TE OGH 1960/6/15 1Ob200/60

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Veröffentlicht am 15.06.1960
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Norm

Mietengesetz §23

Kopf

SZ 33/65

Spruch

Gilt ein auf bestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag nach § 23 MietG. als auf unbestimmte Zeit erneuert, dann sind für die Höhe des Mietzinses alle bisher vereinbarten Leistungen des Mieters maßgebend, sofern sie das gesetzlich zulässige Ausmaß nicht übersteigen.

Entscheidung vom 15. Juni 1960, 1 Ob 200/60.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht wies die auf Zahlung eines Mietzinsrückstandes für die Monate Jänner und Februar 1959 in der Höhe von 42.000 S gerichtete Klage ab. Die beklagte Partei habe mit dem Mietvertrag vom 30. Juli 1948 fast das gesamte Haus Wien 3., M.-Gasse 4, von den Hauseigentümern auf die Dauer von zehn Jahren (bis 31. Dezember 1958) gemietet. Nach dem Punkt V des Vertrages sei hinsichtlich der Mietzinsbildung vereinbart worden, daß das Bestandobjekt nicht den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliege, aber dennoch dessen Zinsbemessungsgrundlagen Anwendung zu finden hätten. Als Berechnungsgrundlage für den Mietzins sei sodann ein Jahresmietzins 1914 in der Höhe von 58.850 K und die Verpflichtung der Mieterin, den gesetzlichen Neuvermietungszuschlag zu entrichten, festgehalten worden. Außerdem sollte die Mieterin Betriebskosten, öffentliche Abgaben und das Reinigungsgeld der Hausbesorgerin entrichten (Punkt VI). Im Punkt VIII habe die Mieterin die Verpflichtung übernommen, das gesamte Bestandobjekt auf ihre alleinigen Kosten durch Wiederinstandsetzung und Ausbesserung in einen seiner Eigenart und dem Bestandzweck entsprechenden Zustand zu versetzen und während der Bestandzeit in ordentlichem Zustand zu erhalten. Die Mieterin habe die ausdrückliche Erklärung abgegeben, auf jeden Rückforderungsanspruch in Ansehung der von ihr bestrittenen Investitionen gegenüber den Vermietern auch dann zu verzichten, falls der Mietvertrag vorzeitig enden sollte. Die Mieterin habe anerkannt, daß ihr durch die Bestimmungen des Vertrages, insbesondere die Punkte III bis V und XII bis XIV, eine vollwertige Gegenleistung für den Wert der verausgabten Investitionen durch die Vermieter erbracht worden sei. Die Kläger seien der unrichtigen Meinung, daß auch die Investitionspflicht der beklagten Partei eine Verbindlichkeit zur Erbringung dauernder Leistungen aus dem Bestandvertrag bedeute und aber dem Anspruch auf Leistung eines laufenden, in Geld ausgedrückten Mietzinses gleichzusetzen sei. Für diese Rechtsansicht biete der Wortlaut des Vertrages keine Stütze, zumal die der beklagten Partei obliegende Investitionspflicht nicht in einem ziffernmäßig bestimmten Gegenwert zum Ausdruck gebracht worden sei. Es sei nicht möglich, auf Grund der von der beklagten Partei bisher aufgewendeten Investitionskosten einen Monatsdurchschnitt für die vereinbarte zehnjährige Vertragsdauer zu errechnen. Die beklagte Partei habe nach dem Ablauf der zehn Jahre unter Hinweis auf § 23 MietG. und die V. vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, die Räumung des Bestandobjektes verweigert und benütze es weiter. Die Kläger seien aber nicht berechtigt, den weiterlaufenden Bestandzins in einer dem Vertrag widersprechenden Weise zu erhöhen.

Infolge Berufung der Kläger bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Es übernahm im wesentliche die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche; Beurteilung des Mietvertrages vom 30. Juli 1948 und vertrat die Meinung, daß weitere Beweise nicht hätten aufgenommen werden müssen.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den Festellungen der Untergerichte hat sich die beklagte Partei nach dem Ablauf der zehnjährigen Vertragsdauer am 31. Dezember 1958 unter Berufung auf Mieterschutzbestimmungen geweigert, das Bestandobjekt zu räumen, und benützt es weiterhin. In einem solchen Fall gilt der Mietvertrag nach § 23 MietG. als auf unbestimmte Zeit erneuert. Der Mieter kann den Bestandgegenstand in der bisherigen Weise benützen, muß aber auch den Bestandzins in der bisherigen Höhe entrichten. Maßgebend ist daher, in welchem Ausmaß der Bestandzins während des Laufes des zehnjährigen Vertrages vereinbart war.

Es ist zwar richtig, daß nach dem Punkt V des Vertrages der Mietzins auf der Basis eines Friedenszinses in der Höhe von 58.850 K nach den mietengesetzlichen Vorschriften bedungen worden ist und die beklagte Partei ihn in dieser Höhe laufend zahlt. Darüber hinaus hat sich aber die beklagte Partei auch zur Wiederinstandsetzung des nach der Behauptung der Kläger bombenbeschädigten Hauses, zur Ausbesserung und zur Erhaltung in ordentlichem Zustand verpflichtet. Auch diese Leistungen stellen ein Entgelt dafür dar, daß die Hauseigentümer der beklagten Partei das Haus in Bestand gegeben haben, und könnten, wenn dies der Absicht der Parteien entsprochen hat, ebenso wie der eigentliche Zins nach Punkt V als Mietzins im weiteren Sinne angesehen werden. Der Einwand der Untergerichte, daß es sich bei den Wiederinstandsetzungs- und Ausbesserungsleistungen der beklagten Partei nicht um fortdauernde, in Geld ausgedrückte Verpflichtungen handle und daher nach dem Abschluß der Arbeiten eine weitere, fortdauernde, einschlägige Leistung nicht mehr verlangt werden könne, scheint dem Obersten Gerichtshof - soweit die Sache bisher beurteilt werden kann - nicht zwingend zu sein. Die Parteien konnten nämlich beim Abschluß des Vertrages nur mit dessen zehnjähriger Dauer rechnen und waren möglicherweise bestrebt, die in die zehn Jahre fallenden Leistungen und Gegenleistungen aufeinander abzustimmen. Auf diese Verhältnismäßigkeit zur Dauer des Mietvertrages nach den Punkten IV Abs. 2 (Amortisation der Investitionen) und VIII, letzter Absatz (Verzicht auf Rückforderungsanspruch bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages) haben die Kläger hingewiesen. Es müßte bei Zutreffen einer solchen Parteiabsicht dann angenommen werden, daß dieses Verhältnis zwischen Leistungen und Gegenleistungen auch nach dem für die Hauseigentümer unfreiwilligen Fortdauern des Vertrages in demselben Ausmaß weiterzubestehen hätte, wobei es kein Hindernis wäre, daß die Wiederinstandsetzungs- und Ausbesserungsarbeiten von der beklagten Partei in Naturalleistungen erbracht waren. Maßgebend könnte nämlich nur sein, daß der auf die bedungene Dauer des Vertrages berechnete Wert der Arbeiten eine in Geld darstellbare Größe wäre, die nach dem Ablauf der zehn Jahre und mangels der Möglichkeit für die Hauseigentümer, eine neue Mietzinsvereinbarung zu treffen, als reine Geldleistung zum eigentlichen Mietzins dazuzurechnen wäre, damit die von der beklagten Partei zu erbringenden laufenden Leistungen den § 23 MietG. entsprechend gleichblieben. Freilich müßten dann die die beklagte Partei laufend belastenden Kosten der Instandhaltung des Bestandobjektes, die nach dem Ablauf der zehn Jahre höher geworden sein könnten, berücksichtigt werden.

Von ihrer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, abgeschlossene Naturalleistungen könnten nicht zu einer Geldleistung werden, haben die Untergerichte den Vertragswillen der Parteien, in welcher Höhe der Mietzins im weiteren Sinn geleistet werden sollte, nicht erhoben. Dies wird nachzuholen sein, damit das wirtschaftliche Verhältnis zwischen Leistungen und Gegenleistungen der Parteien, wie es ihrer Absicht entsprach, auch nach dem 31. Dezember 1958 festgestellt werden kann und nicht verändert wird. Freilich wird vor allem auch klarzustellen sein, ob die Vereinbarung des von den Klägern begehrten Bestandzinsen nach den mietenrechtlichen Vorschriften als zulässig angesehen werden kann.

Anmerkung

Z33065

Schlagworte

Bestandvertrag, Erneuerung auf unbestimmte Zeit, Fortdauer der, bisherigen Verpflichtungen des Mieters, Erneuerung des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit, Fortdauer der, bisherigen Verpflichtungen des Mieters, Mietvertrag, Erneuerung auf unbestimmte Zeit, Fortdauer der bisherigen, Verpflichtungen des Mieters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00200.6.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19600615_OGH0002_0010OB00200_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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