TE OGH 1960/12/7 2Ob398/60

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Veröffentlicht am 07.12.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Köhler, Dr. Pichler, Dr. Höltzel und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertraud K*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr. Hans Waldbauer, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagte Partei Marianne Kn*****, Hausbesitzerin, ***** vertreten durch DDr. Armin Santner, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen 15.051,55 S s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 10. Juni 1960, GZ R 160/60-27, womit infolge Berufung der klagenden und beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. Februar 1960, GZ 8 Cg 287/59-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht, der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

"1.) Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle Schäden aus deren Unfall vom 5. Februar 1958 zur Hälfte haftet.

2.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 1.942,50 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

3.) Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für die zu 1.) genannten Schäden zur Gänze und auf Zahlung eines weiteren Betrages von 13.109,05 S wird abgewiesen.

4.) Die Prozesskosten werden gegeneinander aufgehoben."

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehemann der Klägerin ist seit 1. 12. 1956 Mieter einer im Tiefparterre gelegenen Wohnung im Haus der Beklagten. Die Wohnung ist nur über eine 12-stufige Freitreppe erreichbar. Am 5. 2. 1958 glitt die Klägerin bei der Heimkehr auf der zweiten oder dritten Stufe der Freitreppe (Stiege) aus, fiel auf den Rücken und rutschte über die ganze Stiege hinunter. Nach dem Klagsvorbringen erlitt sie hiebei einen Steißbeinbruch. Mit der Behauptung, die Beklagte sei an diesem Unfall schuld, weil die Stiege vereist, nicht bestreut und nicht beleuchtet gewesen sei und weil jede Sicherheitseinrichtung (Geländer) gefehlt habe, begehrte die Klägerin neben der Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle unfallskausalen Schäden den Ersatz folgender Beträge:

Für Ärztekosten und Heilmittel              1.848,95 S

für Kosten der Untersuchung und

Behandlung in der Krankenanstalt für

Neurochirurgie in Bad Ischl                 2.302,60 S

für eine Haushaltshilfe                       800,-- S

für Reisekosten                               100,-- S

an Schmerzengeld                           10.000,-- S

zusammen                                   15.051,55 S.

Die Beklagte bestritt den Anspruch nach Grund und Höhe. Das Erstgericht erkannte über das Feststellungsbegehren dahin, dass die Beklagte zur Hälfte für die unfallskausalen Schäden der Klägerin ersatzpflichtig sei, und sprach der Klägerin 1.792,50 S zu. Das weitergehende Feststellungsbegehren und das weitere Zahlungsbegehren wies es mit dem Betrag von 13.295,05 S (richtig: 13.259,05 S) ab. Ein Ausspruch über das von der Klägerin erhobene Begehren auf Zahlung von Prozesszinsen unterblieb, doch wurde dies in keiner Phase des weiteren Verfahrens gerügt. Das Ersturteil beruht auf folgenden wesentlichen Feststellungen und Erwägungen:

Die Stiege sei nicht eigens beleuchtet. Der Ehemann der Klägerin habe vor dem Unfall nie verlangt, dass an der Stiege eine Handführung angebracht werde. Am Unfallstag habe die Temperatur morgens minus 5 Grad, mittags plus 2,5 Grad betragen und sei abends in Talbodennähe örtlich unter Null Grad gesunken. Nachmittags habe es zweimal kurzzeitig leicht geregnet. Um 18 Uhr habe stellenweise von den Vortagen herrührende Schnee- und Eisglätte geherrscht, stellenweise habe es Eisneubildung gegeben. Die Klägerin sei vor 18 Uhr heimgekommen. Der Geh- und Fahrweg, den sie beim Heimgehen benützte, sei vereist gewesen. Das betonierte Hauspflaster vor der Stiege und diese selbst seien mit einer Eisschicht überzogen gewesen. Die Vereisung der Stiege sei nicht vor 17,30 Uhr eingetreten. Die Klägerin sei infolge der Vereisung ausgeglitten. Sie habe eine Prellung des Steißbeins, jedoch weder einen Steißbeinbruch noch eine Bandscheibenverletzung erlitten. Infolge der Prellung habe sie durch 14 Tage starke und andauernde, einen weiteren Monat lang mittlere, in bloß zeitweise übergehende und durch höchstens 3 Monate geringfügige, nur bei bestimmten Bewegungen auftretende Schmerzen gehabt. Eine nach Angaben der Klägerin noch bestehende Schmerzempfindlichkeit im Steißbeinbereich und weitere ischiasähnliche Beschwerden stünden mit dem Unfall in keinem ursächlichen Zusammenhang. Die Beklagte sei als Vermieterin zur Instandhaltung der Stiege verpflichtet und hafte für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten. Eine mangelhafte Beleuchtung der Stiege sei nach den eigenen Angaben der Klägerin nicht unfallskausal gewesen. Eine gesetzliche Verpflichtung, an der Stiege eine Handführung anzubringen, habe nicht bestanden. Wegen des normalen Gefälles der Stiege könne dies auch ansonsten von der Beklagten nicht verlangt werden. Auch könne nicht gesagt werden, ob beim Vorhandensein einer Handführung der Unfall vermieden worden wäre. Das Verkehrsbedürfnis hätte Streumaßnahmen auf der Stiege erfordert. Für die Beklagte sei die abends eingetretene Vereisung vorhersehbar gewesen. Sie habe sich aber um den Zustand der Stiege überhaupt nicht gekümmert. Andererseits habe es aber die Klägerin, für die der gefährliche Zustand der Stiege nicht überraschend gewesen sei, offenbar an der nötigen Vorsicht fehlen lassen. Das Verschulden der Beklagten sei sehr gering, doch könne auch bei der Klägerin nicht von einer groben Fahrlässigkeit gesprochen werden. Der Schaden sei gemäß § 1304 ABGB. von beiden Teilen je zur Hälfte zu tragen. An unfallskausalen Ärztekosten könne die Klägerin nur die Kosten der Behandlung durch Dr. H***** in der Zeit bis 27. 5. 1958 im Betrag von 390,-- S, die Kosten der Röntgenuntersuchungen duch Dr. G***** im Betrage von 120,-- S und im Krankenhaus Wörgl im Betrag von 75,-- S, zusammen somit 585,-- S, begehren. Alle anderen Ärzte- und Krankenhauskosten bezögen sich nicht auf die Steißbeinprellung. Diese Auslagen habe der Ehemann der Klägerin bestritten, der Schaden habe sich jedoch in ihrem Vermögen ereignet. Ihr Ersatzanspruch sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie ihn nicht gegenüber ihrer Versicherungsanstalt geltend gemacht habe. Ersatz der Aufwendungen für eine Haushaltshilfe könne die Klägerin nicht verlangen. Die Aushilfe sei vom Ehemann der Klägerin angestellt und bezahlt worden, es handle sich um einen Drittschaden, den sie nicht geltend machen könne. Als Schmerzengeld sei ein Betrag von 3.000,-- S angemessen. Von den unfallskausalen Ansprüchen im Betrag von 3.585,-- S habe die Beklagte die Hälfte zu ersetzen. Das Feststellungsbegehren sei im Umfang des Spruches berechtigt, weil zwar nicht bewiesen, aber auch nicht mit Sicherheit auszuschließen sei, dass die Klägerin weitere Verletzungen erlitten habe und dass in Zukunft weitere Unfallsfolgen entstehen.

Infolge Berufung beider Parteien bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil.

Beide Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, die Klägerin seinem ganzen Inhalt nach, die Beklagte, soweit ihrer auf gänzliche Klagsabweisung gerichteten Berufung keine Folge gegeben wurde. Als Revisionsgründe machen beide Parteien unrichtige rechtliche Beurteilung, die Klägerin überdies Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die Beklagte Aktenwidrigkeit geltend. Die Klägerin beantragt Abänderung im Sinne des Klagebegehrens, allenfalls Aufhebung und Rückverweisung der Sache an eine der Vorinstanzen. Der Revisionsantrag der Beklagten geht lediglich auf Abänderung, und zwar entweder im Sinne der Klagsabweisung oder des Zuspruches von nur 1.128,33 S unter Zugrundelegung einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Klägerin. Beide Parteien beantragen, der gegnerischen Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht, die der Klägerin nur teilweise begründet.

1.) Revision der Beklagten:

Diese rügt als aktenwidrig die Annahme des Berufungsgerichtes, dass die ärztlichen Sachverständigen das Auftreten weiterer Unfallsfolgen nicht ausschließen. Nach dem allein in Betracht kommenden Gutachten des vom Erstgericht vernommenen ärztlichen Sachverständigen seien die nach Angabe der Klägerin noch bestehenden Beschwerden nicht unfallsbedingt und es sei die Steißbeinprellung restlos abgeklungen. Eine aus dem Unfall abzuleitende Gesundheitsstörung der Klägerin könne daher nicht mehr auftreten. Rechtlich folgert die Beklagte daraus auf die Unzulässigkeit des Feststellungsbegehrens mangels rechtlichen Interesses.

Nach der Aktenlage wurde der gerichtsärztliche Sachverständige weder gefragt, ob bei der Klägerin in Zukunft noch auf die Steißbeinprellung zurückzuführende Folgen auftreten könnten, noch hat er sich hiezu ausdrücklich geäußert. In der gerügten Annahme des Berufungsgerichtes kann schon aus diesem Grunde eine Aktenwidrigkeit, d. h. eine unrichtige Wiedergabe des Akteninhaltes als Grundlage einer Feststellung nicht erblickt werden.

Auch die Rechtsrüge ist nicht gerechtfertigt.

Soweit sie sich über den Ausspruch über das Feststellungsbegehren wendet, baut sie lediglich auf der behaupteten, nach dem Vorgesagten jedoch nicht bestehenden Aktenwidrigkeit auf. Darüber hinaus ist aber auch der Oberste Gerichtshof der Meinung, dass angesichts der Art der Verletzung der Klägerin immerhin weitere Folgen in Betracht kommen können. Diese Möglichkeit genügt aber, um das rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung im erkannten Umfang zu rechtfertigen. Dass besondere Umstände für die zwingende Notwendigkeit eines prozessökonomischen Feststellungsbegehrens dargetan werden, ist keine absolute Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Begehrens in Verbindung mit einem auf Grund eines Schadenersatzanspruches erhobenen Leistungsbegehren (JBl. 1958 S. 21).

Der Oberste Gerichtshof billigt auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Beklagte auf Grund des bestehenden Vertragsverhältnisses verpflichtet war, die Stiege in einem solchen Zustand zu erhalten, dass sie von jenen Personen, die sie benützen müssen, nach menschlichem Ermessen ohne Gefahr eines Körperschadens benützt werden kann. Dazu gehört aber auch die Pflicht, den Zugang bei Eisbildung entsprechend zu bestreuen. Denn die Rechte des Mieters einer Wohnung erschöpfen sich nicht in der Benützung der Wohnung selbst, zu ihnen gehört vielmehr auch das Recht, dass der Mieter und die seine Wohnung mitbenützenden Personen, also auch die Klägerin, den Zugang gefahrlos benützen können (vgl. SZ. XX 80). Die von den Vorinstanzen nicht ausdrücklich erörterte Frage, ob die Klägerin, obwohl sie selbst nicht Mieterin ist, Ersatzansprüche aus der Vertragsverletzung erheben kann, muss aus Zweckmäßigkeitserwägungen in Übereinstimmung mit der Lehre bejaht werden, wenn auch strenge Rechtslogik den Ersatzanspruch nur dem Bestandnehmer persönlich zuerkennen könnte (vgl. Klang, Komm.2, VI. Bd. S. 46). Wenn die Beklagte weiter ausführt, dass nach Ansicht des Erstgerichtes für sie die Möglichkeit, die Vereisung der Stiege zu erkennen, nur bei besonderer Aufmerksamkeit bestanden habe, so gibt sie den Inhalt des Ersturteils ungenau wieder. Nach der Ansicht des Erstgerichtes war nämlich nur die erst kurz vor dem Unfall tatsächlich eingetretene Vereisung nur bei besonderer Aufmerksamkeit wahrnehmbar. Mit der Möglichkeit einer Vereisung hätte hingegen die Beklagte mit Rücksicht auf den festgestellten Temperaturwechsel schon den ganzen Tag über rechnen und sich darauf einstellen müssen. Diese Sorgfalt liegt aber im Rahmen des der Beklagten durchaus Zumutbaren. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich der von der Klägerin erhobenen Ansprüche setzt keine auffallende Sorglosigkeit voraus, weil Ersatz nach § 1325 ABGB. ohne Rücksicht auf den Grad des Verschuldens, also auch bei leichtem Versehen zu leisten ist (Ehrenzweig, System7, S. 629, Wolff bei Klang2, a.a.O., S. 140). Das Verschulden in dem von den Vorinstanzen der Beklagten angelasteten Ausmaß rechtfertigt aber entgegen der Ansicht der Beklagten keine ihr günstigere Schadensteilung, zumal auch zu berücksichtigen ist, dass die schuldhafte Unterlassung der Beklagten die primäre Ursache für den Unfall der Klägerin war.

2.) Revision der Klägerin:

Diese erblickt die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin, dass das Berufungsgericht keinen weiteren Sachverständigen über die Art der Verletzung der Klägerin vernommen hat. Mit diesem Vorwurf wiederholt die Revision jedoch nur die in ihrer Berufung vorgetragene Mängelrüge, obwohl das Berufungsgericht ausführlich dargelegt hat, dass und warum die von der Klägerin vermisste Beweisaufnahme durch Einholen eines "Übergutachtens" entbehrlich sei. Damit ist aber die Frage endgültig erledigt, weil die Beweiswürdigung nach der Regelung des § 503 ZPO. in letzter Instanz dem Berufungsgericht obliegt und die Frage, ob Kontrollbeweise aufzunehmen seien, selbst in das Gebiet der Beweiswürdigung gehört.

Mit der Rechtsrüge wendet sich die Klägerin gegen die Ansicht der Vorinstanzen, dass das Fehlen einer Handführung längs der Stiege der Beklagten nicht als Verschulden angelastet werden könne. Gegen die Feststellung, dass eine gesetzliche Pflicht, sei es auf Grund baupolizeilicher oder sonstiger Vorschriften, eine Handführung anzubringen, nicht bestand, vermag die Revision nichts vorzubringen. Was aber eine nach Ansicht der Klägerin in diesem Belang vorliegende Schuldverletzung der Beklagten anlangt, so erstreckt sich allerdings - wie schon ausgeführt - die in § 1096 ABGB. verankerte Pflicht des Bestandgebers, den Bestandgegenstand in brauchbarem Zustand zu erhalten, auch auf alle Zugänge, die zur ordnungsgemäßen Benützung des Mietobjektes erforderlich sind (JBl. 1954, S. 75). Im gegebenen Falle hat jedoch die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen das vor dem zweiten Weltkrieg von einem anderen Bauherrn errichtete Haus im Jahre 1953 käuflich erworben und an dem bestehenden Bauwerk nichts geändert. Weder die Klägerin und ihr Gatte, die die Stiege seit Ende 1956 täglich benützen, noch die sonstigen Personen die einen ebenfalls im Tiefparterre gelegenen und nur über diese Stiege erreichbaren Raum als Versammlungsort verwendeten, haben das Fehlen einer Handführung jemals bemängelt, geschweige denn die Beklagte aufgefordert, eine solche anzubringen. Dies berechtigt zu der Annahme, dass unter normalen Verhältnissen die Stiege auch ohne Handführung gefahrlos benützt werden konnte, zumal sie - wie festgestellt - ein durchaus normales Gefälle aufwies. Keinesfalls ist hervorgekommen, dass infolge des Fehlens der Handführung schon ein Benützer gefährdet worden sei. Unter diesen Umständen kann es der Beklagten nicht als Verschulden angelastet werden, wenn sie nicht von sich aus eine Handführung anbringen ließ. Daraus folgt, dass sich aus dieser Tatsache nichts für eine der Klägerin günstigere Verschuldensteilung ableiten lässt. Es ist aber auch die Ansicht der Vorinstanzen zu billigen, dass auch die Klägerin selbst am Unfall nicht schuldlos ist. Gewiss konnte ihr nicht zugemutet werden, die vereiste Stiege überhaupt zu meiden. Da sie aber die bestehende Vereisung der Stufen wahrnahm, hätte sie, wenn sie es nicht für tunlich hielt, vor dem Betreten der Stiege die Beklagte zum Streuen aufzufordern, von Anfang an mit den Händen an der die Stiege rechts begrenzenden Hauswand oder an der links der Stiege befindlichen Betonmauer, allenfalls - angesichts der aus der vom Erstgericht angefertigten Skizze zu entnehmenden geringen Breite der Stiege von etwa 1 m - an beiden Wänden zugleich Halt suchen müssen. Dass sie dies getan hätte, hat sie selbst nicht behauptet. In dieser Unterlassung liegt ihr Versehen. Die Abwägung des Rechtswidrigkeits-, Verursachungs- und Schuldzusammenhanges auf Seite der Klägerin einerseits und der Beklagten anderseits ergibt keine entscheidenden Anhaltspunkte, die für eine eine andere als die von den Vorinstanzen vorgenommene Schadensteilung zu Gunsten der Klägerin sprächen.

Hinsichtlich der Höhe der der Klägerin für Heilungskosten und Schmerzengeld zugesprochenen Beträge ist auch mit dem Hinweis darauf nichts gewonnen, dass die Klägerin in den vom Sturz betroffenen Körperteilen in der Folge Schmerzen hatte, die nach den Urteilsfeststellungen nicht unfallskausal waren. Denn wegen dieser Schmerzen kann sie die Beklagte auf keinen Fall in Anspruch nehmen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin hat weder das Erst- noch das Berufungsgericht den Standpunkt vertreten, die Klägerin könne den Ersatz von Heilungskosten nicht geltend machen, weil sie ihr Gatte bezahlt habe; beide Vorinstanzen haben ja auch Heilungskosten im unfallskausalen Umfang zuerkannt. Mit der angeführten Begründung hat das Erstgericht vielmehr den Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine Haushaltshilfe abgelehnt. In ihrer Berufung hat die Klägerin die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht zwar nicht ausdrücklich bekämpft, doch ergibt sich aus der Anfechtungserklärung und dem Berufungsantrag, dass sich das Rechtsmittel auch gegen die Abweisung der in Rede stehenden Kosten richtete. Das Berufungsgericht hat hiezu nicht Stellung genommen. Mit Rücksicht auf den Revisionsantrag, das Urteil der zweiten Instanz dahin abzuändern, dass der klägerischen Berufung im vollen Umfang stattgegeben werde, kann der Oberste Gerichtshof im Rahmen der Rechtsrüge die vom Berufungsgericht stillschweigend gebilligte Ansicht des Erstgerichtes überprüfen. Der vom Erstgericht ausgesprochenen Ansicht, es handle sich bei den Kosten für eine Haushaltshilfe um einen Drittschaden, den die Klägerin nicht geltend machen könne, kann nicht gefolgt werden. Wenn das Erstgericht zur Begründung seiner Ansicht auf die in JBl. 1959 S. 452 veröffentlichten Entscheidung verweist, so lässt bereits der dieser Veröffentlichung vorangestellte Rechtssatz erkennen, dass dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zu Grunde lag. Es handelte sich darum, dass die verletzte Ehefrau einen ihrem Mann gehörigen Betrieb führte, in dem während ihrer unfallsbedingten Abwesenheit Hilfskräfte eingestellt werden mussten. Im vorliegend zu beurteilenden Fall ist nichts hervorgekommen oder festgestellt worden, was die Annahme gerechtfertigt hätte, dass die Klägerin etwas anderes als ausschließlich Hausfrau war. In Fällen dieser Art entspricht es ständiger Rechtsprechung, den Anspruch auf Ersatz der in Rede stehenden Kosten der verletzten Ehefrau unmittelbar zuzuerkennen. So hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf Vorentscheidungen bereits in der in SZ. XXII 77 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, dass, wenn die verheiratete Frau, die ohne sonstigen Beruf den Haushalt führt und von ihrem Gatten erhalten wird, infolge der erlittenen Verletzungen ihrer in § 92 ABGB. verankerten Pflicht nicht mehr oder nur im beschränkten Umfange nachkommen kann, diese Einbuße ihrer Erwerbsfähigkeit für sie einen Verdienstentgang bedeutet, für den ihr nach § 1325 ABGB. Ersatz gebührt und zwar für jene Mehrauslagen, die ihr durch Vorsorge für eine Beihilfe im Haushalt erwachsen. Der Ehefrau müssen die Mittel zur Hand gegeben werden, um durch Beiziehen einer Haushaltshilfe den Haushalt in derselben Weise weiter zu besorgen. Der Schade trifft beide Ehegatten zusammen, wenn durch das Halten einer Haushaltshilfe eine Minderung der Einkommensverhältnisse eintritt. Dass der Mann das Wirtschaftsgeld bezahlt, ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung (ZVR. 1958 Nr. 207, JBl. 59, S. 184, 2 Ob 251/60 u.a.). Der Oberste Gerichtshof hält auch im vorliegenden Fall an dieser Rechtsmeinung fest. Daraus folgt, dass unter Bedachtnahme auf die Schadensteilung der Klägerin zusätzlich die Hälfte des vom Erstgericht errechneten, ziffernmäßig nicht bekämpften Betrages von 300 S, somit 150 S aus den angeführten Gründen zuzusprechen sind.

Der Ausspruch über die Prozesskosten beruht auf § 43 Abs. 1 ZPO., über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 43 Abs. 1, 50 ZPO.

Anmerkung

E75717 2Ob398.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00398.6.1207.000

Dokumentnummer

JJT_19601207_OGH0002_0020OB00398_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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