Norm
Amtshaftungsgesetz §1Kopf
SZ 33/16
Spruch
Der Rechtsgrund für Ansprüche nach dem Gesetz über Entschädigung wegen ungerechtfertigter Verurteilung liegt nicht in der Schuld der Richter, sondern in der Unschuld des Angeklagten.
Entscheidung vom 10. Februar 1960, 1 Ob 35/60.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Wegen Übertretung gemäß § 19 Abs. 2 der 3. HandwerksV. vom 18. Jänner 1935, DRGBl. I S. 15, i. d. F. des GBlÖ. Nr. 48/1940, wurde der Kläger mit Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 10. März 1949, U 549/48-7, zu einer Geldstrafe von 50 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu 48 Stunden Arrest, verurteilt, weil er seit 24. Juni 1946 in E. selbständig das Mechanikerhandwerk als stehendes Gewerbe betrieben hatte. Das Kreisgericht Steyr als Berufungsgericht bestätigte dieses Strafurteil. Mit Beschluß vom 18. Februar 1958, U 60/58-42, bewilligte das Bezirksgericht Enns die Wiederaufnahme des Verfahrens und sprach den Kläger mit Urteil vom gleichen Tag von der wider ihn erhobenen Anklage der Übertretung nach § 19 Abs. 2 der 3. Handwerksv. gemäß § 259 Z. 3 StPO. frei. Mit Beschluß vom 14. Mai 1958, U 60/58-46, erkannte das Bezirksgericht Enns dem Kläger den grundsätzlichen Entschädigungsanspruch gemäß dem Bundesgesetz vom 2. August 1932, BGBl. Nr. 242, gegen den Bund zu, worauf der Kläger von der beklagten Republik Österreich eine Entschädigung von 20.381 S als Ersatz für die ihm durch die Verurteilung verursachten Portogebühren von 50 S 85 g, für durch die exekutive Eintreibung der Pauschalkosten erlittene Vermögensnachteile von 226 S 75 g, für 5% Zinsen im Betrag von 103 S und für auf das Strafverfahren zurückgehenden Verdienstentgang infolge Berufsschädigung im Betrag von 20.000 S begehrte. Das Bundesministerium für Justiz anerkannte mit Erlaß vom 10. Oktober 1958, Zl. 61.074/58, nur den Betrag von 210 S 40 g, während das Mehrbegehren abgelehnt wurde.
Der Kläger verlangt nun von der beklagten Republik Österreich 20.305 S 25 g samt 4% Zinsen seit dem Klagstag an Schadenersatz. Hinsichtlich der wesentlichen Post von 20.000 S bringt er in der Klage vor, daß die Ablehnung des Anspruchs auf Zahlung dieses Betrages von der Gegenseite damit begrundet werde, nicht seine Verurteilung, sondern das Fehlen einer Berechtigung zum Kraftfahrzeugmechanikergewerbe hätte ihn hindern müssen, weiterhin Reparaturen von Kraftfahrzeugen vorzunehmen. Außerdem sei die Schädigung seines Rufs weniger auf das Bekanntwerden seiner Verurteilung wegen unbefugter Gewerbeausübung als auf das Bekanntwerden seiner weiteren Verurteilungen und der deshalb erfolgten Haften zurückzuführen. Der Kläger gebe zu, daß auch letztere Tatsache seinen Erwerb ungünstig beeinflußt habe, dies sei jedoch schon bei Ermittlung des Verdienstentganges mit 20.000 S von ihm berücksichtigt worden. Die beiden Verurteilungen hätten sich für ihn viel mehr im Handel als bei den Reparaturen ausgewirkt. Infolge der Verurteilung vom 10. März 1949 nach der 3. HandwerksV. habe es sich bei den Leuten in der ganzen Umgebung herumgesprochen, daß der Kläger nicht nur keinerlei Reparaturen von Motorrädern, sondern auch keinerlei Reparaturen von Fahrrädern, Nähmaschinen usw. durchführen dürfe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nur mit dem geringfügigen Betrag von 71 S 25 g statt und wies das Mehrbegehren von 20.073 S 32 g samt 4% Zinsen seit dem Klagstag ab. Es stellte fest, daß die gepfändeten Gegenstände (Fahrrad und Handbohrmaschine) zur Zeit ihres zwangsweisen Verkaufes 234 S wert waren, wobei auf das Fahrrad 150 S und die Handbohrmaschine 84 S entfielen. Da die Gegenstände um 170 S verkauft wurden, wovon der Kläger 7 S 25 g überwiesen erhielt, stehe dem Kläger noch eine restliche Forderung von 71 S 25 g zu.
Der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht keine Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 10. März 1949, U 549/48-7, war der Kläger schuldig erkannt worden, die Übertretung nach § 19 der Verordnung vom 18. Jänner 1935, DRGBl. I S. 15, in der Fassung der Verordnungen vom 22. Jänner 1936, DRGBl. I S. 42, und vom 24. Februar 1940, DRGBl. I S. 420, dadurch begangen zu haben, daß er seit 24. Juni 1946 in E. selbständig das Mechanikerhandwerk als stehendes Gewerbe betrieben hat. Der Schuldspruch stützte sich darauf, daß der Beschuldigte zugab, die "gegenständliche Reparatur vorgenommen zu haben, und fortgesetzt derartige Reparaturen vornimmt", ferner darauf, daß in einer Stellungnahme der Landesinnung der Kraftfahrzeugmechaniker vom 22. Oktober 1948 gesagt war, der Beschuldigte sei nicht berechtigt, derartige Reparaturen (gemeint: wie diejenige am Motorrad des Dipl.- Ing. Adalbert K., bei welchem eine Lampe montiert, ein Pneudefekt behoben, der Unterbrecher, der Vergaser und die Zundkerzen gereinigt worden waren) vorzunehmen, und schließlich auf das Zugeständnis des Beschuldigten, das Mechanikergewerbe nicht erlernt zu haben während Reparaturen an gebrauchten Motorrädern aber in das handwerksmäßige Gewerbe der Kraftfahrzeugmechaniker fielen. Der nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens mit Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 18. Februar 1958, U 60/58-43, erfolgte Freispruch von der Anklage war damit begrundet worden, daß der Beschuldigte nach den seinerzeitigen Gewerbevorschriften zur Vornahme der Reparaturarbeit, die den Anlaß zur Einleitung des Strafverfahrens U 549/48 des Bezirksgerichtes Enns bildete, im gegebenen Einzelfall und allenfalls auch in vordringlichen Fällen berechtigt war, ihm aber nach wie vor keineswegs generell das Recht zustehe, an Kraftfahrzeugen Reparaturen auf kaltem Weg durchzuführen. - Nach den neuen Erhebungsergebnissen habe es sich herausgestellt, daß die seinerzeit von der Landesinnung der Kraftfahrzeugmechaniker beanstandeten Reparaturarbeiten keinen Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 Abs. 2 der 3. HandwerksV. erblicken ließen. Gemäß der Zuschrift der Handelskammer vom 15. November 1957 in Verbindung mit der Aussage des Zeugen Dr. Karl Sch. könne im Montieren eines Scheinwerfers nicht eine dem Mechanikergewerbe vorbehaltene Tätigkeit gesehen werden, da diese Arbeit dem Händler mit einschlägigen Artikeln anläßlich des Verkaufes, kaum zu verwehren sei; das Kleben eines Motorradreifens falle weder in den Berechtigungsumfang des Kraftfahrzeugmechaniker, noch in jenen des Mechanikerhandwerks, weil es dem Vulkanisierhandwerk vorbehalten sei. Dagegen werde das Reinigen von Vergasern einem Handelsbetrieb keinesfalls mehr zugestanden, diese Tätigkeit vielmehr vom Kraftfahrzeugmechaniker durchgeführt, habe also mit dem Mechanikergewerbe auch nichts zu tun. Es sei also keine der angeführten Tätigkeiten dem Mechanikergewerbe zuzurechnen. Allerdings räume die Sektion Gewerbe ein, daß in vordringlichen Fällen, wenn eine Kraftfahrzeugmechanikerwerkstätte nicht erreicht werden könne, das Reinigen des Vergasers auch von anderen Werkstätten durchgeführt werde. Abschließend lehnt die erwähnte Zuschrift die vom Wiederaufnahmswerber gewünschte Ausstellung einer Bestätigung, daß er als Kraftfahrzeughändler zu allen Reparaturen an Kraftfahrzeugen auf kaltem Weg berechtigt sei, ab, weil der Ein- und Ausbau der Motoren und die Ausbesserung von Kraftfahrzeugen in allen ihren aus Eisen und Metall bestehenden mechanischen oder tragenden Bestandteilen dem Kraftfahrzeugmechanikergewerbe vorbehalten sei, gleichgültig ob diese Arbeiten auf kaltem Weg durchgeführt würden oder nicht.
In den Gründen des Freispruchs wird, wie gezeigt, auch daran festgehalten, daß dem Kläger im allgemeinen nicht das Recht zusteht, Kraftfahrzeugreparaturen durchzuführen, und da mit der gegenteilige Standpunkt des Klägers, er sei zur Vornahme von Reparaturen an solchen Fahrzeugen auf kaltem Weg berechtigt, sofern es sich um Waren und Artikel handle, die er selbst führe, abgelehnt. Die Verurteilung vom 10. März 1949 erwies, sich deshalb als verfehlt, weil der Kläger im Falle der Anzeige nicht das Mechaniker-, sondern u. a. auch das Kraftfahrzeugmechanikergewerbe unbefugt ausübte. Im übrigen hat der Schuldspruch eine Feststellung, daß der Kläger nicht berechtigt sei, irgendwelche Reparaturen durchzuführen, gar nicht getroffen, ja die Frage, ob er Arbeiten von Kraftfahrzeugmechanikern vornehmen könne, die mit seinem Gewerbe, nämlich dem Handel von Maschinen, Fahrrädern und Gebrauchsgegenständen, in unmittelbarem Zusammenhang stehen, die sich also beim Ankauf von neuen Waren beim Beschuldigten notwendigerweise ergeben, nicht einmal verneint. Die Reparatur im Anzeigefall wurde jedoch an einem gebrauchten Motorrad vorgenommen. Wenn also tatsächlich weit und breit unter den Leuten der Umgebung gesprochen worden sein sollte; daß der Kläger zur Durchführung von Reparaturen überhaupt nicht berechtigt sei, so kann dafür nicht das verurteilende Erkenntnis ursächlich gewesen sein, weil in ihm ein für alle Fälle geltender Ausschluß von Reparaturberechtigungen des Klägers gar nicht zum Ausdruck kommt. Die Quelle jenes angeblichen Geredes muß also außerhalb der gerichtlichen Verurteilung vom 10. März 1949 gesucht werden.
Nach dem Bundesgesetz vom 2. August 1932, BGBl. Nr. 242, über die Entschädigung ungerechtfertigt verurteilter Personen steht dem von einem bürgerlichen Strafgericht rechtskräftig Verurteilten unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Bund ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für die durch die ungerechtfertigte Verurteilung erlittenen vermögensrechtlichen Nachteile zu. Der Rechtsgrund der Entschädigung liegt in der Unschuld des Verurteilten, nicht in der Schuld seiner Richter. Dadurch unterscheidet sich das System der Entschädigung für ungerechtfertigte Verurteilung nach dem genannten Gesetz von der Entschädigung nach dem Amtshaftungsgesetz (Loebenstein - Kaniak, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz, S. 135 f.). Zwischen dem Schaden und der ungerechtfertigten Verurteilung muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ursache im Rechtssinne ist nach der herrschenden Adäquanztheorie nur eine solche Bedingung, die für den Erfolg typisch ist, ihn erwarten läßt, ihn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge herbeizuführen geeignet ist (EvBl. 1957 Nr. 219). Gerade dies kann vom verurteilenden Erkenntnis, das die Grundlage des Schadenersatzanspruches des Klägers bildet, nach dem schon Gesagten nicht angenommen werden. Ein Handelsgewerbetreibender, wie es der Kläger zur Zeit seiner Verurteilung allein war, kann nur fertige Waren weiterverkaufen, nicht aber Waren erzeugen, ändern oder reparieren, wenn von bloßen Adaptierungen an die Bedürfnisse des Käufers abgesehen wird (Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts, 5. Aufl. II S. 209; Branberger - Knauer, Das österreichische Gewerberecht, 2. Aufl. S. 103 zu § 38 GewO.). Da der Kläger im allgemeinen zur Durchführung von Reparaturen keine Berechtigung hatte, eine ausnahmslose Verneinung jedweder Berechtigung des Klägers zur Selbstvornahme von Reparaturen dem Schuldspruch nicht zu entnehmen war, erweist sich sein Verlangen auf Schadenersatz aus dem von ihm in der Aufforderung an das Bundesministerium für Justiz vom 16. August 1958 enthaltenen Grund, der für die Beurteilung des Klageanspruches allein maßgebend ist, als völlig unbegrundet. Mit Recht hebt die Revisionsbeantwortung hervor, daß ungeachtet des schließlichen Freispruchs die Tatsache der Nichtberechtigung des Klägers zur gewerbsmäßigen Ausübung des Kraftfahrzeugmechanikerhandwerks bzw. des Mechanikerhandwerks schlechthin bestehen blieb; diese dem Gesetz entsprechende Feststellung lag auch der seinerzeitigen Verurteilung zugrunde.
Anmerkung
Z33016Schlagworte
Amtshaftung Entschädigung wegen ungerechtfertigter Verurteilung, Entschädigung wegen ungerechtfertigter Verurteilung, Rechtsgrund, Ungerechtfertigte Verurteilung, Entschädigung, Rechtsgrund, Verurteilung, ungerechtfertigte, Entschädigung, RechtsgrundEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00035.6.0210.000Dokumentnummer
JJT_19600210_OGH0002_0010OB00035_6000000_000