TE OGH 1958/9/17 6Ob173/58

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.1958
beobachten
merken

Norm

Handelsgesetzbuch §375

Kopf

SZ 31/113

Spruch

Wird die vom Käufer beanstandete Ware vom Verkäufer mit der Vereinbarung zurückgenommen, daß der Kaufpreis dem Käufer gutgeschrieben werde, dieses Guthaben aber nur zum Bezug von Waren des Verkäufers berechtige, so liegt ein Spezifikationskauf nach § 375 HGB. vor.

Entscheidung vom 17. September 1958, 6 Ob 173/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die klagende Partei begehrt die Bezahlung einer ihr von der Firma M. in S. abgetretenen Forderung gegen die beklagte Partei in der Höhe von 1830 S s. A. Die beklagte Partei hat das Klagebegehren bestritten und insbesondere mangelnde Fälligkeit eingewendet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:

Die beklagte Partei bestellte am 12. November 1956 bei der Schuhfabrik M. in Salzburg zehn Paar schwarze Herrenschuhe um den Preis von 1830 S, die am 5. Dezember 1956 ausgeliefert und am gleichen Tag in Rechnung gestellt wurden. Diese Lieferung wurde am 7. Dezember 1956 von der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit gerügt und am 13. Dezember 1956 an die Lieferfirma mit dem Ersuchen zurückgestellt, ihr in der Höhe dieses Betrages eine Gutschrift einzuräumen. In Entsprechung dieses Ersuchens setzte die Firma M. die beklagte Partei mit dem Schreiben vom 14. Dezember 1956 davon in Kenntnis, daß sie für die zurückgestellten Schuhe den Rechnungsbetrag von 1830 S gutschreibe, daß diese Gutschrift jedoch nur zum Bezug von Artikeln ihrer Erzeugung berechtige, nicht aber an Zahlungs Statt verwendet werden könne. Dies nahm die beklagte Partei widerspruchslos zur Kenntnis. Am 23. Jänner 1957 zedierte die Firma M. unter gleichzeitiger Verständigung der beklagten Partei diese Forderung an die klagende Partei. Da die beklagte Partei mit dem Schreiben vom 11. März 1957 eine Zahlung ablehnte, forderte die Firma M. die beklagte Partei am 13. März 1957 neuerlich zur Zahlung auf und bat sie gleichzeitig, ihre Gutschrift zu verwerten. Die beklagte Partei erteilte bisher noch keinen Bestellungsauftrag an die lieferfähige und lieferbereite Firma M.

Das Erstgericht gelangte auf Grund dieser Feststellungen zur Annahme, der zwischen der Firma M. und der beklagten Partei über die am 12. November 1956 bestellten Schuhe abgeschlossene Kaufvertrag sei durch Lieferung der Ware erfüllt worden und die beklagte Partei daher zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Die Rückstellung der beanstandeten Ware ändere nichts daran, weil dem Käufer auf sein Verlangen die Gutschrift zugebilligt worden sei, womit die beklagte Partei ihr Einverständnis zuerkennen gegeben habe (§ 863 ABGB.). Die Einräumung der Warengutschrift stelle sich als die beiderseits gewollte Erfüllung des Kaufvertrages dar. Überdies sei in dem Begehren der beklagten Partei auf Gutschrift eine Anerkennung der Zahlungsverpflichtung zu ersehen. Der Kaufpreis sei infolge Annahmeverzuges der beklagten Partei fällig, das Klagebegehren daher begrundet.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Partei das Ersturteil dahin, daß es das Klagebegehren kostenpflichtig abwies. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen als unbedenklich und teilte die Auffassung des Erstrichters, es sei ein Einverständnis darüber zustandegekommen, daß die Ware von der Firma M. nur unter den Bedingungen der Gutschriftsmitteilung zurückgenommen wurde und daß um den der beklagten Partei gutgeschriebenen Kaufpreis andere Waren von der Firma M. zu liefern waren. Es beurteilte aber diesen Vorgang rechtlich als eine einverständliche Stornierung der ursprünglichen Bestellung unter gleichzeitigem Abschluß eines Spezifikationskaufes im Sinne des § 375 HGB. über von der Firma M. der Beklagten um den Kaufpreis von 1830 S zu liefernde Schuhwaren. Infolge Bestimmungsverzuges des Käufers und mangels Vorliegens von Behauptungen über einen Vertragsrücktritt des Verkäufers sei die Bestimmung vom Verkäufer (Firma M.) selbst vorzunehmen und unter angemessener Fristsetzung zur Vornahme einer anderweitigen Bestimmung dem Käufer bekanntzugeben gewesen. Erst nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wäre der Vertrag nach der vom Verkäufer getroffenen Bestimmung zu erfüllen und erst dann der Kaufpreis zu fordern, gewesen. Da die Durchführung dieser Maßnahme nicht einmal behauptet worden sei, sei die eingeklagte Forderung nicht fällig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat die Rücknahme der am 5. Dezember 1956 ausgelieferten und mit dem Schreiben der beklagten Partei vom 7. Dezember 1956 als "sehr stark fehlerhaft retournierten Schuhe durch die Lieferfirma, die über Ersuchen der beklagten Partei in diesem Schreiben vorgenommene Gutschrift, schließlich das Schreiben der Lieferfirma vom 14. Dezember 1956 über die erfolgte Gutschrift und dessen unbeanstandete Annahme sowie das darauf folgende Stillschweigen der beklagten Partei zutreffend dahin beurteilt, daß die Vertragspartner den Kauf über die retournierten Schuhe stornierten und gleichzeitig eine neue Vereinbarung abschlossen. Aus dem Umstand, daß der Kaufpreis für die zurückgestellte Ware, mit welchem die beklagte Partei ja auf Grund der erfolgten Auslieferung an sie belastet worden war, nunmehr der beklagten Partei mit der Einschränkung gutgebucht wurde, die Gutschrift berechtige nur zum Bezug von Artikeln, die von der Firma M. erzeugt würden, kann nur ein Spezifikationskauf nach § 375 HGB. abgeleitet werden, dessen nähere Voraussetzungen aus den zutreffenden Gründen des Berufungsgerichtes vorliegen. Da keine Bestimmung darüber getroffen wurde, wann die Lieferung der noch näher zu bezeichnenden Schuhwaren erfolgen sollte, traf nach § 375 HGB. den Käufer (die Beklagte) die Verpflichtung, auch diese vorbehaltene Bestimmung zu treffen. Es konnte daher der der klagenden Partei als aufrechte Forderung zedierte Kaufpreis überhaupt erst mit dem noch zu bestimmenden Liefertermin fällig werden. Der Käufer hat die ihm obliegende Bestimmung nicht vorgenommen. Mag auch der Verkäufer lieferbereit sein, so führt der Bestimmungsverzug des Käufers nicht etwa schon zur Fälligkeit des Kaufpreises (Schlegelberger, HGB., 3. Aufl. S. 1710 Anm. 28; s. auch ACI. 2310). § 375 HGB. gibt dem Verkäufer bloß die Möglichkeit, wenn der Käufer mit der Spezifikation im Verzug ist, diese selbst vorzunehmen oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten. Dabei ist eine Frist zur Geltendmachung dieser Wahlrechte im Gesetz nicht vorgesehen, ebensowenig wie der Verkäufer verpflichtet ist, von diesen Rechten überhaupt Gebrauch zu machen (JBl. 1953 S. 656). Auch wenn der Spezifikationskäufer etwa vor der Spezifikation grundlos den Kauf storniert hätte, könnte der Verkäufer nur nach § 375 HGB. vorgehen (1 Ob 365/55). Daß aber die Firma M. etwa nach den Bestimmungen des § 375 HGB. vorgegangen wäre und von dem Recht des Verkäufers zur Selbstbestimmung Gebrauch gemacht hätte, ist von der klagenden Partei im Verfahren vor dem Erstgericht nicht einmal behauptet worden. Ein Vorgehen nach § 375 HGB. kann insbesondere auch nicht darin ersehen werden, daß nach den Feststellungen der Untergerichte die Firma M. nach erfolgter Zession am 13. März 1957 die beklagte Partei zur Zahlung aufforderte und ersuchte, ihre Gutschrift zu verwerten. Denn damit ist dem Erfordernis, daß der Verkäufer, wenn er sein Recht zur Selbstbestimmung ausübt, die von ihm getroffene Bestimmung deutlich zum Ausdruck bringen muß und gleichzeitig zur Vornahme einer anderweitigen Bestimmung eine angemessene Frist zu setzen hat (Schlegelberger a. a. O. S. 1709), nicht Genüge getan. Da sohin eine Spezifikation insbesondere auch des Termines, zu welchem geliefert werden sollte, nicht erfolgt ist, mangelt es an der Fälligkeit der eingeklagten Forderung. Erst wenn durch eine Bestimmung, sei es des Käufers, sei es des Verkäufers, der Inhalt des Kaufvertrages endgültig festgelegt wird und der Verkäufer entsprechend dieser Bestimmung liefert oder lieferbereit ist, hat er Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (Schlegelberger a. a. O. S. 1710).

Anmerkung

Z31113

Schlagworte

Aufhebung eines Kaufvertrages, Preisgutschrift, Spezifikationskauf, Bestimmungskauf, Gutschrift des Kaufpreises aus einem stornierten, Geschäft, Gutschrift des Kaufpreises aus einem stornierten Geschäft„ Spezifikationskauf, Kauf mit Vorbehalt näherer Bestimmung, Gutschrift des Kaufpreises aus, einem stornierten Geschäft, Spezifikationskauf, Gutschrift des Kaufpreises aus einem stornierten, Geschäft, Stornierung eines Kaufvertrages, Preisgutschrift, Spezifikationskauf, Vorbehalt näherer Bestimmung, Kauf, Gutschrift des Kaufpreises aus, einem stornierten Geschäft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1958:0060OB00173.58.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19580917_OGH0002_0060OB00173_5800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten