TE OGH 1961/1/17 4Ob176/60

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Veröffentlicht am 17.01.1961
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster und Dr. Bachofner sowie die Besitzer Dr. Wittek und Dr. Kolenaty als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl F*****, vertreten durch Dr. Helmut Pokorny, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Karl Homann, Rechtsanwalt in Graz, wegen 37.336,52 S samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9. November 1960, GZ 2 Cg 26/60-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 27. Jänner 1960, GZ 2 Cr 259/59-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei an Kündigungsentschädigung und Abfertigung den Betrag von 37.336,52 S samt Anhang, weil er am 6. 8. 1959 ohne wichtigen Grund entlassen worden sei. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger zwei Entlassungsgründe gesetzt habe. Er habe sich einerseits geweigert, die ihm aufgetragenen Dienste in Mariazell zu leisten und andererseits einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot dadurch begangen, dass er um die Erteilung einer Konzession für das Krankentransportgewerbe angesucht habe. Das Erstgericht hat das Verfahren auf den Grund des Anspruches eingeschränkt und mit Zwischenurteil erkannt, dass der Anspruch des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe. Auf die Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht das Zwischenurteil des Erstgerichtes bestätigt.

Die Untergerichte haben folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Kläger war in der Vorkriegszeit bis zum Jahre 1938 hauptamtlich bei der Grazer Freiwilligen Feuerwehr- und Rettungsgesellschaft beschäftigt. 1938 schied er aus diesem Dienstverhältnis aus und trat in den Dienst der Finanzlandesdirektion in Graz. Nach der Rückkehr des Klägers vom Militärdienst forderte der ehemalige Garagenmeister der Dienststelle Graz des Deutschen Roten Kreuzes, Anton L*****, der nach Kriegsende die Leitung dieser Dienststelle übernommen hatte, den Kläger auf, seine Stelle bei der Finanzlandesdirektion aufzugeben und wiederum Mitarbeiter beim Roten Kreuz zu werden. Dem Kläger war jedoch bekannt, dass die während des Bestandes des Deutschen Roten Kreuzes bei der Dienststelle in Graz aufgenommenen Mitarbeiter versetzbar waren und dass auch Versetzungen erfolgten, weshalb er L***** gegenüber ausdrücklich als Bedingung für seinen Wiedereintritt stellte, nur bei der Dienststelle des Roten Kreuzes in G***** aufgenommen und verwendet zu werden. Da L***** damit einverstanden war, trat der Kläger aus dem Dienst der Finanzlandesdirektion aus und am 11. 6. 1945 in die Dienststelle der Bezirksstelle Graz ein. Im Sinne der mit dem Kläger getroffenen Dienstortsvereinbarung berichtete L***** im Herbst 1945 dem Medizinalrat Dr. Josef J*****, es sei ihm gelungen, den Kläger als hauptamtlichen Mitarbeiter zu gewinnen. Dieser sei für die Dienststelle in Graz aufgenommen worden, weil er sich nur unter dieser Bedingung zu einer Mitarbeit bereit erklärt habe. In der Folge war der Kläger wesentlich an der Errichtung der Dienststelle G*****, Abteilung Rettungswesen, beteiligt und machte sich durch die Beschaffung von Fahrzeugen verdiente. Nach Kriegsende hatte sich die Dienststelle G***** des Deutschen Roten Kreuzes aufgelöst, weil die meisten Mitarbeiter ihre Tätigkeit einstellten und praktisch keine Fahrzeuge vorhanden waren. Damals übernahm Anton L***** die Leitung der Dienststelle G***** und bemühte sich, Mitarbeiter zu gewinnen und Fahrzeuge zu beschaffen. Nach der Gründung des Landesverbandes der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz Anfang 1946 billigte dieser die seitens der Dienststelle in Graz erfolgten Aufnahmen von Mitarbeitern für diese Dienststelle; auch wurden mit den Dienstnehmern keine neuen Dienstverträge abgeschlossen. L***** war in den Jahren 1945 und 1946 selbständiger Leiter der Dienststelle G***** und hatte als solcher praktisch niemanden über sich, so dass die Aufnahme der Mitarbeiter allein durch ihn erfolgt ist. Nach der Konstituierung des Landesverbandes wurde die Verbindung der Dienststelle G***** zum Landesverband enger und straffer. Die beklagte Partei hat mit dem Kläger am 11. 3. 1957 einen schriftlichen Dienstvertrag abgeschlossen, in dem es unter anderem heißt, dass das Dienstverhältnis seit 11. 6. 1945 besteht. Dieser Dienstvertrag wurde auf Grund der Dienst- und Besoldungsordnung für die Bediensteten des Österreichischen R*****, Landesverband S*****, abgeschlossen. Nach § 3 Abs 1 dieser Dienst- und Besoldungsordnung verlieren alle bisherigen Vorschriften, dienstlichen Vereinbarungen und Gepflogenheiten sowie der bisherige Dienstvertrag, soweit sie der neuen Dienstordnung entgegenstehen, ihre Wirksamkeit. Gemäß § 3 Abs 3 werden andere bestehende günstigere Vereinbarungen durch die Dienstordnung nicht berührt. Gemäß § 4 Abs 3 bedarf die Aufnahme von Bediensteten der Genehmigung des Landesverbandes. Bezüglich des Dienstortes enthält die Dienstordnung keine Bestimmung. Am 2. 4. 1959 suchte der Kläger um die Verleihung einer Konzession für das private Krankentransportgewerbe an und erklärte, für den Fall der Konzessionserteilung aus dem Dienst der beklagten Partei auszuscheiden. Dies löste unter den Mitarbeitern der Dienststelle G***** Erregung und beim Landesverband S***** Bedenken wegen einer drohenden Verschärfung der Konkurrenzverhältnisse und das Bestreben aus, den Kläger zu einer Zurückziehung seines Konzessionsansuchens zu veranlassen. In der Arbeitsausschusssitzung der Bezirksdienststelle G*****-Stadt vom 7. Juli 1959 wurde der Kläger, der sich weigerte, sein Ansuchen zurückzuziehen, dem Landesverband zur Verfügung gestellt und jede weitere Dienstleistung des Klägers bei der Dienststelle G*****-Stadt abgelehnt. Der Sekretär des Landesverbandes Oskar K***** teilte daraufhin dem Kläger mit, dass er zur Dienststelle der beklagten Partei in Z***** versetzt wrede. Der Kläger weigerte sich, dieser Versetzung nachzukommen und verwies darauf, dass er nur für den Dienstort G***** aufgenommen worden sei. Gleichzeitig ersuchte er um Urlaub, der ihm auch gewährt wurde. Auch ein am 22. Juli 1959 vom Personalreferenzen der Dienststelle G*****, Dr. M*****, unternommener weiterer Versuch, den Kläger unter Einräumung von dienstrechtlichen Zusagen zur Zurückziehung seines Ansuchens zu veranlassen, scheiterte. Am 4. 8. 1959 wurde dem Kläger schriftlich mitgeteilt, dass er ab 7. August 1959 als Kraftfahrer der Bezirksdienststelle M***** zugewiesen sei. Auch in diesem Schreiben wurde der Kläger zur Zurückziehung seines Konzessionsansuchens aufgefordert. Am 6. 8. 1959 erklärte der Kläger, er weigere sich, eine Dienstverwendung in M***** anzunehmen und wiederholte, er werde keine Dienstverwendung außerhalb von G***** annehmen. Daraufhin wurde der Kläger mit Schreiben vom 6. 8. 1959 entlassen. Am 4. Juni 1960 wurde das Konzessionsansuchen des Klägers vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung abgewiesen.

Nach Ansicht der Untergerichte ist die beklagte Partei an die Zusicherung L***** gebunden, den Kläger nur in G***** zu verwenden, weil nach Konstituierung des Landesverbandes Steiermark im Jahr 1946 die Personalaufnahmen L***** bei der Dienststelle G***** gebilligt wurden. Dies ergebe sich auch daraus, dass im Dienstvertrag des Klägers vom 11. 3. 1957 ausdrücklich festgehalten wurde, dass das Dienstverhältnis des Klägers seit 11. 6. 1945 bestehe. Die dem Kläger gegebene Zusage, ihn nur in G***** zu verwenden, sei gemäß § 3 Abs 3 der neuen Dienstordnung als bestehende günstigere Vereinbarung in Kraft geblieben. Der Kläger habe im Hinblick auf die bestehende Vereinbarung Anspruch auf Dienstverwendung in G*****. Die Versetzung nach Z***** bzw M***** verletze den bestehenden Dienstvertrag, so dass die Weigerung des Klägers, sich dieser ungerechtfertigten Anordnung des Dienstgebers zu fügen, keinen Entlassungsgrund abgeben könne. Auch das Ansuchen des Klägers um die Erteilung einer Konzession für das Krankentransportgewerbe könne nicht als Entlassungsgrund gewertet werden, weil ein bloßes Ansuchen um Konzessionserteilung keinen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot des § 27 Z 3 AngG bilde. Aus der Diktion des Gesetzes gehe hervor, dass der Entlassungsgrund nur eintrete, wenn der Angestellte einem anderen Erwerb nachgehe, d.h. wenn er ein Unternehmen betreibe, Handelsgeschäfte mache oder dem im § 7 Abs 4 angG bezeichneten Verboten zuwiderhandle. Auch sei die Entlassung des Klägers wegen des Ansuchens um Konzessionserteilung nicht unverzüglich ausgesprochen worden, nachdem die beklagte Partei von diesem Ersuchen erfahren habe.

Gegen das Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei, in der die Revisionsgründe der Z 2 und 4 des § 503 ZPO geltend gemacht werden und in der beantragt wird, die Urteile der Unterinstanzen auf Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder sie aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Kläger hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Als mangelhaft wird das Verfahren gerügt, weil der Zeuge Rudolf Sch*****, der Zentralbetriebsratsobmann bei der beklagten Partei, nicht darüber einvernommen wurde, dass sich § 3 Abs 3 der Dienstordnung nur auf Gehaltsvereinbarungen beziehe. Abgesehen davon, dass Sch***** ohnehin in erster Instanz als Zeuge vernommen wurde und auch (S 67) darüber ausgesagt hat, warum nach seiner Meinung in die Dienstordnung kein Passus über die Versetzbarkeit der Dienstnehmer der beklagten Partei aufgenommen wurde, kommt es bei der Frage einer Auslegung der Dienstordnung, ebenso wie bei der Auslegung von Kollektivverträgen nicht auf die Absicht der Parteien an; solche Dienstordnungen sind ebenso wie Kollektivverträge nicht nach § 914, sondern nach den § 6 und 7 ABGB auszulegen (vergl die Entscheidungen in Wahle-Dittrich-Veit zu § 2 Kollektivvertragsgesetz, Nr 6). Das Berufungsverfahren leidet daher an keinem Mangel.

In der Rechtsrüge wird nur vorgebracht, dass L***** im Sommer 1945 nicht Angehöriger der beklagten Partei war und daher keine Vereinbarung über die Unversetzbarkeit des Klägers zwischen diesem und der beklagten Partei getroffen werden konnte, dass L***** während der Zugehörigkeit zur beklagten Partei Dienstnehmer wie jeder andere war und Dienstverträge überhaupt nicht abschließen konnte, dass der beklagte Landesverband S***** überhaupt erst im Frühjahr 1946 konstituiert wurde, so dass Vertragspartner des Klägers bezüglich seines Dienstverhältnisses offenbar nur L***** persönlich gewesen sein kann. Diese Rechtsausführungen gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die beklagte Partei nach ihrer Konstituierung die von der Dienststelle G***** erfolgten Personalaufnahmen gebilligt und dass sie dem Kläger im Dienstvertrag vom 11. 3. 1957 ausdrücklich bestätigt habe, dass sein Dienstverhältnis seit 11. 6. 1945 bestehe. Damit hat die beklagte Partei alle dem Kläger von L***** gemachten Zusagen einschließlich der Zusage, ihn nur in G***** zu verwenden, so zu vertreten, als wäre der Kläger schon vom 11. 6. 1945 ihr Dienstnehmer gewesen. Auch der Hinweis der beklagten Partei auf die Rechtsprechung § 1409 ABGB geht fehl, weil die Verpflichtung der beklagten Partei zur Einhaltung der Zusage, den Kläger nur in G***** zu verwenden, sich nicht aus der Übernahme eines Unternehmens ergibt, sondern aus der Tatsache, dass die beklagte Partei die von L***** erfolgten Personalaufnahmen nachträglich uneingeschränkt gebilligt hat.

Der Revision kann daher nicht Folge gegeben werden, der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E76696 4Ob176.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0040OB00176.6.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19610117_OGH0002_0040OB00176_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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