TE OGH 1960/3/30 5Ob95/60

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Veröffentlicht am 30.03.1960
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Norm

KO §3 Abs2

Kopf

SZ 33/40

Spruch

Die Beweislast für das Kennen oder Kennenmüssen im Sinne des § 3 Abs. 2 KO. trifft den belangten Schuldner.

Entscheidung vom 30. März 1960, 5 Ob 95/60.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Über das Vermögen des Franz E, wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. September 1956 das Konkursverfahren eröffnet. Die Konkurseröffnung wurde in der "Wiener Zeitung" vom 23. Oktober 1956 und im Zentralblatt für die Eintragungen in das Handelsregister in der Republik Österreich vom 31. Oktober 1956 veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 1958 verständigte Dr. Walter K. in Küsnacht-Zürich das beklagte Bankhaus, daß ihm auf Grund seines Auftrages in den nächsten Tagen von der Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich US-Dollar 12.401.83 überwiesen würden. Diese Summe sei in bestimmten Teilbeträgen an acht namentlich genannte Legatare darunter den Gemeinschuldner, gegen Vorlage der den Legataren bereits direkt übermittelten, vom amerikanischen Konsulat in Wien zu legalisierenden Quittungen auszuzahlen.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1958 übermittelte die Schweizerische Bankgesellschaft der beklagten Partei acht Schecks der F.-Bank in Oakland (Kalifornien) mit der Weisung, gegen Indossierung der Schecks durch die Begünstigten und Übergabe der entsprechend legalisierten Quittungen die Beträge auszuzahlen. Die beklagte Partei verpflichtete sich mit Schreiben vom 27. Oktober 1958 zur Durchführung des Auftrages und teilte mit Schreiben vom 31. Oktober 1958 den Legataren mit, unter welchen Bedingungen sie den Schillingwert beheben könnten.

Infolge der Gleichnamigkeit des Gemeinschuldners mit seinem bei ihm wohnhaften Sohn gelangte ein Teil dieser Post trotz der gemäß § 77 Abs. 2 KO. verfügten Postsperre an ihn, so daß er durch Beibringung der legalisierten Quittungen und Indossierung der Schecks am 15. November 1958 die Auszahlung des Betrages von 23.204 S erreichte. Er verbrauchte diesen Betrag bis auf 7600 S, welche bei ihm noch hereingebracht werden konnten und wurde deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. März 1959 gemäß § 205a StG. zu zwei Monaten schweren Kerkers verurteilt.

Das Erstgericht wies die Klage des Masseverwalters auf neuerliche Zahlung des vom Gemeinschuldner verbrauchten Betrages von 16.204 S ab. Die beklagte Partei habe der ihr nach § 3 Abs. 2 KO. und § 347 HGB. obliegenden Sorgfaltspflicht entsprochen, wenn sie die Konkursveröffentlichungen laufend verfolgte und bei den Konten, die bei ihr bestehen oder bestanden, vermerkte. Für den Gemeinschuldner habe aber nie ein Konto bei ihr bestanden. Es sei undurchführbar und könne der beklagten Partei nicht zugemutet werden, sämtliche Konkurseröffnungen evident zu halten und vor jeder Auszahlung nachzusehen, ob ihr nicht ein Konkursverfahren entgegenstehe. Auch darin, daß der Gemeinschuldner nicht befragt wurde, ob er sich nicht vielleicht im Konkurs befinde, liege keine Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht, zumal sich die Beklagte auf das Funktionieren der Postsperre, verlassen könne. Der Kläger habe somit den ihm obliegenden Nachweis, daß der beklagten Partei bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt das im September 1956 über das Vermögen des Gemeinschuldners eröffnete Konkursverfahren hätte bekannt sein müssen, nicht erbracht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von den Untergerichten als erwiesen angenommene Sachverhalt muß - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - als Anweisung der Schweizerischen Bankgesellschaft an die beklagte Partei beurteilt werden. Soweit die Schweizerische Bankgesellschaft selbst Angewiesene des Dr. Walter K. war, liegt zwischen ihr und der beklagten Partei eine Unteranweisung vor, auf die die Vorschriften über die Anweisung anzuwenden sind (Wolff in Klang 2. Aufl. VI 327). Durch die gegenüber dem Gemeinschuldner erklärte Annahme der Anweisung ist diesem - da es sich hiebei bloß um eine empfangsbedürftige Erklärung handelt, die dem Anweisungsempfänger nur zukommen muß (vgl. Wolff a. a. O. 326) - gemäß § 1400, 2. Satz, ABGB. ein unmittelbarer Anspruch entstanden, der gemäß § 1 KO. in die Konkursmasse fällt und nur vom Masseverwalter geltend gemacht werden kann.

Daß die Unkenntnis der beklagten Partei von der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gemeinschuldners auf einer Außerachtlassung der ihr nach § 347 HGB. obliegenden Verpflichtung zur gehörigen Sorgfalt beruht, wird nach § 3 Abs. 2 KO. vermutet. Im Gegensatz zur Ansicht der Untergerichte muß nicht der Masseverwalter beweisen, daß dem Schuldner zur Zeit der Zahlung die Konkurseröffnung bekannt war oder bekannt sein mußte, sondern der belangte Schuldner muß beweisen, daß ihm dies weder bekannt war noch bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt bekannt sein mußte. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so muß er an die Masse neuerlich leisten (Bartsch - Pollak, KO., AO. u. AnfO., 3. Aufl. I S. 54 Anm. 24 zu § 3; Rintelen, Konkursordnung S. 38; derselbe, Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechtes S. 144 f.; Jaeger, KO., 8. Aufl. S. 160 Anm. 15 zu § 8). Die Klage des Masseverwalters kann daher nicht deswegen abgewiesen werden, weil er "den ihm obliegenden Beweis" nicht erbracht hat.

Der Meinung des Berufungsgerichtes, die beklagte Partei habe die ihr nach § 3 Abs. 2 KO. und § 347 HGB. obliegende Sorgfaltspflicht gewahrt, indem sie die jeweils verlautbarten Konkurseröffnungen bei den bestehenden Konten ihrer Kunden vermerkte, eine weitere Evidenthaltung oder auch nur eine Befragung von Gelegenheitskunden, ob nicht gegen sie ein Konkursverfahren anhängig sei, könne einer Bank nicht zugemutet werden, kann nicht ohne weiteres gefolgt werden. Es war Sache der beklagten Partei, nachzuweisen, daß die Führung von Verzeichnissen der Konkurseröffnungen und deren Durchsicht zur Vornahme einer Auszahlung nicht möglich, nicht tunlich oder nach den Handelsbräuchen nicht üblich seien. Die Aussage des Prokuristen Albert S., auf welche sich die Untergerichte stützen, ist zu dürftig, um hieraus schlüssig folgern zu können, daß eine Evidenthaltung aller eröffneten Konkurse technisch nicht möglich sei.

Es mußten daher die untergerichtlichen Urteile aufgehoben und die Rechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird im Sinne des § 182 Abs. 1 ZPO. darauf hinzuwirken haben, daß die beklagte Partei ihre Angaben in der Richtung, sie habe die Tatsache der Konkurseröffnung weder gekannt noch kennen müssen, vervollständigt und die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet.

Anmerkung

Z33040

Schlagworte

Beweislast im Falle des § 3 Abs. 2 KO., Konkursverfahren Beweislast im Falle des § 3 Abs. 2 KO., Zahlung an den Gemeinschuldner nach Konkurseröffnung, Beweislast im, Falle des § 3 Abs. 2 KO.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0050OB00095.6.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19600330_OGH0002_0050OB00095_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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