TE OGH 1958/4/2 1Ob161/58

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Veröffentlicht am 02.04.1958
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Norm

Außerstreitgesetz §5
Außerstreitgesetz §117

Kopf

SZ 31/53

Spruch

Beantragt der Erbe, die Abhandlung im schriftlichen Wege durchzuführen, so kann die Verlassenschaftsabhandlung nicht dem Notar übertragen werden.

Entscheidung vom 2. April 1958, 1 Ob 161/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat für den mj. erblasserischen Sohn Günther He., geb. 30. Dezember 1940, gemäß § 77 Z. 1 AußStrG. in der Person des Notarsubstituten Dr. Friedrich Ha. einen Kollisionskurator bis zur Beendigung des Abhandlungsverfahrens bestellt, weiters verfügt, daß der Akt dem Gerichtskommissär Notar Dr. Karl V. in Wien-Mariahilf zur Abhandlungspflege übermittelt werde, dagegen den Antrag des Erbenmachthabers Rechtsanwalt Dipl.-Ing. Dr. Erich B. auf Durchführung der Abhandlung im schriftlichen Wege abgewiesen. Zur Begründung führte das Erstgericht an, daß an der Abhandlung die erblasserische Witwe Hilda He. und der mj. erblasserische Sohn Günther He., vertreten durch die erblasserische Witwe Hilda He. als Vormunderin, zu beteiligen sein würden. Nach dem Inhalt der letztwilligen Anordnung sei die Möglichkeit eines Interessenwiderstreites zwischen den Erben nicht von vorneherein auszuschließen, so daß eine Vertretung des mj. Erben durch die Miterbin nicht wohl angehe. Der letztwilligen Bestimmung zufolge werde beiden Erben der erblasserische Liegenschaftsanteil zugewendet, jedoch der Witwe allein ein Veräußerungsrecht bezüglich der gesamten Anteile zugestanden. Mit Rücksicht auf die Beiziehung eines Kurators sei auch von der Durchführung der Abhandlung auf schriftlichem Wege abzusehen, weil der Erbenmachthaber Eingaben nur in Ansehung der von ihm vertretenen Miterbin machen könne.

Dem gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurs der inzwischen erbserklärten Erben Hilda He. und mj. Günther He. verweigerte das Rekursgericht den Erfolg; dabei ließ es sich von folgenden Erwägungen leiten:

Der Erblasser habe in seiner letztwilligen Verfügung vom 24. Mai 1954 seine Gattin und seinen mj. Sohn zu Erben des im wesentlichen aus 7/48 Anteilen an dem Haus W., M.-Gasse 2, bestehenden Nachlasses eingesetzt. Der Fruchtgenuß dieses Hausanteiles solle der erblasserischen Witwe zustehen und eine Veräußerung des Hausanteiles nach dem Willen der erblasserischen Witwe ohne Zustimmung des erblasserischen Sohnes erfolgen können. Mit dem Beschluß vom 28. Dezember 1957 habe das Erstgericht die Bevollmächtigung des Dr. Erich B. als Erbenmachthabers der erblasserischen Witwe zur Kenntnis genommen und die Genannte zur Vormunderin des mj. erblasserischen Sohnes bestellt. - Gemäß § 77 Z. 1 AußStrG. sei für minderjährige Erben ein Kurator dann zu bestellen, wenn das Interesse ihres gesetzlichen Vertreters mit den eigenen Interessen der mj. Erben im Widerspruch stehe wobei auf die §§ 271, 272 ABGB. hingewiesen werde. Die Annahme einer Interessenkollision durch das Erstgericht sei begrundet. Schon bei der Errichtung des Inventars seien wegen der widerstreitenden Interessen des mj. erblasserischen Sohnes und der erblasserischen Witwe die Belange des Minderjährigen nicht entsprechend gewahrt, so daß schon im Hinblick darauf die Voraussetzung des § 271 ABGB. gegeben sei. Unabhängig von der Frage der Erbserklärung sei daher schon aus diesem Gründe die Bestellung eines Kollisionskurators geboten. Werde aber die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators bejaht, so ergebe sich die Übertragung der Abhandlungspflege an den Gerichtskommissär als logische Folge hieraus.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der erbserklärten Erben Hilde He. und mj. Günther He. teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Abweisung des Antrages des Erbenmachthabers auf Durchführung der Abhandlung im schriftlichen Wege zu entfallen habe und der Akt dem Gerichtskommissär nur zur Inventur übermittelt werde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revisionsrekurswerber bestreiten nicht, daß hier ein Fall von Interessenkollision zwischen Mutter und Sohn mindestens der Möglichkeit nach vorliegt, die Mutter daher im Abhandlungsverfahren nicht gleichzeitig als gesetzliche Vertreterin für den Minderjährigen einschreiten kann. Sie stoßen sich nur daran, daß ein Außenstehender und nicht der Nächstberufene aus der Verwandtschaft als Kollisionskurator bestellt wurde. Richtig ist zwar, daß nach § 281 ABGB. bei der Pflegschaft die nämlichen Vorzugsrechte wie bei der Vormundschaft stattfinden sollen, doch ist dies eine Bestimmung, die nur noch in seltenen Fällen praktische Bedeutung erlangen kann; so verbietet sich bei der Ergänzungspflegschaft (Kollisionskuratel), die zur Erledigung von Angelegenheiten angeordnet wird, die der ordentliche Vertreter (Vater, Vormund, Kurator oder Beistand) der Pflegebefohlenen nicht besorgen kann, die Berücksichtigung der nächsten Verwandtschaft von selbst. In vielen Fällen kann schon ihrer Natur nach die Verwandtschaft nicht maßgebend sein. Soll ein Kurator zur Besorgung von Angelegenheiten ernannt werden, die Rechtskenntnis erfordern, wird regelmäßig ein Rechtskundiger zu bestellen sein (Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 350). Da § 280 ABGB. die Grundsätze für die Auswahl eines Vormundes zunächst unter den engsten Verwandten nur für den Regelfall anordnet, kann von vorneherein von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht die Rede sein, wenn die Entscheidung eine von mehreren Möglichkeiten wahrnimmt. Im übrigen ist die Bestellung eines Kollisionskurators in einem Nachlaßverfahren nicht nur unter den Voraussetzungen der §§ 271, 272 ABGB. zulässig, also nur dann, wenn in einem Nachlaßverfahren zwischen gleich vertretenen Pflegebefohlenen untereinander oder zwischen Pflegebefohlenen und ihrem gesetzlichen Vertreter ein Rechtsgeschäft abzuschließen ist; denn die Anführung der §§ 271 und 272 ABGB. in § 77 Abs. 1 Z. 1 AußStrG. soll nur auf die Analogie zu der Bestellung eines Kurators nach diesen Vorschriften hinweisen, ohne jedoch alle Voraussetzungen für eine Bestellung gemäß diesen Bestimmungen für das Verlassenschaftsverfahren zu übernehmen JBl. 1952 S. 268). Es stellt auch keine offenbare Gesetzwidrigkeit dar, wenn das Erstgericht die Bestellung des Kollisionskurators noch vor Abgabe und (oder) Annahme, von Erbserklärungen vornahm, da bei möglicher Interessenkollision die Vormunderin schon von der Abgabe irgendwelcher im Abhandlungsverfahren für den Minderjährigen zu erstattender Erklärungen ausgeschlossen sein soll. Nach der Aktenlage sind noch vor Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses Erbserklärungen abgegeben und ist von den erbserklärten Erben (Revisionsrekurswerbern) u. a. auch der Antrag gestellt worden, den Akt dem Notar Dr. Karl V. zur Inventierung des Nachlasses zu übermitteln.

Nicht beizustimmen ist den Untergerichten aber insoweit, als sie den Antrag des Erbenmachthabers auf Durchführung der Abhandlung im schriftlichen Wege abgewiesen und den Akt dem Notar Dr. V. zur Durchführung der gänzlichen Abhandlungspflege übermittelt haben. Dazu bestand bloß wegen der Interessenkollision keine Veranlassung. Das bezügliche Ersuchen der erblasserischen Witwe findet in § 117 AußStrG. und § 3 Abs. 2 der Verordnung RGBl. Nr. 120/1860 ausreichende Deckung. Das Recht eines Erben, seine Erbserklärung und die sonstigen von ihm zu stellenden Anträge und Nachweisungen nach § 117 AußStrG. schriftlich zu erbringen, wird nicht einmal dadurch berührt, daß andere an der Abhandlung beteiligte Personen nicht ebenfalls bereit sind, ihre Anträge schriftlich zu stellen. Erst wenn die Eingaben im Sinne des § 3 Abs. 2 der bezogenen Verordnung als ungeeignet befunden würden, könnte der Notar mit der Aufnahme der Anträge und Nachweisungen betraut werden. Dem Notar war also zunächst nur die Vornahme der Inventur und Schätzung aufzutragen. Inwieweit nachher noch weitere abhandlungsbehördliche Schritte notwendig sein werden, zu welchen der Notar als Gerichtskommissär heranzuziehen ist, kann derzeit nicht beurteilt werden (1 Ob 321/54).

Anmerkung

Z31053

Schlagworte

Abhandlung im schriftlichen Wege, Recht des Erben, Erbe Recht auf schriftliche Abhandlung, Nachlaßabhandlung im schriftlichen Wege, Recht des Erben, Schriftliche Verlassenschaftsabhandlung, Recht des Erben, Verlassenschaftsabhandlung im schriftlichen Wege, Recht des Erben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0010OB00161.58.0402.000

Dokumentnummer

JJT_19580402_OGH0002_0010OB00161_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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