TE OGH 1960/11/30 1Ob288/60

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Veröffentlicht am 30.11.1960
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Stanzl, Dr. Zierer, Dr. Bachofner und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann G*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Hans Wildner, Rechtsanwalt in Wien I., wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I., wegen 60.000 S s. A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Juli 1960, GZ 7 R 177/60-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Mai 1960, GZ 38 Cg 9/60-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Festgestellt ist folgender Sachverhalt:

Das Vermögen des Klägers und seiner Ehegattin Anna G***** verfiel auf Grund des Urteils des Volksgerichtes Wien vom 18. Dezember 1946, GZ Vg lf Vr 3251/45-41, zugunsten der Republik Österreich. Zu diesem verfallenen Vermögen gehörte auch das Handelsunternehmen für Seife, Parfumerie- und Haushaltsartikel mit dem Standort *****, dessen Alleininhaberin Anna G***** war, von dem aber der Kläger behauptet, dass dies nur deshalb der Fall gewesen sei, weil im Jahre 1938, als dieses Unternehmen von dem rassisch verfolgten Voreigentümer erworben worden war, er selbst als kommissarischer Leiter den Betrieb nach den bestandenen Vorschriften nicht erwerben durfte. In Wirklichkeit habe das halbe Unternehmen ihm gehört, insbesondere habe er die Hälfte des Kaufpreises bezahlt, der insgesamt 21.000 RM betragen habe. Infolge seines Ansuchens ist ihm mit Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom 8. 10. 1957, Zl. 312.623/7-32/57 gemäß § 8 Abs 1 des Vermögensverfallsamnestiegesetzes vom 18. 7. 1956, BGBl. 155/56, sein Vermögen rückübertragen worden. Das obgenannte Unternehmen ist jedoch auf Grund eines gegen Anna G***** eingeleiteten Rückstellungsverfahrens nach dem Dritten Rückstellungsgesetz im Vergleichsweg an den geschädigten Eigentümer zurückgestellt worden. Der Kläger erblickt den Tatbestand einer Amtshaftung darin, dass das Bundesministerium für Finanzen anstatt auf Grund des Vermögensverfalles die Zuständigkeit nach dem Zweiten Rückstellungsgesetz wahrzunehmen, nicht nur das Verfahren nach dem Dritten Rückstellungsgesetz, sondern vor allem zugelassen habe, dass die inzwischen vom Kläger geschiedene Gattin Anna G***** einen Vergleich abschließen konnte, inhaltlich dessen das Unternehmen an den Rückstellungswerber zurückgestellt wurde. Dadurch sei verabsäumt worden, alle vom Kläger und seiner früheren Gattin seinerzeit für das Unternehmen geleisteten Zahlungen in Rechnung zu stellen. Der Kaufpreis von 21.000 RM hätte zur Zeit der Rückstellung einen Gegenwert von 120.000 S gehabt, so dass die auf den Kläger entfallende Hälfte den Klagsbetrag von 60.000 S ausmache. Das Begehren des Klägers auf Zahlung von 60.000 S blieb in beiden Unterinstanzen erfolglos.

Das Erstgericht beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass das Amtshaftungsgesetz nicht anzuwenden sei, weil die Verwaltung von verfallenem Vermögen nicht zur Hoheitsverwaltung, sondern zur Wirtschaftsverwaltung gehöre und die Bundesorgane bei Abschluss des Vergleiches nicht als Obrigkeit gehandelt haben. Auch nach den allgemeinen Bestimmungen des ABGB sei kein Schadenersatzanspruch gegeben, weil nach den Bestimmungen des Vermögensverfallsamnestiegesetzes nur das noch vorhandene Vermögen zurückzugeben sei, der Bund für die Vermögensgebarung bis zur Herausgabe überhaupt nicht hafte und zudem ein Verschulden irgendeines Organes nicht vorliege.

Das Berufungsgericht meinte, dass die Geltendmachung einer Gegenleistung, wie sie in § 6 des Dritten Rückstellungsgesetzes (BGBl. 54/1947) normiert ist, im Zweiten Rückstellungsgesetz überhaupt nicht vorgesehen sei. Daraus ergebe sich, dass gerade dann, wenn die beklagte Partei so gehandelt hätte, wie sie nach Ansicht des Klägers zu handeln verpflichtet gewesen wäre, ebenfalls eine entschädigungslose Rückstellung des Geschäftes hätte erfolgen müssen, sodass zwischen dem tatsächlichen Vermögensstand, den der Kläger mit der vorliegenden Klage rüge, und jenem, den er auf Grund der Bestimmungen des Zweiten Rückstellungsgesetzes hergestellt haben möchte, überhaupt kein Unterschied bestanden hätte. Schon aus diesem Grund sei der Schadenersatzanspruch nicht begründet. Dazu komme, dass der Kläger seine behaupteten Rechte nur aus dem internen Verhältnis abzuleiten vermöge. Das Innenverhältnis seiner Beteiligung an dem rückgestellten Geschäft aber müsse für die Geltendmachung dieses Anspruches unbeachtlich bleiben, sodass der Klageanspruch auch an dieser Voraussetzung scheitern müsse. Wenn daher das Erstgericht zwar aus anderen rechtlichen Erwägungen, die jedoch ebenfalls zur Gänze zutreffen, und die durch die Berufungsausführungen in keiner Weise erschüttert haben werden können, das Klagebegehren abgewiesen habe, so sei das angefochtene Urteil doch richtig und daher auch das Verfahren nicht mangelhaft geblieben.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit Revision. Er beantragt, das berufungsgerichtliche und das Ersturteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern, in eventu das angefochtene Urteil sowie jenes der ersten Instanz aufzuheben und die Rechtssache zurückzuverweisen. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nicht begründet.

Sie kann schon deswegen nicht erfolgreich sein, weil - was das Erstgericht im Ergebnis zutreffend bemerkt, das Berufungsgericht allerdings rechtlich nicht nachgeprüft hat die Republik Österreich gemäß § 5 Z 5 Vermögensverfallsamnestie, BGBl. 1956/155, für die Gebarung mit dem verfallenen Vermögen bis zur Herausgabe nicht haftet. Schon der Wortlaut dieser Vorschrift ergibt, dass die beklagte Partei nicht dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn sie das Vermögen in bestimmter Weise, hier durch Rückgabe an die geschädigten Eigentümer, verwendet hat. Zu dieser Bestimmung weisen die Erläuternden Bemerkungen zu der Regierungsvorlage darauf hin (Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VIII. GP., Nr. 9), dass deswegen, weil es sich bei der Erstattung nicht um eine rückwirkende Beseitigung des durch den Verfall bewirkten Eigentumserwerbs handelt, dem Bund als Zwischeneigentümer bis zur Herausgabe des verfallenen Vermögens keinerlei Haftung für die Gebarung mit dem verfallenen Vermögen zugemutet werden könne. Die beklagte Partei hat daher aus diesem Grunde eine Rückstellung ohne Geltendmachung von Gegenansprüchen gegenüber dem Kläger nicht zu verantworten (im gleichen Sinn OGH 10. VI. 60, 1 Ob 193/60). Aus dieser Erwägung war der Revision nicht Folge zu geben. Auf die weiteren Abweisungsgründe der Untergerichte brauchte bei dieser Sach- und Rechtslage nicht eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E75336 1Ob288.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00288.6.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19601130_OGH0002_0010OB00288_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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