TE OGH 1959/11/18 3Ob399/59

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Veröffentlicht am 18.11.1959
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Norm

ABGB §§36 ff
ABGB §905
ABGB §1041
ABGB §§1431 ff

Kopf

SZ 32/149

Spruch

Bereicherungs- und Kondiktionsansprüche sind in der Regel nach dem Recht am Wohnsitz des Schuldners zu behandeln.

Entscheidung vom 18. November 1959, 3 Ob 399/59.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die beklagte Partei schuldete der Firma Sch., Zweigniederlassung Hamburg, 35.166 RM, welche die Beklagte a conto zu besorgender Speditionsleistungen im März 1945 erhalten hatte. Die Speditionsleistungen konnten nicht mehr erbracht werden. Der Firma Sch. steht daher ein Rückforderungsanspruch zu. Die Forderung ist nach dem Standpunkt der klagenden Partei auf Grund des Art. 22 des Staatsvertrages als deutsches Eigentum an die Republik Österreich übergegangen. Die beklagte Partei anerkannte den Eigentumsübergang und zahlte die Schuld unter Berücksichtigung des deutschen Umstellungsgesetzes Nr. 63/1948, wonach die RM 10 : 1 in DM umgewandelt wurden, nach dem Devisenkurs am Zahlungstag.

Die Klägerin verlangt dagegen die Bezahlung nach dem Umrechnungsverhältnis 1 RM = 1 S und begehrt dementsprechend die Nachzahlung des Differenzbetrages.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei nur einen Teilbetrag zu und wies das Klagebegehren im übrigen ab. Es ging davon aus, daß die Bestimmungen der §§ 905 ABGB., 361 HBG., 36 ABGB. keine Anwendung fänden, weil zur Zeit der Entstehung der Schuld eine einheitliche Währung vorhanden gewesen sei. An eine Währungsspaltung hätten die Parteien nicht gedacht. Nach dem hypothetischen Parteiwillen hätte die Schuld in RM zurückgezahlt werden sollen. Durch die Umwandlung der alten RM-Währung in die DM-Währung sei auch der in RM bestehende Rückforderungsanspruch betroffen worden. Der Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses liege in Deutschland, weil das Rückforderungsrecht einer Hamburger Gesellschaft zustehe; es sei daher das Deutsche Währungsgesetz auf den Anspruch anzuwenden.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei hat den Übergang der Forderung der Firma Sch. auf die Republik Österreich als deutsches Eigentum durch Zahlung des nach ihrer Berechnung geschuldeten Betrages anerkannt und deshalb die Klagelegitimation der klagenden Partei nicht bestritten.

Streitentscheidend ist daher nur die Frage geblieben, welche Währung nach der eingetretenen Währungsspaltung auf die Schuld anzuwenden ist. Nach § 905 Abs. 1 ABGB. ist mangels anderweitiger Vereinbarung am Wohnsitz bzw. am Sitz der geschäftlichen Niederlassung des Schuldners zu erfüllen. Nach diesem richtet sich auch die anzuwendende Währung. Wenn man nach dieser Regel vorgeht, ergibt sich die Umrechnung von 1 RM = 1 S, weil die beklagte Partei ihre Niederlassung in Österreich hat. Sonst stehen Rechtslehre und Rechtsprechung allerdings auf dem Standpunkt, daß die Frage, welche Währung nach einer Währungsspaltung anzuwenden ist, nicht durchaus nach dem Recht des Erfüllungsortes beurteilt werden kann, wenn sich andere gewichtigere Anknüpfungspunkte ergeben (SZ. XXIV 190 und die dort angeführte Literatur und Rechtsprechung). Solche Anknüpfungspunkte sind aber hier nicht zu erkennen bzw. sie weisen gleichfalls auf das Recht am Wohnsitz des Schuldners hin. Der von der Beklagten herangezogene Vergleich des Bereicherungsanspruches mit einem Schadenersatzanspruch ist nicht stichhältig. Wohl kommt es bei einer Schadenersatzforderung in erster Linie darauf an, den Geschädigten so zu stellen, wie er vor der Schadenszufügung gestanden ist, so daß es in der Regel auf die Verhältnisse an seinem Aufenthaltsort besonders ankommen mag. Der Bereicherungsanspruch dagegen ist nicht gläubiger-, sondern schuldnerbezogen. Der Schuldner hat das Empfangene herauszugeben und nur dieses, gleichgültig ob damit den Interessen des Gläubigers bereits voll entsprochen wird oder nicht. Der Betrag ist nach dem dem Schuldner verschafften Nutzen zu bestimmen. Die Regeln über den redlichen Besitzer finden Anwendung (§ 1437 ABGB.). Diese Erwägungen begrunden daher auch den Rechtssatz, daß Bereicherungs- und Kondiktionsansprüche in der Regel nach dein Recht am Wohnsitz des Schuldners zu behandeln sind. Die Art des Anspruches ergibt daher im vorliegenden Fall keinen anderen Anknüpfungspunkt, der beachtlich wäre. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß sich der Fall wesentlich von dem in der Entscheidung SZ. XXIV 190 angeführten unterscheidet. Dort wurde das Recht am Sitz des Kreditinstituts, welches ein Darlehen gewährt hatte, deshalb für maßgebend angesehen, weil dieser Ort als Erfüllungsort vereinbart wurde und angenommen werden muß, daß ein Kreditinstitut "im Hinblick auf seine gesamte Gebarung weder auf außerordentlichen Gewinn spekulieren noch das Risiko eines den Bestimmungen der Gesetze, die an ihrem Sitz gelten, nicht entsprechenden Verlustes auf sich nehmen wollte". Solche Erwägungen gelten für ein Kreditinstitut, nicht aber hier für den Hamburger Auftraggeber. Anders lag der Fall auch in der Entscheidung 3 Ob 247/58, weil dort als Ort des Vertragsabschlusses München angenommen wurde und deshalb deutsches Recht anzuwenden war. Dagegen hat der Oberste Gerichtshof auch in der Entscheidung 3 Ob 58/58 ausdrücklich den allgemeinen Rechtssatz vertreten, daß eine Forderung in der Regel am Wohnsitz des Schuldners belegen ist.

Es spricht aber auch eine weitere Erwägung dafür, daß im vorliegenden Fall der Schwerpunkt des Schuldverhältnisses am Wohnort des Schuldners liegt. Die beklagte Partei ist ein Speditionsunternehmen und hatte nach dem der Kondiktion zugrunde liegenden Speditionsvertrag Speditionsleistungen zu erbringen. Der wirtschaftliche Schwerpunkt lag in diesem Fall daher am Niederlassungsort der beklagten Partei. Speditionsverträge werden nach den allgemein verbindlichen Speditionsbedingungen abgewickelt, die als Erfüllungsort immer den Ort der Niederlassung des Spediteurs vorsehen, an den der Auftrag gerichtet ist. Auch dies läßt daher als Schwerpunkt den Niederlassungsort des Spediteurs erkennen.

Alle Erwägungen sprechen daher dafür, daß hier das Währungsrecht am Niederlassungsort der beklagten Partei als das maßgebende anzuerkennen ist. Daraus ergibt sich aber die Berechtigung des Standpunktes der klagenden Partei, daß die Reichsmarkschuld nach dem österreichischen Schillinggesetz im Verhältnis 1 RM = 1 S umzurechnen ist.

Anmerkung

Z32149

Schlagworte

Bereicherungsanspruch, Recht am Wohnsitz des Schuldners, Internationales Privatrecht, Bereicherungsansprüche, Wohnsitz des, Schuldners, Kondiktionsanspruch, Recht am Wohnsitz des Schuldners, Privatrecht, internationales, Bereicherungsansprüche, Wohnsitz des, Schuldners, Währungsrecht, Bereicherungsansprüche, Recht am Wohnsitz des Schuldners, Wohnsitz des Schuldners, maßgebend für Bereicherungsansprüche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0030OB00399.59.1118.000

Dokumentnummer

JJT_19591118_OGH0002_0030OB00399_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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