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
In der vorliegenden Schadenersatzklage macht der Kläger geltend, daß der Beklagte am 27. April 1957 sein blühendes Rapsfeld bei K. mit dem bienengefährlichen Mittel E 605 bestäubt habe, obwohl das burgenländische Kulturpflanzenschutzgesetz vom 3. Juni 1949, LGBl. Nr. 11, in der Fassung des Landesgesetzes vom 24. Oktober 1956, LGBl. Nr. 3/1957, die Anwendung von bienengefährlichen Mitteln auf blühenden Kulturpflanzen verbiete. Durch dieses gesetzwidrige Vorgehen des Beklagten seien zahlreiche Bienen aus der dem Kläger gehörigen Bienenzuchtanlage in H. zugrundegegangen und ein Schaden von 6352 S entstanden.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und hob sein bisheriges Verfahren als nichtig auf. Nach § 19 des burgenländischen Kulturpflanzenschutzgesetzes stehe die Handhabung des Gesetzes den Verwaltungsbehörden zu. Damit sei auch die Zuerkennung von Schadenersatz wegen Übertretung des Gesetzes gemeint. Dies gehe nämlich aus § 20 Abs. 5 des Gesetzes hervor, wonach mit dem (verwaltungsbehördlichen) Straferkenntnis (wegen Übertretung des Gesetzes) auch der Ersatz des offenkundig durch die strafbare Handlung verursachten Schadens auferlegt werden könne. Wollte man die Auffassung vertreten, daß § 20 Abs. 5 des Gesetzes so auszulegen sei, daß für die Zuerkennung anderen als offenkundigen Schadens die Gerichte zuständig seien, so wäre nach der Meinung des Erstrichters diese Bestimmung verfassungswidrig, da sie die Abgrenzung zwischen den Bereichen der Justiz und der Verwaltung dem Ermessen der Verwaltungsbehörde anheimstellen würde, was dem vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Grundsatz der strengen Trennung von Justiz und Verwaltung widersprechen würde. Die gesetzliche Bestimmung müsse daher so ausgelegt werden, daß sie als verfassungsmäßig angesehen werden könne. § 20 Abs. 5 des Gesetzes besage somit, daß auch im (verwaltungsbehördlichen) Straferkenntnis Schadenersatz zugesprochen werden könne, daß jedoch anderenfalls darüber nicht von den Gerichten, sondern von den zur Handhabung des Kulturpflanzenschutzgesetzes berufenen Verwaltungsbehörden mit gesondertem Bescheid zu erkennen sei.
Infolge Rekurses des Klägers gegen den erstgerichtlichen Beschluß
hob ihn das Rekursgericht auf und trug dem Erstgericht die
Fortsetzung des Verfahrens auf. Der Wortlaut des Gesetzes decke die
vom Erstgericht vertretene Auslegung nicht. Bei der Beurteilung des
§ 2O Abs. 5 des Gesetzes müsse auf die grundlegende Bestimmung des §
57 VStG. Bedacht genommen werden, wo es heiße: "(1) Soweit die
Behörde nach einzelnen Verwaltungsvorschriften im Straferkenntnis
auch über die aus einer Verwaltungsübertretung abgeleiteten
privatrechtlichen Ansprüche zu entscheiden hat, ist der
Anspruchsberechtigte Partei im Sinne des Allgemeinen
Verwaltungsverfahrensgesetzes. (2) Dem Anspruchsberechtigten steht
gegen die im Straferkenntnis enthaltene Entscheidung über seine
privatrechtlichen Ansprüche kein Rechtsmittel zu. Es steht ihm aber
frei, diese Ansprüche, soweit sie ihm nicht im
Verwaltungsstrafverfahren zuerkannt worden sind im ordentlichen
Rechtsweg geltend zu machen. (3) Der Beschuldigte kann die
Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche nur mit der gegen
das Straferkenntnis zulässigen Berufung anfechten." Daß sich § 2O
Abs. 5 des burgenländischen Kulturpflanzenschutzgesetzes auf § 57
Abs. 1 VStG. grunde, ergebe sich einerseits daraus, daß § 20
ausschließlich strafrechtliche und strafverfahrensrechtliche
Bestimmungen enthalte. Andererseits beziehe sich das Wort "auch" im
§ 20 Abs. 5 unzweifelhaft auf "Ersatz des ... Schadens" und nicht
auf "Straferkenntnis". Hätte der Gesetzgeber die ihm vom Erstgericht
zugeschriebene Absicht gehabt, so hätte er nach der Meinung des
Rekursgerichtes normieren müssen: "Auch mit dem Straferkenntnis kann
der Ersatz des ... Schadens auferlegt werden." Im Zeitpunkt der
Erlassung des Gesetzes sei auch die vom Verfassungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht über das Gebot einer klaren Grenzziehung zwischen Justiz und Verwaltung im allgemeinen noch nicht vertreten worden. Damals sei es noch als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet worden, die Verwaltungsbehörden bloß zu ermächtigen und nicht auch zu verpflichten, über Ersatzansprüche im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens zu entscheiden. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 20 Abs. 5 des Gesetzes und des § 1338 ABGB. sei das Erstgericht zur Entscheidung über die vorliegende Schadenersatzklage berufen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das burgenländische Kulturpflanzenschutzgesetz enthält ebenso wie das ihm zugrunde liegende Pflanzenschutzgesetz vom 2. Juni 1948, BGBl. Nr. 124, Verwaltungsbestimmungen über den Schutz der Kulturpflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge und den Schutz von Tieren und Kleinlebewesen, die für den Pflanzenschutz nützlich sind (vgl. § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes) sowie Bestimmungen über den Schutz der Bienen (vgl. die Novelle zum Landesgesetz vom 24. Oktober 1956, LGBl. Nr. 3/1957). Es betrifft daher eine Angelegenheit der Bodenkultur und überträgt deshalb im § 19 die Vollziehung den Verwaltungsbehörden. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes fehlen im Gesetz Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang des Schadenersatzes. Zur Handhabung des Gesetzes gehört daher nicht die Zuerkennung von Schadenersatz wegen Übertretung des Gesetzes. Grundsätzlich hat es bei der Vorschrift des § 1338 ABGB. zu verbleiben, wonach über Schadenersatzansprüche vom Gericht zu erkennen ist, wenn die Entscheidung nicht der Verwaltungsbehörde aufgetragen ist.
Nach dem § 20 Abs. 5 des burgenländischen Kulturpflanzenschutzgesetzes kann die Verwaltungsbehörde mit ihrem Straferkenntnis zwar auch Schadenersatz auferlegen. Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, kann aus der Fassung der Gesetzesstelle jedoch nicht entnommen werden, daß die Verwaltungsbehörde über die dem Adhäsionsverfahren nachgebildete Möglichkeit des Verwaltungsstrafverfahrens hinaus auch in einem besonderen Verwaltungsverfahren über Schadenersatzansprüche entscheiden dürfte und so der Rechtsweg dafür ausgeschlossen wäre. Es genügt dazu, auf die Argumentation des Rekursgerichtes hinzuweisen. Bei der Bestimmung des § 20 Abs. 5 des Gesetzes handelt es sich um einen bloßen Teileinbruch der Verwaltungsbehörde in die gerichtliche Zuständigkeit, ohne diese auszuschließen.
Die Frage, ob die angeführte Bestimmung etwa verfassungswidrig wäre und ob der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes herbeiführen sollte (Art. 140 Abs. 1 B-VG.), spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Die Verwaltungsstrafbehörde hat namlich die Zuständigkeit nicht in Anspruch genommen. Ob die dieser Möglichkeit zugrunde liegende gesetzliche Bestimmung verfassungswidrig ist oder nicht, ist daher keine Voraussetzung der vorliegenden Entscheidung und für sie nicht präjudiziell.
Anmerkung
Z31044Schlagworte
Burgenländisches KulturpflanzenschutzG., Schadenersatz, Rechtsweg, Kulturpflanzenschutzgesetz, burgenländisches, Schadenersatz, Rechtsweg, Pflanzenschutz im Burgenland, Schadenersatz, Rechtsweg, Rechtsweg Zulässigkeit für Schadenersatzansprüche nach dem bgld., KulturpflanzenschutzG., Schadenersatz nach dem bgld. KulturpflanzenschutzG., Rechtsweg, Zulässigkeit des Rechtsweges, Schadenersatz nach dem bgld., KulturpflanzenschutzG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1958:0060OB00052.58.0312.000Dokumentnummer
JJT_19580312_OGH0002_0060OB00052_5800000_000