TE OGH 1960/5/20 2Ob112/60

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Veröffentlicht am 20.05.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich R*****, vertreten durch Dr. Franz Anders, Rechtsanwalt in Wien, als Armenvertreter, wider die beklagten Parteien 1) Alfred S*****; 2) Ing. Karl St***** & Alois R***** Franz J*****, beide vertreten durch Dr. Max Buschman, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.752,68 S sA und einer monatlichen Rente von 487,60 S ab 1. Juli 1956, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1960, GZ 3 R 25/60-98, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Oktober 1959, GZ 21 Cg 212/56-92, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 947,26 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 30. 6. 1953 in Wien als Fußgänger beim Überqueren des Landstraßer-Gürtels einen Unfall, als er durch den vom Erstbeklagten gelenkten Lastkraftwagen, dessen Halterin die zweitbeklagte Partei ist, zu Boden gestoßen wurde. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde der Erstbeklagte strafgerichtlich wegen Übertretung nach § 335 StG rechtskräftig verurteilt. Bereits zu 30 Cg 170/54 des Erstgerichtes machte der Kläger aus diesem Unfalle Schadenersatzansprüche gegen die beiden Beklagten geltend. Mit Urteil des Erstgerichtes vom 5. 12. 1955, 30 Cg 170/54-48, wurden die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand verurteilt, dem Kläger den Betrag von 10.420 S sA zu bezahlen, und dessen Mehrbegehren abgewiesen (in diesem Urteil war das Erstgericht zum Ergebnis gekommen, dass die Beklagten dem Kläger aus dem bezeichneten Verkehrsunfalle bei Annahme eines Eigenverschuldens des Klägers zur Hälfte schadenersatzpflichtig seien; dem Kläger gebühre Schmerzengeld und Ersatz seines Sachschadens, das Begehren auf Ersatz von Verdienstentgang sei im Hinblick auf die dem Kläger zukommenden Sozialversicherungsleistungen nicht begründet).

Im vorliegenden - durch Klage vom 29. 6. 1956 eingeleiteten - Prozesse macht der Kläger weitere Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfalle vom 30. 6. 1953 gegenüber beiden Beklagten geltend, und zwar begehrt er nach dem letzten Stande des erstgerichtlichen Verfahrens den Betrag von 8.752,68 S sA als Ersatz des Verdienstentgangs durch 25 Monate für die Zeit vom 1. 6. 1954 bis 30. 6. 1956 und die Leistung einer Monatsrente von 487,60 S ab 1. 7. 1956.

Das Erstgericht hat dieses Begehren abgewiesen. Dabei ging das Erstgericht von der in diesem Verfahren unbestrittenen Schadenersatzpflicht der beiden Beklagten zu 50 % aus; selbst bei der für den Kläger günstigsten Art der Berechnung seines Arbeitseinkommens stehe ihm im Hinblick auf die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung und auf die an den Kläger aus der Sozialversicherung und der öffentlichen Fürsorge erbrachten Leistungen keinerlei Anspruch gegen die Beklagten zu. Der Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Übernahme der erstinstanzlichen Feststellungen nicht Folge gegeben. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die - nicht nach § 502 Abs 3 ZPO unzulässige - Revision des Klägers, worin die Revisionsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO geltend gemacht werden und die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin beantragt wird, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise hat der Kläger die Aufhebung der Urteile der Untergerichte und die Rückverweisung der Sache an das "Berufungsgericht" zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung beantragt.

Die beklagten Parteien haben die Revision bekämpft und beantragt, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Zum Revisionsgrunde des § 503 Z 2 ZPO:

Zu den Ausführungen des Revisionswerbers ist zunächst grundsätzlich festzuhalten, dass sich die Revision begrifflich gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet (vgl § 502 Abs 1 ZPO), nicht unmittelbar gegen das Ersturteil, so dass der wiederholte Hinweis des Revisionswerbers auf die Erledigung des Erstgerichtes nur im Zusammenhange mit der Entscheidung der zweiten Instanz von Bedeutung sein kann. Des weiteren ist zu bemerken, dass der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) die materiellrechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes betrifft. Ein Verstoß gegen die Prozessgesetze ist nach § 503 Z 1 und 2 ZPO zu rügen.

Nach dem gesamten Vorbringen des Revisionswerbers ist der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO nicht gegeben. Denn das Berufungsgericht hat die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen als unbedenklich übernommen und, soweit das Erstgericht Feststellungen aus den Vorakten 30 Cg 170/54 getroffen hatte, bestanden auch diesbezüglich keine prozessualen Bedenken gegen die Übernahme dieser Feststellungen in zweiter Instanz, weil die erwähnten Vorakten als Urkundenbeweis des erstgerichtlichen Verfahrens in Betracht kamen. Wenn das Berufungsgericht die Einholung weiterer Auskünfte in Erledigung der Mängelrüge der Berufung für entbehrlich erachtete, dann ist dies als Ausdruck der ihm in letzter Instanz obliegenden Aufgabe der Beweiswürdigung zu werten; die Frage, ob Kontrollbeweise vorzunehmen seien, gehört ja selbst ins Gebiet der Beweiswürdigung und diese unterliegt nach der Regelung des § 503 ZPO unter keinem Gesichtspunkte der Anfechtung in dritter Instanz. Die Unterlassung einer neuerlichen Anfrage an das Arbeitsamt kann aber auch deswegen nicht mit Erfolg als Verfahrensmangel gerügt werden, weil eine derartige Anfrage vom Beschwerdeführer im maßgeblichen Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht beantragt worden ist. Der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO ist also in keinem Punkte gegeben.

Zum Revisionsgrunde des § 503 Z 4 ZPO:

Unter diesem Revisionsgrunde rügt der Revisionswerber zunächst, dass die Vorinstanzen bei der Beurteilung des Schadenersatzanspruchs des Klägers von dessen Verhältnissen im Zeitpunkte des Unfalles ausgegangen seien. Er übersieht dabei, dass das Berufungsgericht dargelegt hat (S 385 der Prozessakten), dass auf eine Änderung der Verhältnisse Rücksicht zu nehmen sei, soferne diese Änderung mit ausreichender Sicherheit anzunehmen sei. Diese Beurteilung der Vorinstanz entspricht der Rechtslage. Von einem Verdienstentgang (§ 1325 ABGB) kann ja nur bei demjenigen gesprochen werden, der ohne die eingetretene Verletzung überhaupt einen Verdienst oder einen höheren Verdienst hätte (vgl Wolff in Klangs Kommentar, 2. Aufl., VI/S 131). Nun ist festgestellt, dass der Kläger im Zeitpunkte des Unfalles arbeitslos war, dass er jedoch vorher fallweise gearbeitet hatte. Das Berufungsgericht hat daher - schon zu Gunsten des Klägers - seiner Beurteilung die Annahme zugrundegelegt, dass der Kläger ohne die Verletzungen auch nach dem 30. 6. 1953 (Unfallstag) fallweise gearbeitet hätte; dabei hat es im Hinblick auf die vom Kläger während einer längeren Zeitspanne eingehaltene durchschnittliche Arbeitsleistung für die Zeit nach dem Verkehrsunfalle vom 30. 6. 1953 angenommen, dass der Kläger ohne Unfallsfolgen zu etwa 65 % in Arbeit gestanden wäre. Gegen diese Beurteilung vermag der Revisionswerber nichts vorzubringen. Er wendet sich auch nicht gegen die entscheidende Annahme der Untergerichte, dass auf den Unfall nur eine 35 %ige Arbeitsverminderung zurückzuführen sei und dass er die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit zu leichteren Beschäftigungen ausnützen könnte. Er rügt vielmehr lediglich, dass bei der Berechnung der Vorinstanzen die Möglichkeit des Bezugs eines 13. Monatsgehaltes vernachlässigt worden sei. Diese Rüge geht aber hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. 6. 1954 bis 30. 6. 1956 von unrichtigen Voraussetzungen aus. Denn nach dem letzten Stande des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger diesbezüglich seine Klagserweiterung nicht aufrecht erhalten, vielmehr für die erwähnte Zeit zuletzt aber nur - wie schon in der Klage - bloß 8.752,68 S begehrt; nach der vom Kläger selbst angestellten Berechnung auf S 4 der Prozessakten ist aber für diesen Zeitraum von 25 Monaten nur der dieser Zahl der Monate entsprechende Arbeitsverdienst geltend gemacht worden. Über dieses Begehren durften die Vorinstanzen nicht hinausgehen. Das Rentenbegehren ab 1. 7. 1956 basiert allerdings auf der bei der Klagserweiterung (ON 12) vorgenommenen Berechnung. Aber auch in dieser Hinsicht ist die Rüge wegen der Vernachlässigung eines Einkommens aus einem 13. Monatsbezug im Ergebnis nicht gerechtfertigt, weil bei der unbestrittenen Abzugspost von 464,10 S (laut S 345 der Prozessakten) das Rechnungsergebnis selbst dann Null wäre, wenn der Minuend von 310,63 S um ein volles Zwölftel (ds 25,89 S) zu erhöhen wäre. Bei diesen Umständen muss auch die Rechtsrüge erfolglos bleiben.

Demnach war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E75291 2Ob112.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00112.6.0520.000

Dokumentnummer

JJT_19600520_OGH0002_0020OB00112_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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