TE OGH 1959/5/13 3Ob191/59

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Veröffentlicht am 13.05.1959
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Norm

Jugendwohlfahrtsgesetz §29 f.

Kopf

SZ 32/63

Spruch

Eine vor dem 18. Lebensjahr angeordnete, mit dem vollendeten 19. Lebensjahr endende Fürsorgeerziehung kann durch Anordnung einer neuerlichen Fürsorgeerziehung bis zum Eintritt der Großjährigkeit verlängert werden.

Entscheidung vom 13. Mai 1959, 3 Ob 191/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Auf Antrag des Jugendamtes L. wurde der damals 16 Jahre alte mj. Otto M. mit Beschluß des Erstgerichtes vom 4. Jänner 1957 gemäß § 31 Abs. 1 JWG. wegen Gefahr im Verzuge der vorläufigen Fürsorgeerziehung überwiesen, um ein Fortschreiten der sittlichen Verwahrlosung des Minderjährigen aufzuhalten. Der Minderjährige war am 7. Dezember 1956 in das Jugendfürsorgeheim L. aufgenommen worden.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30. März 1957 wurde der damals 17jährige Minderjährige gemäß § 29 JWG. der Fürsorgeerziehung mit der Begründung überwiesen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen und die vorläufige Fürsorgeerziehung im Erziehungsheim bereits einen Erfolg gebracht habe. Nach den Berichten des Jugendfürsorgeheims erlernt der Minderjährige im Erziehungsheim das Schneiderhandwerk. Seit 30. August 1958 wird er als Externist geführt. Er setzt seine Lehre und Schulausbildung im Heim erfolgreich fort, wohnt und schläft aber sonst bei seinem Vater in Linz.

Am 27. Jänner beantragte das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, die über den Minderjährigen angeordnete Fürsorgeerziehung über das 19. Lebensjahr hinaus bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Lehrzeit (Jänner 1960), bzw. bis zur Ablegung der Gesellenprüfung als Schneider zu verlängern. Nach der dargelegten besonderen Sachlage könne das angestrebte Berufsziel des charakterlich noch nicht gefestigten Minderjährigen ohne Gefährdung nur so erreicht werden.

Diesen Antrag wies das Erstgericht mit Beschluß vom 9. Februar 1959 ohne Prüfung des Sachverhaltes aus Rechtsgrunden zurück.

Dem Rekurs des Amtes der Landesregierung gab das Rekursgericht keine Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Amtes der Landesregierung Folge und verwies die Sache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das JWG. bestimmt in der Frage des Alters der fürsorgebedürftigen Minderjährigen bei Anordnung der Fürsorgeerziehung (§ 29 Abs. 2 JWG.), daß im allgemeinen nach Vollendung des 18. Lebensjahres eine Fürsorgeerziehung nicht mehr angeordnet werden darf. Ausnahmsweise, falls Aussicht auf Erfolg der Fürsorgeerziehung besteht, kann bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres eine solche Maßnahme getroffen werden. Gemäß § 30 Abs. 1 JWG. endet die Fürsorgeerziehung mit dem vollendeten 19. Lebensjahr. Dies gilt aber ebenso wie bei der Anordnung der Fürsorgeerziehung nach § 29 Abs. 1 JWG. hinsichtlich des Alters von 18 Jahren nur im allgemeinen. Denn gemäß § 30 Abs. 1 JWG. endet im Ausnahmsfall des § 29 Abs. 2, 2. Satz JWG. die Fürsorgeerziehung erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Minderjährigen, wenn kein früherer Zeitpunkt festgesetzt wird.

Das Rekursgericht vertritt nun ebenso wie das Erstgericht die Auffassung, daß gemäß dem Wortlaut der §§ 30 Abs. 1, 29 Abs. 2 JWG. eine Fürsorgeerziehung über das vollendete 19. Lebensjahr hinaus nur dann Platz greifen dürfe, wenn sie ausnahmsweise zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr angeordnet wurde. Nicht aber dürfe eine vor dem 18. Lebensjahr angeordnete Fürsorgeerziehung, wie sie auch im gegenständlichen Fall erfolgt ist, über das 19. Lebensjahr hinaus verlängert werden.

Hier übersehen die Untergerichte folgendes:

Der Antrag auf Verlängerung der Fürsorgeerziehung über das 19. Lebensjahr hinaus wurde damit begrundet, daß die sittliche Verwahrlosung des Minderjährigen noch nicht zur Gänze beseitigt sei und daß Aussicht auf Erfolg der Fürsorgeerziehung bestehe. Damit wurde zum Ausdruck gebracht, daß trotz Beendigung der angeordneten Fürsorgeerziehung mit vollendetem 19. Lebensjahr die Voraussetzung für eine ausnahmsweise neuerliche Anordnung der Fürsorgeerziehung zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr gegeben seien (§ 29 Abs. 1 und 2 JWG.). Diese endet gemäß § 30 Abs. 1 JWG. spätestens mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Minderjährigen. Der Fall, daß bei einer vor dem 18. Lebensjahr angeordneten, mit der Erreichung des 19. Lebensjahres beendeten Fürsorgeerziehung wegen noch nicht gänzlich beseitigter Verwahrlosung und wegen Aussicht auf Erfolg der Fürsorgeerziehung der Minderjährige noch einer Fürsorgeerziehung bedarf, ist im Gesetz somit ausdrücklich und so klar gelöst, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann. Die im vorliegenden Fall damit im Widerspruch stehenden Entscheidungen zweiter und erster Instanz sind daher offenbar gesetzwidrig.

Anmerkung

Z32063

Schlagworte

Fürsorgeerziehung, Verlängerung bis zur Großjährigkeit, Verlängerung der Fürsorgeerziehung bis zur Großjährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0030OB00191.59.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19590513_OGH0002_0030OB00191_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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