TE OGH 1960/9/21 3Ob340/60

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Veröffentlicht am 21.09.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Lachout, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Johanna B*****, Hausfrau, *****, derzeit S*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Obermayr, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Ferdinand B*****, Maurer, *****, vertreten durch Dipl. Ing. DDr. Josef Goral, Rechtsanwalt in Graz, wegen Auflösung von Ehepakten, infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 10. Juni 1960, GZ 1 R 111/60-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 11. Mai 1960, GZ 14 Cg 46/60-14 abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile haben am 2. 2. 1943 geheiratet. Am 31. 10. 1947 schlossen sie einen notariellen Ehe- und Erbvertrag, mit dem sie u.a. eine schon unter Lebenden wirksame allgemeine Gütergemeinschaft vereinbarte. Im Pkt. 3 räumten sie sich ein gegenseitiges Aufgriffsrecht in der Weise ein, dass der überlebende Eheteil nach freier Wahl zum gerichtlich erhobenen oder eidesstättig einzubekennenden Wert den gesamten Nachlass des vorverstorbenen Ehegatten übernehmen kann. Der Mann brachte in die Gütergemeinschaft die von seinen Eltern geerbte Liegenschaft EZ 62 KG H***** mit einem Einheitswert von S 5.800 und Fahrnisse im Wert von S 400, die Frau Fahrnisse im Wert von S 200 ein. Zu B-PZ 10 wurde mit dem Rang vom 11. 11. 1947 auf Grund des Ehe- und Erbvertrages vom 31. 10. 1947 das Miteigentumsrecht für Johanna B***** einverleibt.

Die Ehe der Streitteile wurde mit dem am 20. 4. 1959 rechtskräftig gewordenen Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 23. 10. 1958 aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes geschieden. Die Klägerin und gefährdete Partei Johanna B***** (kurz Klägerin) macht mit der vorliegenden Klage das ihr im oberwähnten notariellen Ehe- und Erbvertrag eingeräumte Aufgriffsrecht auf dessen Liegenschaftshälfte EZ 62 KG H***** nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe geltend. Sie begehrt die Aufhebung des Ehevertrages, die Verurteilung des Beklagten in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten der Klägerin ob der ihm gehörigen Liegenschaftshälfte EZ 62 KG H***** einzuwilligen, und weiter die Verurteilung des Beklagten zur Übergabe dieser Liegenschaft sowie einzelner im Klagebegehren unter 2.) angeführter Fahrnisse. Mit dem Vorbringen unter Pkt. 5.), dass mit Rücksicht darauf, dass der Beklagten schon bedeutende im gemeinsamen Eigentum stehende Fahrnisse verkauft habe, darunter am 20. 5. 1958 eine Kuh im Werte von S 4.000 an Viktor S*****, am 3. 3. 1959 über 31 fm Kiefernholz im Wert von S 11.000, diverse Mauerziegel, Zement und dergleichen, und dass der Beklagte seine Liegenschaftshälfte seit den Ehepakten erheblich habe belasten lassen, verlangt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mittels welcher dem Beklagten verboten werde, "zugunsten der Klägerin die ihm gehörige Liegenschaft EZ 62 KG H***** samt Zubehör und freien Fahrnissen zu veräußern und zu belasten", und die Anmerkung dieses Veräußerungs- und Belastungsverbotes im Grundbuch "der obigen Liegenschaft". Mit dem erstgerichtlichen Beschluss wurde dem Beklagten verboten, "zugunsten der Klägerin die ihm gehörige Liegenschaftshälfte EZ 62 KG H***** samt Zubehör und freien Fahrnissen zu veräußern und zu belasten, und die Anmerkung dieses Verbotes im Grundbuch verfügt. Die Verfügung wurde für die Dauer des Rechtsstreites bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung getroffen. Das Mehrbegehren auf Bewilligung der Anmerkung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes auf der ganzen Liegenschaft, also auch auf der Liegenschaftshälfte der Klägerin, wurde abgewiesen.

Das Rekursgericht wies die beantragte einstweilige Verfügung zur Gänze ab. Zwar könne die Klägerin im Sinne der Rechtsprechung und Rechtslehre zu § 1266 ABGB als an der Scheidung Minderschuldige ebenso wie ein schuldloser Ehegatte das vereinbarte Aufgriffsrecht geltend machen. Die Klägerin klage aber auf unbedingte Übernahme der dem Beklagten gehörigen Liegenschaftshälfte, obwohl sie nach dem Ehevertrag eine Zug-um-Zug-Leistung, nämlich die Leistung des gerichtlich erhobenen oder eidesstättig einzubekennenden Wertes, treffe. Die Klägerin stehe in ihrer Klage auf dem Standpunkt, dass der Beklagte durch eigenmächtige Verkäufe, durch Ertragseinziehungen und Belastungen bereits mehr als den gerichtlichen Schätzwert und auch eidesstättigen Vermögenswert erhalten habe. Diesbezüglich fehle es aber an einer entsprechenden Bescheinigung. Auf die Frage einer Sicherheitsleistung wegen nicht ausreichender Bescheinigung des Anspruches sei aber nicht einzugehen, weil der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung auch sonst nicht den im § 389 Abs 1 EO aufgestellten Erfordernissen entspreche. Die Klägerin habe nicht die Zeitdauer der beantragten einstweiligen Verfügung angegeben. Sie habe keine bestimmten Behauptungen, ob und worin die Besorgnis einer freiwilligen Veräußerung auch des unbeweglichen Vermögens durch den Beklagten begründet sein soll. Dasselbe gelte für das von der Klägerin begehrte Belastungsverbot. Es käme auch nur auf Belastungen nach rechtskräftiger Scheidung an, weil erst mit diesem Zeitpunkt der Anspruch der Klägerin existent geworden sei. Nach dem 20. 4. 1959 (Rechtskraft der Scheidung) seien nach dem Grundbuchsauszug nur zwei exekutive Pfandrechte auf der Liegenschaft des Beklagten einverleibt worden, und zwar für eine Unterhaltsforderung der mj. Johanna B***** (S 4.000) und eine Forderung der Klägerin (S 2.797,15 und S 147,35). Für die behauptete Belastung mit S 10.000 sei dem Grundbuch nicht zu entnehmen. Im Übrigen sei das gesetzliche Sicherungsmittel für die freien Fahrnisse die gerichtliche Hinterlegung oder die Anordnung einer Verwahrung. Jedenfalls müssten die Fahrnisse einzeln bezeichnet werden. Das beantragte Verbot der Veräußerung und Belastung sei auch nicht geeignet, die gesamte Wirtschaftsführung des Beklagten zu erfassen, was die Klägerin offenbar wolle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstrichterlichen Beschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht begründet. In der Rechtsprechung wurde der Grundsatz entwickelt, dass die Eintragung des Miteigentums zweier Ehegatten, in welcher wie im vorliegenden Fall auf die Ehepakte bloß Bezug genommen wurde, der in den Ehepakten vereinbarten Gütergemeinschaft dringliche Wirkung gegen Dritte verleiht, und dass die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft unter Lebenden eine wechselseitige Verfügungsbeschränkung beider Ehegatten erzeugt, sodass keiner einseitig über seinen Anteil am Gemeinschaftsgut verfügen kann, wie andererseits die Haftung jedes Ehegatten für die Schulden des anderen mit seinem Anteil am Gemeinschaftsgut entsteht (JBl 1948 S 347, JBl 1958 S 70 = SZ XXX 65). Andererseits hat der Oberste Gerichtshof in der späteren Entscheidung JBl 1959, S 156, ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Judikatur darüber schwanke, ob ein bloßer Hinweis auf die Ehepakte im Hauptbuch zur Herstellung einer dinglichen Wirkung nach Art eines Verfügungsverbotes gem. § 364c ABGB genügt. Es müsse daher auch zweifelhaft sein, ob in allen Fällen jener Hinweis, der auch im vorliegenden Fall lt. Grundbuchsstand gemacht wurde, die Anmerkung des Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbotes nach §§ 382 Z 6, 384 Abs 2 und 3 EO ersetzt. Wenn bei dieser Rechtslage die klagende Partei mit der beantragten einstweiligen Verfügung die sichere Wirkung eines Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbotes erstrebt, könnte ihr von diesem Gesichtspunkt aus, bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen, nicht entgegengetreten werden (3 Ob 167/60 in einem ähnlich gelagerten Fall).

Dass in ausdehnender Auslegung des § 1266 ABGB dem an der Scheidung minderschuldigen Ehegatten ebenso wie dem schuldlos geschiedenen Ehegatten die Rechte aus § 1266 ABGB zustehen, ist ständige Rechtsprechung des OGH (SZ XXIII 67, EvBl 1951 Nr 357, 397). In der grundsätzlichen Frage der Zulässigkeit der Sicherung des Anspruches aus einem in den Ehepakten vereinbarten Aufgriffsrecht nach der Scheidung der Ehe bei hinreichender objektiver Gefährdung dieses Anspruches, in der Frage der vereinbarten Gegenleistung des Schätzwertes und ihres rechtlichen Charakters einer Zug-um-Zug-Leistung, ihrer Höhe und deren Festsetzung verweist der OGH auf die Entscheidungen SZ XXVIII 244, EvBl 1956 Nr 345, SZ XXVII 124 und SZ XXI 145, woraus sich ergibt, dass das bezüglich der Gegenleistung noch nicht genau präzesierte Vorbringen der Klägerin kein Grund zur Abweisung der Klage und daher auch kein Grund zur Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruches der Klägerin im Sinne des Beschlusses des Rekursgerichtes ist. Doch muss die Klägerin gemäß § 381 EO eine entsprechende objektive Gefährdung ihres Anspruches auf Übergabe der Liegenschaftshälfte des Beklagten behaupten und bescheinigen. Sie hat ihren Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur mit Verkäufen von Wirtschaftsgütern, zum Teil vor der Rechtskraft der Scheidung, und mit Liegenschaftsbelastungen "seit den Ehepakten" begründet, ohne zu behaupten und zu bescheinigen, dass der Beklagte in bestimmter Weise unehrliche Verkäufe und Belastungen vorgenommen habe. Der Beklagte hat in seiner Äußerung S 140 der Akten die von ihm zugestandene Verkäufe mit dem ehewidrigen Verhalten der Klägerin begründet. Die Verkäufe des Beklagten und die von ihm vorgenommenen Belastungen können nach der Aktenlage zum Teil auf Grund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1238 ABGB) im Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes (SZ XXV 274) erfolgt sein und lassen im Übrigen nicht notwendig auf eine objektive Gefährdung des klägerischen Anspruches schließen. Bei der objektiven Gefährdung gem. § 381 EO zur Sicherung anderer Ansprüche, kann zwar der Ausgangspunkt der Gefährdung nicht mehr in einem Verhalten des Gegners, sondern bei einem Dritten oder bei zufälligen Umständen, liegen (Neumann-Lichtblau S 1181). Es muss aber immer schon aus dem Vorbringen mit Sicherheit auf eine Gefährdung des in der Klage erhobenen Anspruches geschlossen werden können. Aus wirtschaftlichen Verkäufen und aus Belastungen seit den Ehepakten schlechthin kann bei den Verhältnissen der Streitteile aber ein solcher Schluss nicht gezogen werden. Wenn auch daher nach § 382 Z 5 EO ein Veräußerungsverbot bezüglich beweglicher Sachen erlassen werden kann (Neumann-Lichtblau S 1194) und die im Antrag tatsächlich fehlende Zeitangabe für die Dauer der begehrten Verfügung (§ 389 EO) durch den erstgerichtlichen Beschluss als saniert betrachtet werden könnte, war die vom Rekursgericht vorgenommene Abweisung des von der Klägerin gestellten Antrages aus den vorstehenden Gründen zu bestätigen. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50 ZPO, 78 EO begründet.

Anmerkung

E76636 3Ob340.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00340.6.0921.000

Dokumentnummer

JJT_19600921_OGH0002_0030OB00340_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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