Norm
ABGB §1460Kopf
SZ 33/118
Spruch
Die Bestimmungen des Fristengesetzes über die Hemmung der Verjährung lassen sich auf die Ersitzung des Eigentums nicht anwenden.
Entscheidung vom 3. November 1960, 5 Ob 353/60.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Untergerichte haben der Räumungsklage, gegen die die Beklagten eingewendet haben, sie hätten an den zu räumenden Grundstücken durch Ersitzung Eigentum erworben, stattgegeben; das Berufungsgericht aus folgenden Erwägungen:
Die Beklagten behaupten, ihre Ersitzungszeit habe nach dem ersten Weltkrieg, also im Jahre 1918, begonnen. Sie wäre demnach - selbst wenn man der Rechtsmeinung der Beklagten, die Ersitzungszeit gegen die Klägerin betrage nur 30 Jahre, folge - im Jahre 1948 abgelaufen. Nun bestimme aber § 1 Abs. 1 Z. 1 FristenG., daß ein Recht, hinsichtlich dessen die Verjährungsfrist nach dem 31. Dezember 1945 abgelaufen ist, noch bis auf weiteres geltend gemacht werden kann, wenn es sich um das Recht einer juristischen Person handelt, deren Vermögen am 30. Juni 1952 ganz oder teilweise unter öffentlicher Verwaltung gestanden ist. Die beklagten Parteien könnten demnach gegen die Klägerin nicht ersessen haben, da jede Ersitzung eine Verjährung in sich begreife (§§ 1451 ff., insbesondere § 1478 ABGB.; Klang 2. Aufl. VI 563 f.), das Eigentumsrecht der Klägerin aber seit dem 31. Dezember 1945 bis auf weiteres nicht verjähren könne. Daß es bis zum 31. Dezember 1945 schon verjährt war, ergebe sich selbst dann nicht, wenn man den Behauptungen der Beklagten uneingeschränkt folgt. Andere Gründe, das umstrittene Grundstück der Klägerin nicht herauszugeben, hätten die Beklagten nicht behauptet.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Bestimmungen des Fristengesetzes haben den Sinn, daß bei den im Gesetz angeführten Rechten die Einwendung der Verjährung nicht erhoben werden kann. Das Fristengesetz normiert eine Ablaufshemmung der Verjährung und gilt für alle materiellrechtlichen, sowohl Verjährungs- als auch Präklusivfristen (Klang 2. Aufl. VI 644; Kapfer, ABGB., 26. Aufl. E. Nr. 3 zum Anhang XXIV). Es ist wohl richtig, daß im § 1478 ABGB. der Satz enthalten ist, jede Ersitzung begreife eine Verjährung in sich. Er hat die Natur eines Lehrsatzes, dem Bedeutung für die Rechtsanwendung fehlt (Klang a. a. O. 600). Auch § 1452 ABGB. weist auf den Zusammenhang der Verjährung mit der Ersitzung hin. Wird das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand anderen übertragen, so heißt es ein ersessenes Recht und die Erwerbsart Ersitzung. Allein die Vorstellung, die Verjährung sei das Vorausgehende und eine Voraussetzung oder Ursache der Ersitzung, wird von der Lehre einmütig als unrichtig abgelehnt, weil manche ersitzbaren Rechte, und zwar gerade das Eigentum, der Verjährung im eigentlichen Sinn überhaupt nicht unterliegen, diese daher der Eigentumsersitzung nicht vorausgehen kann. Der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten ist vielmehr nicht die Voraussetzung, sondern die Folge der Ersitzung. Mit anderen Worten, nicht deshalb, weil er sein Recht verliert, erwirbt es ein anderer, sondern er verliert es deshalb, weil es der andere erwirbt (Klang a. a. O. 569; Ehrenzweig 1. Aufl. I/1 S. 280). Die Bestimmungen des Fristengesetzes über die Hemmung der Verjährung lassen sich daher auf die Ersitzung des Eigentums nicht anwenden. Dies ist auch bisher in der Rechtsprechung nie geschehen. Da sich das Berufungsgericht, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, mit dem übrigen Inhalt der Berufung nicht befaßt hat, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben werden.
Anmerkung
Z33118Schlagworte
Eigentum, Ersitzung, keine Anwendung des Fristengesetzes, Ersitzung, keine Anwendung des Fristengesetzes, Fristengesetz, keine Anwendung auf die ErsitzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0050OB00353.6.1103.000Dokumentnummer
JJT_19601103_OGH0002_0050OB00353_6000000_000