TE OGH 1960/6/10 1Ob193/60

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Veröffentlicht am 10.06.1960
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul H*****, vertreten durch Dr. Gunther Spitzy, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur Wien, wegen S 2,470.796,-- s. A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. April 1960, GZ 7 R 94/60-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 2. Februar 1960, GZ 38 Cg 27/59-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

8.778 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Eigentümer der Firma Paul H***** Holzwerke, mit dem Standort *****. Zu dieser Firma gehörte u. a. die Industrieanlage K***** bestehend aus einem Sägewerk, einer Weichholzfasererzeugung und einem E-Werk für den Betrieb, die Paul H***** mit Kaufvertrag vom 2. 3. 1940 von Karl-Hugo, Oswald und Antoine S***** erworben hatte. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. 8. 1952, Vg 1 a Vr 78/52 wurde sein Vermögen zugunsten der Republik Österreich für verfallen erklärt. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. 1. 1953, S 5/53, wurde über das der Republik Österreich verfallene Vermögen der Konkurs eröffnet. In dem gegen den Gemeinschuldner zu 61 Rk 31/53 der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängig gewesenen Rückstellungsverfahren wurde am 30. 10. 1953 ein Vergleich geschlossen, in dem sich die Antragsgegner, der Masseverwalter und Geza F*****, verpflichteten, die entzogenen Liegenschaften den früheren Eigentümern zurückzustellen, während sich die Antragsteller zu bestimmten Gegenleistungen verpflichteten. Dem Masseverwalter wurde das Recht eingeräumt, den Vergleich innerhalb einer bestimmten Frist zu widerrufen, die von der Rückstellungskommission mehrfach, zuletzt bis 10. 3. 1954 verlängert wurde. Der Masseverwalter brachte den Vergleich vor den Gläubigerausschuss, der beschloss, den Vergleich vom Masseverwalter nicht widerrufen zu lassen. Das Konkursgericht machte vom Untersagungsrecht des § 95 KO gegen diesen Gläubigerausschussbeschluss keinen Gebrauch und setzte die Finanzprokuratur davon mit der Mitteilung in Kenntnis, dass angenommen werde, dass gegen den Vergleich keine Einwendungen erhoben werden, wenn sie nicht binnen 8 Tagen beim Konkursgericht einlangen. Es wurden keine Einwendungen erhoben. Am 15. 3. 1954 teilte der Masseverwalter der Rückstellungskommission mit, dass der Vergleich rechtswirksam sei. Auf Grund des Bundesgesetzes vom 18. 7. 1956, BGBl. Nr. 155/56 (Vermögens-Verfallsamnestie) wurde der über den Kläger verhängte Vermögensverfall aufgehoben. Der Kläger erhebt gegen die Republik Österreich den Anspruch auf Ersatz von ihm mit 2,470.796 S angegebenen Wertes der Industrieanlage K*****. Nach seinem Vorbringen seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rückstellung des gegenständlichen Vermögens an die früheren Eigentümer nicht vorgelegen. Die Finanzprokuratur habe es schuldhaft unterlassen, dies gegenüber dem beabsichtigten Vergleich einzuwenden. Bei ordnungsgemäßer Führung des Rückstellungsverfahrens wäre das Vermögen erhalten geblieben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, ein Amtshaftungsfall liege nicht vor, weil die staatlichen Organe bei der Verwaltung des Vermögens nicht als Träger von Hoheitsrechten, sondern im Rahmen der Wirtschaftsverwaltung handeln. Es komme aber auch eine Schadenersatzpflicht wegen Handlung im Bereich der Wirtschaftsverwaltung nicht in Betracht. Gemäß § 5 Z 5 der Vermögensverfallsamnestie treffe die Republik Österreich keine Haftung für die Gebarung mit dem verfallenen Vermögen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und fügte hiezu: Nach § 5 Z 1 der Vermögensverfallsamnestie sei das verfallene Vermögen herauszugeben, das im Zeitpunkt des Einlangens der Entscheidung über die Erstattung bei der Verwertungsstelle noch vorhanden ist. Wenn im § 5 Z 5 des genannten Gesetzes angeordnet werde, dass der Bund nicht für die Gebarung mit dem verfallenen Vermögen bis zu dessen Herausgabe hafte, so sei damit die Zeit von dem Ergehen des Erstattungserkenntnisses bis zur Herausgabe des Vermögens gemeint. Vor dem Beschluss auf Erstattung des Vermögens fehle es schon im Hinblick auf die aus dem Eigentum gemäß § 354 ABGB fließenden Rechte an jeder gesetzlichen Grundlage für eine Schadenersatzpflicht. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf § 503 Z 4 gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil Folge gegeben werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zweiter oder erster Instanz zurückzuverweisen. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger versucht darzutun, dass die beklagte Partei im Hinblick auf die Bestimmung des § 1 des Gesetzes vom 30. 11. 1945, BGBl. Nr. 5/1946, wonach aus dem verfallenden Vermögen solche Vermögenschaften auszusondern sind, die den Eigentümern aus sogenannten rassischen, aus nationalen oder aus anderen Gründen entzogen wurden, im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht uneingeschränkte Eigentümerin des gegenständlichen, im Rückstellungsverfahren verfangenen Vermögens gewesen sei, sondern nur die Stellung einer treuhändigen Verwalterin ähnlich der eines öffentlichen Verwalters gehabt habe, sodass sie für das Verschulden ihrer Organe hafte. Dass die Haftung für die Gebarung mit dem Vermögen vom Gesetzgeber ausgeschlossen wurde, ändere daran nichts, weil unter "Gebarung" nur die Verwaltung des Vermögens während der Zeit vom Verfall bis zur Herausgabe vÅÿL ellungsverfahren, das noch vor der Erlassung des Erstattungserkenntnisses aufgrund der erst später in Kraft getretenen Vermögensverfallsamnestie beendet wurde, angeblich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gegen die Rückstellung des Vermögens an die früheren Eigentümer zur Wehr gesetzt habe. Die Bestimmungen über die Erstattung des Vermögens gehen, wie sich aus deren Wortlaut und Sinn und aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage eindeutig ergibt, davon aus, dass der Bund vom Zeitpunkt des Verfalles an Eigentümer des Vermögens und bis zur Zeit des Einlangens der Entscheidung über die Erstattung bei der Verwertungsstelle auch redlicher Besitzer ist, daher für die vorgenommenen Veränderungen nicht verantwortlich ist und nur das im Zeitpunkt des Einlangens der Entscheidung bei der Verwertungsstelle vorhandene Vermögen bzw im Falle der Veräußerung nur den erzielten Erlös herauszugeben hat (§ 5 Z 1 der Vermögensverfallsamnestie). Völlig unbegründet sind auch die Folgerungen, die der Kläger aus der Bestimmung des § 5 Z 5 der Vermögensverfallsamnestie, wonach der Bund nicht für die Gebarung mit dem verfallenen Vermögen bis zu dessen Herausgabe haftet, ziehen will. Diese Bestimmung normiert nach ihrem Wortlaut und Sinn einen Haftungsausschluss, sie kann daher nicht zur Begründung einer Haftung herangezogen werden. Das Argument, eine solche Bestimmung hätte sich erübrigt, wenn eine Haftung ohnehin schon im Hinblick auf das Eigentumsrecht nicht in Betracht kommt, schlägt nicht durch. Nach der mehrfach erwähnten Bestimmung des § 5 Z 1 der Vermögensverfallsamnestie erfährt die Stellung des Bundes mit dem Einlangen der Entscheidung über die Erstattung bei der Verwertungsstelle insofern eine Änderung, als er nunmehr nicht mehr nach Belieben das verfallene Vermögen veräußern kann, da er es, soweit es in diesem Zeitpunkt noch vorhanden ist, herauszugeben hat. Wenn sich der Gesetzgeber veranlasst sah, im Zusammenhang mit der Regelung der Herausgabepflicht eine Haftung des Bundes für die Gebarung mit dem Vermögen auszuschließen, so kann daraus nicht gefolgert werden, dass der Bund für Rechtshandlungen vor diesem Zeitpunkt, die nach Meinung des Klägers nicht dem Begriff "Gebarung" unterstellt werden können, haftbar sei. Eine solche Haftung wäre auch mit der Bestimmung des § 5 Z 1 der Vermögensverfallsamnestie, dass im Falle der Veräußerung des Vermögens an dessen Stelle der erzielte Erlös (also nicht etwa der volle Wert des Vermögens) tritt, unvereinbar.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E75218 1Ob193.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00193.6.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19600610_OGH0002_0010OB00193_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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