TE OGH 1960/12/7 5Ob377/60

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Veröffentlicht am 07.12.1960
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Norm

ABGB §46

Kopf

SZ 33/135

Spruch

Schadenersatzansprüche der Eltern und dritter Personen nach § 46

ABGB.

Entscheidung vom 7. Dezember 1960, 5 Ob 377/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Imst; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger stützt den Anspruch nicht nur auf die Behauptung, der Beklagte sei vom Verlöbnis mit seiner Tochter grundlos zurückgetreten (§ 46 ABGB.), sondern auch auf den Titel des Schadenersatzes. Er führt in der Klage aus, der Beklagte habe ihm listig vorgespiegelt, er habe nach den Dienstvorschriften, die für ihn als Probegendarm gelten, bei seiner Dienstbehörde um die Ehebewilligung angesucht, und die Heiratserlaubnis werde davon abhängig gemacht, daß er eine Wohnung für den gemeinsamen Haushalt nachzuweisen in der Lage sei. Infolge dieser Behauptungen, die sich nachträglich als unrichtig herausstellten, habe der Kläger dem Beklagten in seinem Haus zwei Zimmer unentgeltlich überlassen, einen Elektroherd gekauft und Starkstrom einleiten lassen. Er habe dadurch einen Schaden in der Höhe von 7767 S 72 g erlitten, wofür ihm der Beklagte volle Genugtuung leisten müsse.

Das Erstgericht wies die Klage ohne Aufnahme von Beweisen mit der Begründung ab, § 46 ABGB. gewähre nur dem Teil, von dessen Seite keine gegrundete Ursache zum Rücktritt vom Verlöbnis entstanden ist, den Anspruch auf Schadenersatz, nicht aber dritten Personen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht auf, die Verschuldensfrage zu prüfen. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Der Kläger behaupte aber, den Schaden nicht nur infolge des Rücktrittes, sondern infolge rechtswidriger und schuldhafter Handlungen des Beklagten erlitten zu haben. Es müsse daher auf Grund der angebotenen Beweise festgestellt werden, ob der Kläger die Räume dem Beklagten und nicht etwa seiner Tochter überlassen habe und ob der Herd und die Elektroinstallation nicht nur wegen des Verlöbnisses, sondern wegen der angeblich unrichtigen Erklärungen des Beklagten angeschafft wurden. Treffe es zu, daß nicht der Kläger, sondern dessen Mutter die Eigentümerin des Hauses sei, wäre allerdings der Schaden, der durch die Überlassung der Räume entstand, nicht im Vermögen des Klägers eingetreten. Es müsse aber überprüft werden, auf welche Teile des Anspruches die vom Beklagten geleisteten Teilzahlungen anzurechnen seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte läßt die zu seinen Gunsten lautende Ansicht des Berufungsgerichtes, der im § 46 ABGB. bezeichnete Schadenersatzanspruch stehe nur "dem Teile, von dessen Seite keine gegrundete Ursache zum Rücktritt entstanden ist", also nur dem enttäuschten Verlobten, aber nicht dessen Eltern oder dritten Personen zu, unangefochten. Er bekämpft nur die Annahme, die Ansprüche würden nicht allein wegen des Rücktrittes, sondern wegen rechtswidriger und schuldhafter Handlungen erhoben.

Die Frage, ob auch die Eltern und dritte Personen, die an Stelle der Eltern gehandelt haben, Schadenersatzansprüche auf Grund des § 46 ABGB. stellen können, ist bestritten. In der Rechtsprechung wurde sie, allerdings aus einander widersprechenden Gründen, bejaht, während in den Entscheidungen GlUNF. 2114 und 2498 ausgeführt ist, die Anspruchsberechtigung dieser Personen lasse sich nicht aus den §§ 45, 46 ABGB. ableiten, folge aber aus den allgemeinen Grundsätzen über das Schadenersatzrecht, weil das Verlöbnis ein Vorvertrag sei, mindestens eine Naturalobligation begrunde und die Ungültigkeit des Vertrages auch in anderen Fällen (§§ 869, 878 ABGB.) die Pflicht zum Schadenersatz nicht aufhebe, leitet die Entscheidung JBl. 1934 S. 188 die Anspruchsberechtigung dieser Personen aus § 46 ABGB. und aus der Erwägung ab, der klaren Absicht des Gesetzgebers, einen Ausgleich des Schadens herbeizuführen, werde nur entsprochen, wenn diese Bestimmung ausdehnend ausgelegt werde. Die Lehre ist überwiegend der gegenteiligen Meinung (s. die von Wentzel in Klang 2. Aufl. I 342 f. in Anm. 27 und 28 angegebene Literatur). In der neueren Literatur hat Köstler (Österreichs Eherecht, 4. Aufl. S. 3) auf die Rechtsübung hingewiesen, daß auch Eltern und sonstige Verwandte, wenn sie durch den Rücktritt geschädigt werden, nach § 46 ABGB. forderungsberechtigt sind. Schwind (Kommentar zum österreichischen Eherecht, S. 6) führt aus, die Regelung des Gesetzes, daß der Anspruch nur dem geschädigten Verlobten zusteht, sei "zweifellos unpraktisch". Die von ihm vorgeschlagene bessere Lösung, die Aufwendungen der Eltern oder sonstiger Verwandter als eine Schenkung an den Verlobten aufzufassen und anzunehmen, der Schaden sei im Vermögen des Verlobten eingetreten, so daß wenigstens dieser zur Geltendmachung berechtigt sei, ist nur eine Notlösung und nicht in allen Fällen anwendbar. Es darf nicht übersehen werden, daß meistens die Brautleute selbst vermögenslos sind und es in der Mehrzahl der Fälle die Eltern oder dritte Personen sind, die im Hinblick auf das Verlöbnis für Ausstattungen sorgen, Aufwendungen auf sich nehmen und im Rücktrittsfall einen Schaden erleiden. Soll das Gesetz seinen Zweck erfüllen, muß es als die klare und nur mangelhaft erklärte Absicht des Gesetzgebers angesehen werden, daß auch diesen Personen der Schaden ersetzt werden soll, so wie dies ausdrücklich in den §§ 1298 f. DBGB., im § 92 SchwZGB. und in dem ehemals im Burgenland in Geltung gestandenen (ungarischen) Gesetzartikel XXXI/1894, § 3, ausgesprochen ist. Der Oberste Gerichtshof hält daher an der bisherigen Praxis der Gerichte und an der zuletzt erwähnten Entscheidung fest.

Schon in der Entscheidung JBl. 1934 S. 188 ist darauf hingewiesen, daß die Schadenersatzpflicht nach § 46 ABGB., die ja nicht auf Verschulden beruht, ihrem Umfang nach beschränkt ist, daß aber die weitergehende Haftung nach den Grundsätzen der Verschuldenshaftung in Betracht kommt, wenn sich der zurücktretende Teil eines Deliktes, z. B. nach § 506 StG. oder eines Betruges, schuldig machte oder wenn von dem Recht, vom Verlöbnis zurückzutreten, nur mit dem offenbaren Zweck Gebrauch gemacht wurde, dem anderen Teil zu schaden (§ 1295 Abs. 2 ABGB.). Einen derartigen Fall hat der Kläger behauptet. Wenn die Behauptungen des Klägers richtig sind, daß er vom Beklagten durch unwahre Angaben irregeführt und zu Leistungen und Auslagen veranlaßt wurde, kommt die Verschuldenshaftung in Frage, weil die Irreführung durch bewußt wahrheitswidrige Angaben auch außerhalb eines Vertragsverhältnisses ersatzpflichtig macht (SZ. X 149). Da der Kläger behauptet, unmittelbar durch die rechtswidrige Handlungsweise des Beklagten geschädigt worden zu sein, kann auch nicht gesagt werden, daß nur ein mittelbarer Schaden geltend gemacht wird. Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes war daher, wenn auch zum Teil aus anderen Gründen, zu bestätigen.

Anmerkung

Z33135

Schlagworte

Bruch eines Verlobnisses, Anspruchsberechtigung nach § 46 ABGB., Ersatzanspruch wegen Verlöbnisbruches, Legitimation, Verlöbnisbruch, Anspruchsberechtigung nach § 46 ABGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0050OB00377.6.1207.000

Dokumentnummer

JJT_19601207_OGH0002_0050OB00377_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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