TE OGH 1958/4/11 1Ob175/58

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Veröffentlicht am 11.04.1958
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Norm

Mietengesetz §14 Abs2
Mietengesetz §15
Wohnhauswiederaufbaugesetz §1
Wohnhauswiederaufbaugesetz §15 Abs9

Kopf

SZ 31/56

Spruch

Die Bestimmungen des Wohnhauswiederaufbaugesetzes und die §§ 14 Abs. 2, 15 MietG. finden auf eingebaute Einrichtungsgegenstände Anwendung, die aus Fondsmitteln angeschafft wurden. Auf die zwingenden Vorschriften der §§ 15 Abs. 9 WWG. und 14 Abs. 2, 15 MietG. ist von Amts wegen Bedacht zu nehmen.

Entscheidung vom 11. April 1958, 1 Ob 175/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger ist Eigentümer der Wohnung in W., L.-Gasse 13/I/25, bestehend aus einem Raum mit Kochnische. Die Wohnung wurde aus Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds errichtet. Die Rückzahlungsquote beträgt einschließlich der Betriebskosten monatlich 125 S. In diesem Betrag ist auch der Anteil für die eingebauten Einrichtungsgegenstände inbegriffen.

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 13. Juli 1956 vermietete der Kläger die Wohnung dem Beklagten gegen einen monatlichen Mietzins von 700 S. In diesem Zins ist auch die Miete für die Benützung verschiedener Einrichtungsgegenstände, der Deckenbeleuchtung, des Telefons und der mit Fondsmitteln eingebauten Einrichtungsgegenstände (Küchen- und Badezimmereinrichtung), ferner der Waschküche samt Waschmaschine, des Trockenbodens, des Kellerabteiles und des Liftes inbegriffen. Ferner verzichtete der Kläger auf die Dauer von zwei Jahren auf das Recht der Kündigung.

Der Beklagte verweigerte für die Zeit von Jänner bis Juni 1957 die Zahlung des Klagebetrages von 2841 S 52 g mit der Begründung, daß der Zins unangemessen hoch sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es verneinte die Voraussetzungen für das Vorliegen des Wuchers. Die Vereinbarung verstoße auch nicht gegen § 15 Abs. WWG. Die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung sei rechtlich ein Untermietvertrag, so daß die Bestimmung des § 14 Abs. 2 MietG. zur Anwendung komme. Der Kläger sei daher berechtigt, für die Beistellung der Einrichtungsgegenstände ein den Untermietzins übersteigendes angemessenes Entgelt zu verlangen. Das von ihm begehrte Entgelt sei angemessen. Überdies sei der Beklagte zur Zahlung so lange verpflichtet, bis durch das Gericht im außerstreitigen Verfahren eine Entscheidung gefällt werde, daß dieses Entgelt unangemessen hoch und die Vereinbarung daher ungültig sei.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein Untermietverhältnis vorliege, welches gemäß § 15 Abs. 9 WWG. den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliege, und daß § 14 Abs. 1 und 2 MietG. anzuwenden sei. Der Beklagte habe im erstgerichtlichen Verfahren die Angemessenheit der begehrten Zinsbeträge bestritten. Diese Frage müsse als Vorfrage im streitigen Verfahren gelöst werden. Es müsse daher geprüft werden, ob der über den Betrag von 125 S hinausgehende Untermietzins im Hinblick auf die beigestellten Einrichtungsgegenstände, soweit sie dem Vermieter gehörten und er darüber verfügungsberechtigt sei, angemessen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zur rechtlichen Natur des gegenständlichen Bestandverhältnisses ist folgendes zu bemerken:

Ein Untermietvertrag setzt begrifflich ein Hauptmietverhältnis voraus. Diese Voraussetzung mangelt hier. Gemäß § 1 WEG. steht dem Miteigentümer das Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung über die Wohnung zu. Hinsichtlich der Nutzung der Wohnung stellt der Miteigentümer kraft Gesetzes die Gesamtheit der Miteigentümer dar und kann sie allein vermieten. Ein derartiges Mietverhältnis ist daher rechtlich als Hauptmietverhältnis anzusehen (vgl. Borotha, das Wohnungseigentumsgesetz, S. 14 ff.). Die im Ersturteil zitierte Entscheidung MietSlg. 12.932 spricht nicht dagegen. Sie behandelt den Fall, daß ein Miteigentümer eine Wohnung des Hauses nicht bloß aus dem Rechte des Miteigentums, sondern als Mieter inne hat und sie weiter vermietet. In diesem Fall wird ein Untermietverhältnis begrundet, weil die Voraussetzung eines Hauptmietverhältnisses vorliegt. Die unrichtige rechtliche Beurteilung des vorliegenden Bestandverhältnisses als eines Untermietverhältnisses seitens der Untergerichte ist jedoch deshalb rechtlich nicht von Belang, weil gemäß § 15 MietG. die Bestimmung des § 14 Abs. 2 dieses Gesetzes sinngemäß Anwendung findet, wenn der Hauseigentümer selbst einen Mietgegenstand mit Einrichtungsgegenständen vermietet.

Den Untergerichten ist darin beizupflichten, daß die Bestimmung des § 15 Abs. 9 WWG. in der Fassung der Novellen 1954 und 1955 bzw. jene des § 15 Abs. 6 WWG. in der Fassung der Novellen 1950 und 1952 Anwendung findet, wonach die Wohnung, da sie mit Fondshilfe hergestellt wurde, bis zur Rückzahlung des Fondsdarlehens den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegt. Ferner ist der Ansicht des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß über die Zulässigkeit des vom Vermieter begehrten Mietzinses dann, wenn ein Verfahren nach § 24 Abs. 1 MietG. noch nicht anhängig ist, im streitigen Verfahren wie über eine Vorfrage zu entscheiden ist (2 Ob 397/56). Da diese Rechtsansicht nicht bekämpft wird, genügt es, auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.

Der Oberste Gerichtshof tritt auch der Ansicht des Berufungsgerichtes bei, daß die Angemessenheit des Mietzinses gemäß den Bestimmungen des WWG. zu überprüfen war. Die Ansicht des Klägers, dies sei unzulässig, weil die Angemessenheit des Zinses nur aus dem Gründe der Sittenwidrigkeit, nicht aber aus dem Gründe des Verstoßes gegen das WWG. bestritten worden sei, ist verfehlt. Sowohl die Vorschrift des § 15 Abs. 9 (früher Abs. 6) WG. als auch die Vorschriften der §§ 14 Abs. 2 und 15 MietG. sind zwingender Natur. Da die Angemessenheit als solche bestritten wurde, war auf die genannten Bestimmungen von Amts wegen Bedacht zu nehmen.

Die Frage, ob für diejenigen Einrichtungsgegenstände, welche aus den Mitteln des Wiederaufbaufonds angeschafft wurden, ein besonderes Entgelt verlangt werden kann oder nicht, ist zu verneinen. Da diese Gegenstände in die Wohnung eingebaut wurden, gelten sie als Zugehör oder Bestandteil. Wurden sie aus Mitteln des Fonds angeschafft, so finden die Bestimmungen des WWG. auch auf sie Anwendung. Eine andere Auslegung des Gesetzes würde dessen Sinn und Zweck widersprechen und könnte zu einer Umgehung des Gesetzes führen. Sie ist daher abzulehnen. Hiebei ist es belanglos, ob der Kläger bereits vor der Bezahlung Eigentümer dieser Gegenstände wurde oder nicht. Dies scheint auch der Standpunkt des Berufungsgerichtes zu sein, obwohl er nicht klar formuliert wurde.

Aus dem Gesagten folgt, daß ein besonderes Entgelt nur für die nicht aus Fondsmitteln beschafften Einrichtungsgegenstände und sonstigen Leistungen verlangt werden kann. Es muß daher festgestellt werden, um welche Gegenstände und Leistungen es sich handelt, und sodann, allenfalls durch Vernehmung eines Sachverständigen, ermittelt werden, welches Entgelt hiefür angemessen ist. Da diese Fragen im bisherigen Verfahren noch nicht erörtert wurden, erscheint das erstgerichtliche Verfahren mangelhaft, so daß die Aufhebung des Ersturteiles gerechtfertigt war.

Anmerkung

Z31056

Schlagworte

Einrichtungsgegenstände, eingebaute, Anwendung des WWG., Fondsmittel, Anwendung des WWG. auf eingebaute Einrichtungsgegenstände, Mietengesetz, zwingender Charakter der §§ 14 Abs. 2 und 15, Wiederaufbauwohnung, Anwendung des WWG. auf eingebaute, Einrichtungsgegenstände, Wohnhauswiederaufbaugesetz, Anwendung auf eingebaute, Einrichtungsgegenstände, zwingende Vorschriften, Zwingende Vorschriften im MietG. und WWG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0010OB00175.58.0411.000

Dokumentnummer

JJT_19580411_OGH0002_0010OB00175_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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