TE OGH 1961/1/11 1Ob479/60

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Veröffentlicht am 11.01.1961
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Norm

ABGB §933

Kopf

SZ 34/2

Spruch

Auch bei der Mängelanzeige nach § 933 Abs. 2 ABGB. genügt die Absendung der Anzeige.

Entscheidung vom 11. Jänner 1961, 1 Ob 479/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die klagende Firma begehrte ursprünglich von der beklagten Firma die Zahlung von 2786 S 20 g für gelieferte Waren sowie bis 31. Oktober 1959 berechnete 8% Zinsen ab 10. April 1959. Infolge einer Teilzahlung von 1960 S 60 g schränkte die klagende Partei das Begehren auf 949 S 55 g samt 8% Zinsen seit 1. November 1959 aus 2786 S 20 g bis 2. Februar 1960 und 8% Zinsen aus 885 S 60 g ab 3. Februar 1960 ein.

Die beklagte Partei wendete ein, daß sie im Februar 1959 bei der klagenden Partei feuerfestes Keramikgeschirr bestellt habe. Deren Vertreter habe ausdrücklich erklärt, daß dieses Geschirr feuerbeständiger sei als Jena-Geschirr. Nur auf Grund dieser zugesicherten Eigenschaft habe sich die Beklagte zur Bestellung entschlossen. Kurz nach Zusendung der Ware habe die beklagte Partei einen Versuch mit ihr unternommen, und da habe es sich, wie noch in der Folge bei weiteren Versuchen, gezeigt, daß das Geschirr nach Erhitzung zerspringe. Die beklagte Partei habe sodann die Ware der klagenden Partei wegen des gerügten Mangels zur Verfügung gestellt.

Demgegenüber brachte die klagende Partei noch vor, daß es sich bei der gelieferten Ware um feuerfestes Material gehandelt habe. Der gegenständliche Kauf sei ein Handelsgeschäft. Die beklagte Partei habe es versäumt, den behaupteten Mangel rechtzeitig zu rügen.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei den Betrag von 897 S 82 g samt 4% Zinsen seit 1. November 1959 bis 2. Februar 1960 aus 2786 S 20 g und 4% Zinsen aus 885 S 60 g vom 3. Februar 1960 sowie 1412 S 11 g Prozeßkosten zu und wies das Mehrbegehren von 51 S 73 g samt weiteren 4% Zinsen ab.

Das erstgerichtliche Urteil wurde von der beklagten Partei mit Ausnahme des Zinsenzuspruches aus 1960 S 60 g vom 1. November 1959 bis 2. Februar 1960 mit Berufung angefochten. Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, hob das erstgerichtliche Urteil, soweit angefochten, auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, machte jedoch die Fortsetzung des Verfahrens vor dem Erstgericht von der Rechtskraft seines Beschlusses abhängig. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes habe die beklagte Partei der klagenden Partei auf einer gewöhnlichen Geschäftspostkarte geschrieben, daß ihr schon bei den ersten Kochversuchen in kurzer Aufeinanderfolge vier bis fünf Geschirrstücke gesprungen seien, sie unter diesen Umständen das Geschirr nicht nehmen wolle und es der klagenden Partei zur Verfügung stelle, weil es den Zusicherungen nicht entspreche. Die Karte sei bei der klagenden Partei nicht eingelangt. Da das weitere Schreiben der beklagten Partei vom 2. September 1959 keine Angaben darüber enthalten habe, welche Mängel gerügt würden, seien der klagenden Partei die behaupteten Mängel nicht innerhalb der Gewährleistungsfrist angezeigt worden. Infolgedessen habe die beklagte Partei auch das Recht zur einredeweisen Geltendmachung der behaupteten Gewährleistungsansprüche verloren. Der Berufungswerberin sei beizupflichten, daß zur Erhaltung des Rechtes auf einredeweise Geltendmachung des Gewährleistungsanspruches der Beweis der ordnungsgemäßen Absendung der Mängelrüge durch den Käufer genüge und die Gefahr des Einlangens der Anzeige der Verkäufer zu tragen habe. Da in § 377 Abs. 4 HGB. sogar ausdrücklich bestimmt sei, daß zur Erhaltung der Gewährleistungsansprüche des Käufers die rechtzeitige Absendung der Anzeige genüge und kein Grund dafür zu finden sei, daß für Nichthandelsgeschäfte die Bestimmung des § 933 Abs. 2 ABGB. anders als die besagte Bestimmung des Handelsgesetzbuches ausgelegt werden müsse, sei auch das Berufungsgericht der Ansicht, daß bei der einredeweisen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen vom Käufer nur der Beweis der ordnungsgemäßen Absendung der Mängelanzeige zu fordern sei und die Gefahr der Ankunft der Anzeige daher der Verkäufer zu tragen habe. Dem Urteil des Erstgerichtes sei nicht deutlich genug zu entnehmen, ob es die Absendung der die Mängelanzeige angeblich enthaltenden Postkarte als erwiesen angenommen habe. Denn das Erstgericht stelle nur fest, daß die Beklagte der klagenden Partei Mitte Mai 1959 mit einer gewöhnlichen Postkarte schrieb, was noch nicht besage, daß die Postkarte auch aufgegeben wurde. Infolge der Behauptung der klagenden Partei, eine solche Postkarte nie erhalten zu haben, hätte die Annahme der ordnungsmäßigen Absendung einer näheren Begründung bedurft, zumal Poststücke doch nur selten in Verlust gerieten. Unrichtig sei nur die Meinung, daß die nicht eingeschriebene Aufgabe einer Postkarte keine ordnungsmäßige Absendung der Mängelanzeige sei. Das Erstgericht werde daher zur Frage der Feststellung ordnungsgemäßer Absendung der Anzeige sowohl den Zeugen Friedrich S. als auch die Beklagte Helmtrude A. eingehend darüber zu befragen haben, wann, wo und wie die Postkarte aufgegeben wurde. Bei Beurteilung der Beweise werde ein strenger Maßstab anzulegen sein, weil es den Gepflogenheiten im geschäftlichen Verkehr widerspreche, für Mängelanzeigen keinen Durchschlag herzustellen. Auch der Inhalt der Mängelanzeige werde genauer festzustellen sein, da eine solche die Wirkung im Sinn des Gesetzes nur dann auslösen könne, wenn aus ihr die Art des Mangels deutlich zu entnehmen sei. Aus diesem Gründe habe das Ersturteil gemäß § 496 Abs. 1 Z. 3 ZPO. aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden müssen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurswerber bekämpft nur die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die rechtzeitige Absendung der Mängelanzeige zur Erhaltung der Rechte des Käufers auch bei Käufen, die nicht für beide Teile ein Handelsgeschäft sind, genüge. Die "abweichende Interpretation des ABGB. mit dem Handelsrecht" sei, so meint der Rekurswerber, im gegenständlichen Fall unzulässig, da die Rechtsfolgen im Fall des Mangels einer gelieferten Ware für den Verkäufer auf Grund des Handelsrechtes wesentlich strenger als im Geltungsbereich des ABGB. seien. Die Begründung für den Abs. 4 des § 377 HGB. habe der Gesetzgeber darin gesehen, daß den Verkäufer bei Vorliegen eines Mangels der Vorwurf der Kontraktwidrigkeit treffe; deshalb müsse er die Gefahr der Anzeige (soll wohl heißen: Zusendung der Anzeige) tragen. Diese Begründung gehe aber für den Bereich des ABGB. fehl, weil hier die Gewährleistungsansprüche des Käufers nur bei schuldhafter Verzögerung der Anzeige erlöschen. Dem Käufer sei ohne weiteres zuzumuten, den ohne sein Verschulden ergebnislos gebliebenen Anzeigeversuch zu wiederholen. Eine Schutzbestimmung für den Käufer dergestalt, daß die Absendung einer Anzeige bereits ausreiche, habe der Gesetzgeber außerhalb des Normenkreises des Handelsrechtes nie beabsichtigt. Die Anzeige sei ihrer Natur nach eine empfangsbedürftige Mitteilung, müsse also unter Abwesenden dem Verkäufer zugehen. Die nicht eingeschriebene Aufgabe einer Postkarte könne nicht als ordnungsgemäße Absendung gelten. Wohl sei es richtig, daß eine bestimmte Form der Mängelanzeige und eine bestimmte Art der Versendung sowie der Übermittlung durch Dritte nicht vorgeschrieben seien; trotzdem müsse dies so eingerichtet werden, daß der Absender die größtmögliche Gewähr für die tatsächliche Anzeigeerreichung des Verkäufers habe. Die Mängelrüge liege im Interesse des Käufers zur Erhaltung seiner Rechte; er habe daher für die Absendung und Form der Anzeige über das Ausmaß der Sorgfalt hinauszugehen, die im Schriftverkehr zwischen zwei Personen gepflogen werde. Es sei schon zu Zwecken der Beweissicherung allgemein üblich, den Geschäftspartner mittels eingeschriebenen Briefes oder eingeschriebener Geschäftspostkarte zu benachrichtigen.

Der Argumentation des Rekurswerbers vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizutreten. Die gerichtliche Geltendmachung der Gewährleistung erfolgt durch Klage oder Einrede innerhalb der gesetzlichen Frist. Für die Geltendmachung durch Einrede genügt es, daß der Erwerber innerhalb dieser Frist dem Veräußerer den Mangel außergerichtlich anzeigt, ihm also davon Mitteilung macht. In welcher Form dies zu geschehen hat, sagt das Gesetz nicht. Die Rüge kann in jeder denkbaren Form erklärt werden, etwa mündlich, telefonisch, schriftlich, telegrafisch oder durch Boten. Das Handelsgesetz und in gleicher Weise § 478 DBGB. erklären die Absendung der Mängelrüge bereits für genügend. Selbstverständlich kann nur die Absendung einer solchen Anzeige zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügen, welche die Gewähr dafür bietet, daß die Anzeige auch den Verkäufer erreicht. Absendungen unter falscher Adresse oder solche, die weder frankiert sind noch einen Absender aufweisen, genügen nicht (Schlegelberger - Hildebrandt, HGB., 3. Aufl. § 377 Anm. 50). Die Gefahr der Ankunft sowie der rechtzeitigen Ankunft der Mängelanzeige trägt der Verkäufer, wenn der Käufer die Anzeige ordnungsmäßig abgesendet hat. Die Absendung muß nur in geschäftsüblicher Weise erfolgen, wozu der einfache Postbrief genügt (Brüggemann im RGR.-Kommentar zum HGB., 2. Aufl. § 377 HGB. Anm. 26). Ebenso wird die Rüge nach § 478 DBGB. als nicht empfangsbedürftige Willenserklärung bezeichnet (Palandt, BGB., 20. Aufl. S. 428 zu § 478). Wenn die Mängelrüge keine empfangsbedürftige Erklärung ist und die Gefahr der Ankunft der Verkäufer trägt, so ist der tiefere Grund offenbar der, daß es ja der Verkäufer ist, der durch sein vertrags- oder gesetzwidriges Verhalten die ganzen Weiterungen veranlaßt hat. Ist die Mitteilung aus einem beim Verkäufer liegenden Grund unbestellbar, etwa weil er nicht aufgefunden werden kann, so schadet das nicht (Baumbach - Duden, HGB., 13. Aufl. § 377 HGB. Anm. 8). Schon zu Art. 347 AHGB. ging die Rechtsprechung dahin, daß der Käufer der Ware nur die Absendung des Bemängelungsschreibens und nicht den Empfang desselben durch den Verkäufer zu erweisen hat, die Rügepflicht also durch die Absendung der Mängelanzeige erfüllt ist und das Nichteinlangen der Anzeige beim Verkäufer unerheblich ist. Es ist nirgends vorgeschrieben, daß die Mängelanzeige mittels rekommandierten Briefes zu geschehen habe, oder aber daß der Käufer zu beweisen hätte, daß die Mängelanzeige dem Verkäufer der Ware tatsächlich auch zugekommen sei. Vielmehr reicht gemäß Art. 349 Abs. 3 AHGB. die bloße Absendung der Mängelanzeige zur Geltendmachung der Einrede über die vertrags- bzw. gesetzwidrige Beschaffenheit der gelieferten Ware aus (ACl. 1577, 2357). Es ist nun kein einleuchtender Grund dafür zu finden, warum nicht auch für die Mängelanzeige des § 933 Abs. 2 ABGB. zur Erhaltung der Rechte des Käufers die rechtzeitige Absendung genügen soll. Die noch in der Berufungsmitteilung des Klägers aufgestellte, im Rekurs nicht mehr wiederholte Behauptung, daß der Verlust einer Postkarte oder eines nicht eingeschriebenen Briefes beim Transport häufig vorkomme, entspricht nicht der Erfahrung des täglichen Lebens; dieser entspricht vielmehr, wie das Berufungsgericht richtig hervorhebt, das gerade Gegenteil. Allerdings muß derjenige, der die Absendung einer schriftlichen Mängelanzeige behauptet, sie auch beweisen, wozu ihm die in der Zivilprozeßordnung angeführten Beweismittel zur Verfügung stehen. Die Frage zu entscheiden, ob der Beweis, für dessen Herstellung eine gewisse Strenge verlangt werden muß, vom Käufer erbracht wurde oder nicht, fällt in die Kompetenz der Tatsacheninstanzen. Dem Rekurswerber kann insoweit beigepflichtet werden, daß die eingeschrieben aufgegebene Mängelanzeige sich leichter beweisen läßt und auch besondere Gewähr für die Annahme bietet, daß sie den Verkäufer erreicht; dagegen ist die Rechtsansicht des Rekurswerbers, die Anzeige sei eine empfangsbedürftige Mitteilung, die dem Verkäufer zugehen müsse, wenn sie wirksam sein solle, als durch keine gesetzliche Bestimmung gestützt abzulehnen. Denn dadurch würden die Anforderungen, die an eine Mängelanzeige billigerweise gestellt werden können, in untragbarer Weise überspannt werden. Schon die Bestimmung des § 377 Abs. 2 HGB. zeigt, daß der vorn Rekurswerber behauptete Grundsatz, die Mängelanzeige sei eine empfangsbedürftige Mitteilung, unrichtig ist. Es gibt keinen durchschlagenden Beweisgrund für den vom Rekurswerber vertretenen Standpunkt, den nach § 933 Abs. 2 ABGB. Rügepflichtigen schlechter zu stellen als jenen nach § 377 HGB. Dies ist auch die Meinung der herrschenden Lehre (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 232 Anm. 91 mit Hinweis auf § 478 DBGB; Gschnitzer in Klang

2. Aufl. IV 555). Es kommt also nicht darauf an, ob die schriftliche Mitteilung den Verkäufer erreicht hat; entscheidend ist nur, daß die Absendung (Postaufgabe) der Anzeige mit richtiger Angabe des Adressaten und konkreter Anführung der Mängel sowie des Absenders entweder vom Verkäufer zugegeben oder gegen seine Bestreitung einwandfrei erwiesen wird. Einer Wiederholung der Mängelanzeige bedarf es in aller Regel nicht.

Anmerkung

Z34002

Schlagworte

Absendung der Mangelrüge, Wahrung der Frist, Mängelrüge Wahrung der Frist, Rechtzeitige Absendung einer Mängelrüge, Rüge von Mangeln, Absendung, Währung der Frist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00479.6.0111.000

Dokumentnummer

JJT_19610111_OGH0002_0010OB00479_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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