Norm
ABGB §92Kopf
SZ 32/44
Spruch
Zur Vertretungsmacht (Schlüsselgewalt) der Ehegattin nach § 92 ABGB.
Entscheidung vom 1. April 1959, 5 Ob 149/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Erstbeklagte ist Lehrer mit einem Nettomonatsgehalt einschließlich aller Zulagen von zirka 3000 S. Er hat mit der Zweitbeklagten drei Kinder. Diese bestellte bei der Klägerin einen Staubsauger zum Preis von 1180 S und einen Kühlschrank zum Preis von 2980 S gegen eine Anzahlung von 690 S bei Lieferung und Zahlung in Monatsraten von zirka 200 S. Auf dem Bestellschein ist der Beruf des Erstbeklagten vermerkt.
Das Erstgericht verurteilte beide Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Kaufpreises.
Das Berufungsgericht änderte die Verurteilung des Erstbeklagten dahin ab, daß das Klagebegehren hinsichtlich dieses Beklagten abgewiesen wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Von dem Ehegatten, der seiner Frau den gemeinsamen Haushalt anvertraut hat, wird vermutet, daß er ihr auch die Macht eingeräumt habe, alles das zu tun, was die Wirtschaftsführung erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist (§ 1029 ABGB.; SZ. XIV 89). Die ordentliche Wirtschaftsführung umfaßt den Einkauf von Lebensmitteln, Geräten und anderen Bedarfsgegenständen, die ein Haushalt gewöhnlich erfordert. So weit soll der Geschäftspartner in seinem Vertrauen auf den die Annahme einer Vertretungsbefugnis begrundenden äußeren Tatbestand geschützt sein (EvBl. 1951 Nr. 167). Es ist seine Sache, zu prüfen, ob das Geschäft in den Rahmen einer der Stellung des Ehegatten entsprechenden Haushaltsführung fällt (EvBl. 1958 Nr. 287). Es mag richtig sein, daß der in der Revision angegebene hohe Prozentsatz der Mittelstandshaushalte heute schon einen Staubsauger und einen Kühlschrank besitzt, und es mag weiter richtig sein, daß die Bestellung vieler dieser Geräte durch Hausfrauen erfolgte und nachher von den Gatten anerkannt wurde. All dies ändert aber nichts daran, daß die Anschaffung solcher für die Führung des Haushalts zwar zweckmäßiger, aber nicht notwendiger Geräte wegen des für einen Mittelstandshaushalt bedeutenden Kostenaufwandes eine außergewöhnliche Anschaffung bedeutet, die einer reiflichen Überlegung bedarf und von der daher nicht anzunehmen ist, daß der Mann seiner Ehegattin die Macht eingeräumt habe, eine solche Anschaffung zu machen, ohne ihn zu fragen. Das war auch für die Klägerin, welcher der Beruf des Erstbeklagten mitgeteilt wurde, ohne weiteres erkennbar. Der von der Klägerin für ihr Klagebegehren gegen den Erstbeklagte herangezogene Klagegrund des § 92 ABGB. war daher verfehlt.
Anmerkung
Z32044Schlagworte
Ehegattin Schlüsselgewalt, Schlüsselgewalt der Ehegattin, Vertretungsmacht der Ehegattin, SchlüsselgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1959:0050OB00149.59.0401.000Dokumentnummer
JJT_19590401_OGH0002_0050OB00149_5900000_000