TE OGH 1960/12/20 4Ob152/60

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.1960
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hohenecker als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster und Dr. Gitschthaler sowie die Beisitzer Dr. Witek und Dr. Kolenaty als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf K*****, Rentner, ***** vertreten durch Dr. Friedrich Weber, Rechtsanwalt, Wien III, Untere Viaduktgasse 51, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I, Rosenbursenstraße 1, wegen restl. 8.850 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Juni 1960, GZ 44 Cg 135/60-20, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 22. Jänner 1960, GZ 4 Cr 2029/59-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, das in der Abweisung des Klageteilbetrages von 1.514 S unberührt bleibt, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass die Beklagte schuldig ist, dem Kläger einen Betrag von 7.033 S 34 g samt 4 % Zinsen seit 1. Juli 1959 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen und das Mehrbegehren von 1.816 S 66 g samt 4 % Zinsen seit 1. Juli 1959 abgewiesen wird.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger zwei Fünftel der mit 1.063 S 40 g bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens, somit 425 S 36 g, und fünf Neuntel der mit 552 S 50 g bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens somit 306 S 95 g, binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Vertragsbediensteter der Polizeidirektion Wien, der mit dem Sondervertrag vom 1. 6. 1954 in den Sicherheitswachdienst aufgenommen worden ist. Er hat bis 31. 5. 1956 als Sicherheitswachorgan Dienst gemacht und wurde dann von der Beklagten außer Dienst gestellt. Wegen Erreichung der Altersgrenze ist sein Dienstverhältnis mit 31. 3. 1959 beendet worden. Er verlangt von der Beklagten die Bezahlung der Wachdienstzulage (§ 74 Abs 1 GehG 1956) in der Höhe von 3.400 S, des Mehrdienstpauschales von 5.450 S (Erl. des Bundesministeriums für Inneres vom 10. 7. 1946) und des Massapauschales (Massavorschrift vom 6. 12. 1949) in der Höhe von

4.189 S, zusammen 13.039 S für die Zeit der Außerdienststellung. Das Erstgericht sprach dem Kläger die Wachdienstzulage von 3.400 S zu und wies das Mehrbegehren von 9.639 S ab. Nach dem Wortlaut des Punktes 19 des Sondervertrages ("Zusätzlich zum Entgelt nach § 11 VBG 1948 wird eine Zulage im Ausmaße der den Wachebeamten ... nach § 44 Abs 1 GÜG, BGBl No 22/47, gebührenden Wachdienstzulage gewährt.") habe der Kläger auf die Wachdienstzulage ohne Rücksicht darauf Anspruch, ob er die Voraussetzungen des § 44 GÜG und später des § 74 Abs 1 GehG 1956 erfüllt habe oder nicht. Es komme daher nicht darauf an, dass der Kläger in der fraglichen Zeit keinen Dienst als Sicherheitswachorgan geleistet habe. Das Mehrdienstpauschale könne er hingegen nicht fordern, weil es nur zustehe, wenn Dienst gemacht werde. Was das Massapauschale (für die Uniformierung) betreffe, fehle die passive Klagelegitimation der Beklagten, da der Massafonds eine eigene Rechtspersönlichkeit besitze. Das Urteil des Erstgerichtes ist hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von 2.675 S für das Massapauschale rechtskräftig geworden.

Infolge Berufung beider Teile gegen den restlichen Teil des erstgerichtlichen Urteils änderte ihn das Berufungsgericht dahin ab, dass dem Kläger die Wachdienstzulage von 3.400 S und das Mehrdienstpauschale von 5.450 S (zusammen 8.850 S) zuerkannt wurden und das restliche Mehrbegehren an Massapauschale von 1.514 S abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht billigte die erstgerichtliche Auslegung des Punktes 19 des Sondervertrages vom 1. 6. 1954. Über die Wachdienstzulage hinaus habe der Kläger aber auch Anspruch auf das Mehrdienstpauschale, weil er als vollbeschäftigter Vertragsbediensteter des Sicherheitswachedienstes aufgenommen worden sei und bis zu seiner Dienstenthebung Wachdienst geleistet habe. In der Folgezeit sei er bereit gewesen, seine Dienste im bisherigen Umfang zu erbringen. Grundsätzlich gebühre dem Dienstnehmer auch bei Verzicht auf seine Dienstleistung das Entgelt, das ihm bei Weiterleistung des vertragsmäßigen Dienstes gebührt hätte, wenn er hiezu bereit gewesen und vom Dienstgeber an der Ausübung des Dienstes verhindert worden sei. Es sei ergänzend festzustellen, dass auch solche Sicherheitswachebeamte, die Kanzleidienst verrichtet hätten, als unter den Exekutivdienst fallend behandelt worden seien und die Wachdienstzulagen erhalten hätten. Da der Kläger während seines Dienstes auch das Mehrdienstpauschale bezogen habe und weiterhin bereit sei, seinen aktiven Dienst mit allen damit verbundenen Dienstverrichtungen auszuüben, derentwegen die Pauschalgebühr geleistet worden sei, also z.B. auch den Nachtdienst und den Bereitschaftsdienst, habe er auch auf das Mehrdienstpauschale Anspruch. Was hingegen das Massapauschale betreffe, müsse der Massafonds, der eigene Rechtspersönlichkeit habe, geklagt werden. Im abweisenden Teil ist das Urteil des Berufungsgerichtes rechtskräftig geworden.

Gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils (8.850 S) richtet sich die Revision der Beklagten, worin der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht und der Revisionsantrag gestellt wird, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage vollständig abgewiesen werde, allenfalls, dass das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt werde. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise begründet.

Der Kläger, der bis 31. 3. 1959 Vertragsbediensteter des Sicherheitswachdienstes war, ist im Jahre 1956 von der Beklagten ohne triftigen Grund vom Dienst enthoben und nicht mehr als Sicherheitswachorgan verwendet worden. Der Kläger war nach den Feststellungen der Untergerichte bereit, die ihm bis dahin obliegenden Dienste weiter zu verrichten. Der Kläger ist also im Sinne des im § 1155 Abs 1 ABGB ausgesprochenen Rechtsgedankens (vgl dazu Adler-Höller in Klang V2, S 287 f und die ähnliche Bestimmung des § 17 Abs 1 VBG 1948) berechtigt, für die nicht zustande gekommenen Dienstleistungen das Entgelt zu verlangen. Zu diesem Entgelt gehörte vor der Enthebung des Klägers vom Dienst sowohl die Wachdienstzulage, als auch das Mehrdienstpauschale. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe weder seine normalen Dienste, noch Überstunden, Nachtdienst oder sonstige Mehrdienste geleistet und könne daher auf die beiden Zulagen keinen Anspruch erheben, ist unberechtigt. Nach dem Gesetz wird nämlich dann, wenn der Dienstnehmer zur Dienstleistung bereit war und durch Umstände, die auf der Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist, fingiert, der Dienstnehmer habe den Dienst so wie bisher erbracht und könne dafür das Entgelt verlangen. Dabei hängt das Ausmaß der Entlohnung davon ab, welche Arbeit der Dienstnehmer bis dahin regelmäßig geleistet hatte. Nach den Feststellungen der Untergerichte hat der Kläger bis zu seiner Enthebung Dienste erbracht, für die er sowohl die Wachdienstzulage, als auch das Mehrdienstpauschale erhalten hat. Er hat daher grundsätzlich auf den Weiterbezug Anspruch, ohne Rücksicht darauf, dass er später unbeschäftigt geblieben ist. Bei dieser Rechtslage kommt es auf die von den Untergerichten und von der Beklagten in der Revisionsschrift behandelte Frage, ob die Wachdienstzulage nach dem Punkt 19 des Sondervertrages unbedingt oder nur unter den Voraussetzungen des § 74 Abs 1 GehG 1956 zustehen sollte, nicht an. Auf die dazu gehörigen Ausführungen der Beklagten braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Der Kläger muss sich aber nach dem zweiten Halbsatz des § 1155 Abs 1 ABGB auf das ihm an sich zustehende bisherige Entgelt anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Dass der Kläger in der Zeit seiner Dienstenthebung anderweitig gearbeitet hätte, ist von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Der zweite Fall der Anrechnung fällt daher weg. Was die Ersparnis betrifft, handelt es sich darum, dass der Dienstnehmer zwar nicht deshalb in Anspruch genommen werden kann, weil er sich die Mühe der Arbeit, die zu leisten er bereit war, erspart hat. Er muss aber alle fianziellen Vorteile, die er durch das Unterbleiben der Arbeit hatte, anrechnen lassen. Dies betrifft im Falle des Klägers allerdings nicht die Wachdienstzulage, die ein reines Entgelt für die Dienstleistung war und deshalb zur Gänze gebührt. Die Anrechnungspflicht bezieht sich aber auf das Mehrdienstpauschale, das nach dem Erlass der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit vom 10. 7. 1946 nicht nur eine Vergütung für sämtliche außerhalb des Hauptdienstes geleisteten Verrichtungen (Überstundenentlohnung und dergleichen) sein sollte, sondern auch eine Entschädigung für den erhöhten Aufwand während des Nachtdienstes. Bei diesem erhöhten Aufwand handelt es sich um tatsächliche finanzielle Belastungen, die in Wegfall kommen, wenn der Mehrdienst nicht erbracht wird. Da der Kläger außer Dienst gestellt worden ist, hatte er diese zusätzlichen finanziellen Belastungen nicht zu tragen und muss sie sich anrechnen lassen. Mit Rücksicht darauf, dass eine ziffernmäßige Teilung des Mehrdienstpauschales in ein Entgelt für Mehrdienstleistungen und in eine Aufwandsentschädigung nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten vorgenommen werden könnte, scheint es dem Obersten Gerichtshof nach § 273 ZPO angemessen zu sein, 2/3 des Mehrdienstpauschales als Vergütung für die außerhalb des Hauptdienstes geleisteten Verrichtungen und 1/3 als Aufwandsentschädigung anzusehen. Wenn es im Punkt 4. des Erlasses heißt, das Pauschale habe vornehmlich als Aufwandentschädigung zu gelten, spielt dies keine Rolle, da es sich dort um einen bloß steuerrechtlichen Hinweis handelt.

Der Kläger hat daher Anspruch auf die ganze begehrte Wachdienstzulage von 3.400 S und auf zwei Drittel des Mehrdienstpauschales in der Höhe vo 3.633 S 34 g. Das Mehrbegehren war abzuweisen.

Da der geltend gemachte Revisionsgrund zum Teil gegeben ist, musste der Revision teilweise stattgegeben werden.

Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Hiebei habe sich das Ausmaß des Kostenzuspruches nach dem in den Instanzen jeweils noch maßgebenden Streitwert zu richten.

Anmerkung

E76695 4Ob152.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0040OB00152.6.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19601220_OGH0002_0040OB00152_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten