TE OGH 1958/9/17 6Ob163/58

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Veröffentlicht am 17.09.1958
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Norm

ABGB §479
ABGB §529
Grundbuchsgesetz 1955 §136

Kopf

SZ 31/112

Spruch

Zum Beweis der Abweichung nach § 479 ABGB. letzter Satz ist erforderlich, daß die Vertragsbestimmung bloß persönliche Vorteile bestimmter Berechtigter bezweckt.

Der durch eine unregelmäßige Servitut im Sinne des § 479 ABGB. Belastete kann nach dem Tode des Berechtigten in der Regel schon gemäß § 136 GBG. 1955 die Löschung der Servitut erreichen.

Entscheidung vom 17. September 1958, 6 Ob 163/58.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Mit Kaufvertrag vom 25. November 1880 verkaufte Johann H. das sogenannte T.-Gut, Haus Nr. 3 in S. samt dazugehörigen Gründen, an die Ehegatten Paul und Magdalena W. Ein Teil dieser Liegenschaft bildet heute die EZ. 252 GB. St. L., die seit 1950 im Eigentum der Klägerin, der Republik Österreich, steht. Die Klägerin hat dort im Jahre 1952 das Bundesinstitut für Gewässerforschung und Fischereiwissenschaft errichtet.

Johann K. war außerdem Eigentümer der EZ. 22 GB. W. mit den Parzellen 14/1 Wald ("B.-Berg") und 14/2 Wald. Er verkaufte sie mit Vertrag vom 24. November 1884 an Ignace W., von der sie deren Tochter Helena A. erbte. Schließlich wurde deren Sohn Otto A. auf Grund des Kaufvertrages vom 6. November 1907 Eigentümer. Otto A. ist am 8. Jänner 1956 gestorben.

Im Lastenblatt der EZ. 252 GB. St. L. findet sich unter OZ. 4 folgende Eintragung: "Auf Grund des Kaufvertrages vom 25. November 1880 wird die Servitut der unentgeltlichen Fahrt mit Holz- und Streufuhren im Winter und Sommer vom B.-Walde im W. über alle Gründe der Güter Nr. 2 und 3 in S. und des unentgeltlichen Abladens von Holz und Streu am Seeufer zugunsten des Johann H. in M. und seiner Rechtsnachfolger einverleibt."

Eine dementsprechende Ersichtlichmachung findet sich im Gutsbestandblatt der EZ. 22 GB. W. nicht. Die Eintragung im Lastenblatt der EZ. 252 GB. St. L. stimmt mit Punkt "Achtens" des Kaufvertrages vom 25. November 1880 insofern nicht genau überein, als im Vertrag die Servitut zugunsten des Johann H., seiner Erben und Rechtsnachfolger bestellt wurde. Die EZ. 252 wurde durch Abschreibung von Grundstücken aus EZ. 133 GB. St. L. gebildet; in EZ. 133 lautete die Eintragung dem Vertrag entsprechend auf H., seine Erben und Rechtsnachfolger.

Im vorliegenden, gegen die Verlassenschaft nach Otto A. gerichteten Rechtsstreit behauptet die Klägerin, es handle sich dabei nur um eine unregelmäßige Servitut im Sinne des § 479 ABGB., bei der es nur eine beschränkte Rechtsnachfolge im Sinne des § 529 ABGB. gäbe; Otto A. könne sie nicht beanspruchen; schon im Vertrag vom 24. November 1884, mit dem H. die EZ. 22 GB. W. an Ignace W. verkaufte, sei von dieser unregelmäßigen Servitut keine Rede gewesen; dieses Recht sei vielmehr H., der es als Holzhändler beruflich benötigte, verblieben; die beklagte Partei (gemeint offenbar Otto A.) habe vor 1952 dieses Servitutsrecht niemals ausgeübt und auch keine Rechtsnachfolge nach H. behauptet; all dies sei erst seit dem Bau des Bundesinstituts für Gewässerforschung und Fischereiwissenschaft (1952) der Fall; nehme man entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ein Servitutsrecht der beklagten Partei an, sei es infolge Nichtausübung durch mehr als 30 Jahre verjährt. Bei der Tagsatzung vom 12. Dezember 1957 modifizierte die Klägerin das Klagebegehren auf Einwilligung der beklagten Partei in die Einverleibung der Löschung der eingangs wiedergegebenen Berechtigung sowie Unterlassung aller Handlungen, die sich als Ausübung der klagsgegenständlichen Dienstbarkeit darstellen.

Die beklagte Partei vertrat demgegenüber den Standpunkt, es handle sich um eine regelrechte Grunddienstbarkeit zugunsten des B.-Waldes als herrschenden Gutes; zumindest seien alle Rechtsnachfolger des H. im "Besitz" des B.-Waldes nach der Grundbuchseintragung berechtigt, da darin von Erbenqualität keine Rede sei; die Servitut sei auch immer "gehandhabt" worden.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht wies es mit der Begründung ab, es sei bezüglich der begehrten Einwilligung zur Einverleibung der Löschung nicht schlüssig; das Unterlassungsbegehren stelle nur einen unselbständigen Annex hiezu dar; aber auch wenn man es als selbständiges Begehren auffasse, fehle es ihm an der Bestimmtheit bzw. Exequierbarkeit, weil es nicht auch den Anspruch auf Unterlassung der Ausübung einer von der beklagten Partei allenfalls ersessenen inhaltsgleichen Servitut umfasse.

Der Oberste Gerichtshof hob in Stattgebung der Revision der klagenden Partei die Urteile beider Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Unterstellt man, es handle sich um eine unregelmäßige Servitut im Sinn des § 479 ABGB., die (der verstorbene) Otto A. im Hinblick auf die auch hier anzuwendenden Bestimmungen des § 529 ABGB. (vgl. Klang

2. Aufl. II 612; GlUNF. 4220, 5 Ob 54/58) nicht in Anspruch nehmen konnte, müßte dem Berufungsgericht allerdings darin beigepflichtet werden, daß das Begehren auf Einwilligung in die Einverleibung der Löschung unberechtigt wäre. Nach dem Tod eines durch eine derartige Servitut Berechtigten kann der Belastete in der Regel schon gemäß § 136 GBG. 1955, der den § 7 der GB Nov. 1942 abgelöst hat, die Servitutenlöschung erreichen, doch ist ihm - zumindest in besonders gelagerten Fällen - auch ein Anspruch auf Ausstellung einer Löschungsquittung bzw. sonstigen Erklärung der Einwilligung in die Einverleibung der Löschung zuzubilligen, der auch mittels Klage verfolgbar ist (vgl. Klang a. a. O.). Eine solche Klage kann im Hinblick auf die Bestimmungen des § 547 ABGB. aber nur gegen die Verlassenschaft des Berechtigten oder gegen dessen Erben gerichtet werden. Ein Dritter ist hiezu nicht passiv legitimiert; seine Erklärung wäre auch rechtlich bedeutungslos.

Die Voraussetzungen für eine Abweisung dieses Begehrens sind aber noch nicht gegeben, weil die Klägerin für den Fall, daß entgegen ihrer Rechtsansicht doch eine Servitutenberechtigung der beklagten Partei angenommen werden sollte, Verjährung geltend gemacht hat. Sie rügt die Übergehung dieses Klagegrundes in ihrer einigermaßen unübersichtlichen Revision zwar nicht ausdrücklich, macht dem Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Bekämpfung seiner Auffassung von der Unschlüssigkeit des Begehrens aber doch den Vorwurf, es habe die Klagebehauptungen nur unvollständig bzw. aktenwidrig wiedergegeben. Es muß daher schon deshalb auf die Frage, ob es sich um eine regelmäßige oder unregelmäßige Servitut handelt, eingegangen werden. Liegt eine regelmäßige Servitut vor, ist sie aber verjährt, so ist die beklagte Partei für das Löschungsbegehren passiv legitimiert.

Der Erstrichter kam zur Ansicht, es handle sich um eine unregelmäßige Servitut. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Frage nicht befaßt. Dies hindert ihre sofortige Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht, da sie nach der Aktenlage nur mehr durch Urkundenauslegung beantwortet werden kann, was zum Bereich der rechtlichen Beurteilung gehört.

Bei dieser Prüfung ist vom Schlußsatz des § 479 ABGB. auszugehen, wonach Abweichungen von der Natur einer Servitut nicht vermutet werden und beweispflichtig ist, wer sie behauptet. Diese Beweispflicht trifft die Klägerin; die beklagte Partei hätte, wenn dies nicht unbestritten wäre, nur den Bestand einer Servitut zu beweisen gehabt (vgl. SpR. 27). Im vorliegenden Fall kommt die Klägerin ihrer Beweispflicht nur nach, wenn die Urkundenauslegung eindeutig dahin ausfällt, daß die strittige Vertragsklausel bloß persönliche Vorteile bestimmter Berechtigter bezweckte, nicht aber auf die vorteilhaftere oder bequemere Benützung eines bestimmten Grundstückes schlechthin abgestellt war (vgl. Zeiller zu § 473 unter 2). Die Klägerin kann zweifellos Argumente für die Richtigkeit ihrer Auslegung, es handle sich bloß um die persönliche Begünstigung bestimmter Berechtigter, ins Treffen führen; eindeutig ergibt sich dieser Sinn aus der Urkunde aber nicht. Denn der "B.-Wald im W."

kann immerhin als jenes Grundstück angesehen werden, zu dessen vorteilhafterer oder bequemerer Benützung die Servitut bestellt wurde; dies um so mehr, als zum Gutsbestand der damals noch dem Johann H. zugeschriebenen EZ. 22 GB. W. zwei Waldparzellen gehören, von denen eine ausdrücklich als "B.-Berg" bezeichnet ist. Der Inhalt der Servitut deutet auf eine Waldnutzung, wie sie von jedem Eigentümer erwartet werden kann; das Abladerecht ergibt sich aus den örtlichen Verhältnissen, ohne daß auf eine persönliche Begünstigung bestimmter Personen geschlossen werden müßte. In der Vertragsklausel, die sich auf den Ausschluß von Vergütungsleistungen für etwaige Schäden am dienenden Gut bezieht, wird die Holzfällung im B.-Berg ausdrücklich genannt; aus den Argumenten der Klägerin, H. habe die Servitut als Holzhändler benötigt, der B.-Berg habe zum Teil auch anderen Personen gehört, ist nichts Entscheidendes zu gewinnen, weil H. eben auch Eigentümer einer Waldparzelle am B.-Berg war, zu deren vorteilhafteren oder bequemeren Benützung die Servitut, unabhängig von den jeweiligen Eigentumsverhältnissen, nötig oder dienlich sein konnte. Auch die Bestimmungen des § 24 ForstG. sprechen nicht zwingend gegen die Vereinbarung einer regelmäßigen Servitut. H. hat sie sich auch nicht nur für sich und seine Erben, sondern ganz allgemein auch für seine Rechtsnachfolger ausbedungen, worunter nicht unbedingt nur die unmittelbaren Rechtsnachfolger, sondern auch spätere Eigentümer verstanden werden können, ohne daß diesbezüglich im Vertrag zwischen Universal- und Singularsukzession unterschieden worden wäre. Die im § 529 ABGB. normierten Beschränkungen sowie die nach der Lehre analog anzuwendenden Bestimmungen des § 612 ABGB. (vgl. Klang a. a. O.) können zur Widerlegung der Rechtsvermutung des § 479 letzter Satz ABGB. nicht herangezogen werden. Sie sind erst bedeutsam, wenn die Abweichung von der Natur der Servitut feststeht.

Daß die Servitut im Kaufvertrag zwischen H. und Ignace W. über die EZ. 22 GB. W. nicht ausdrücklich erwähnt wurde, ist unentscheidend. Jedenfalls übertrug H., wie sich aus der von der Klägerin selbst vorgelegten auszugsweisen Vertragsabschrift ergibt, seiner Partnerin diese Liegenschaft so, wie er selbst sie zu benützen berechtigt war. Es kommt auch nicht darauf an, daß die Servitut bei EZ. 22 GB. W. als herrschendem Gut nicht ersichtlich gemacht wurde. Zusammenfassend ergibt sich daher, daß von der Begründung einer regelmäßigen Servitut auszugehen ist.

Da die Klägerin Verjährung geltend gemacht und unter Beweis gestellt hat, hierauf im bisherigen Verfahren aber nicht eingegangen worden ist, bedarf es einer Verhandlung in erster Instanz, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 ZPO.).

Das Unterlassungsbegehren wäre selbst dann als selbständiges Klagebegehren zu prüfen gewesen, wenn die Klägerin sich nur auf die Behauptung, es liege eine unregelmäßige Servitut vor, gestützt hätte und demzufolge das Begehren auf Einwilligung in die Einverleibung der Löschung mangels Passivlegitimation der beklagten Partei abzuweisen gewesen wäre. Wer sich eine unregelmäßige Servitut anmaßt, kann nicht nur mit einer Feststellungs-, sondern auch mit einer Unterlassungsklage belangt werden (vgl. Klang a. a. O. 603), auch wenn ihm die Legitimation zur Abgabe einer Zustimmungserklärung zur Löschung der ihm nicht zustehenden Servitut fehlt.

Unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes, es liege eine Servitut zugunsten der EZ. 22 GB. W. vor, hängt die Entscheidung über das Unterlassungsbegehren gleichfalls von der Frage der Verjährung ab. Das Begehren ist - aus der Prozeßsituation erklärlich - zwar knapp, aber doch hinreichend bestimmt formuliert worden; allenfalls kann es neu gefaßt werden. Die beklagte Partei hat die Ersitzung einer anderen, inhaltsgleichen Servitut überhaupt nicht behauptet, sondern der Verjährungsbehauptung der Klägerin nur entgegengehalten und unter Beweis gestellt, von der Servitut sei stets Gebrauch gemacht worden. Auch in diesem Belang ist die Sache nicht spruchreif (§ 510 ZPO.).

Anmerkung

Z31112

Schlagworte

Berichtigung des Grundbuches nach § 136 GBG. 1955, Tod des Berechtigten einer unregelmäßigen Servitut Dienstbarkeit unregelmäßige, Widerlegung der Vermutung des § 479 ABGB., Löschung nach § 136 GBG. 1955 Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG. 1955, Tod des Berechtigten einer unregelmäßigen Servitut Löschung einer unregelmäßigen Servitut nach § 136 GBG. 1955 Regelmäßige Servitut, Widerlegung der Vermutung des § 479 ABGB., Löschung nach § 136 GBG. 1955 Servitut unregelmäßige, Widerlegung der Vermutung nach § 479 ABGB., Löschung nach § 136 GBG. 1955 Tod des Berechtigten einer unregelmäßigen Servitut, Löschung nach § 136 GBG. 1955 Unregelmäßige Servitut, Vermutung der Regelmäßigkeit, Löschung nach § 136 GBG. 1955 Vermutung der Regelmäßigkeit einer Servitut, Widerlegung, Löschung nach § 136 GBG. 1955

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0060OB00163.58.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19580917_OGH0002_0060OB00163_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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